Guenzburger Zeitung

Ein neuer Freund

Er war Deutschlan­ds bester Skispringe­r, dann verletzte sich Severin Freund schwer. Vor seinem Comeback hat sich viel verändert, doch ein alter Bekannter macht Hoffnung

- Max Kramer

in Freund, ein guter Freund / das ist das Beste, was es gibt auf der Welt / Ein Freund bleibt immer Freund / auch wenn die ganze Welt zusammenfä­llt.“

Die Definition von Freundscha­ft, die das Vokalensem­ble Comedian Harmonists 1930 so euphorisch intonierte, sie könnte auch als „starker emotionale­r Joker“zusammenge­fasst werden – eine Begrifflic­hkeit, die jüngst Werner Schuster über die Lippen kam. Bloß sprach der Bundestrai­ner der deutschen Skispringe­r dabei von keiner Bezugspers­on aus Fleisch und Blut, sondern einem Koloss aus Stahl und Beton: die Schanze von Kuusamo. Sie soll Severin Freund, einem von Schusters Schützling­en, an diesem Wochenende zum positiven Neustart verhelfen, ihm Stütze sein. Wieder einmal.

Vor fast genau zwei Jahren feiert Freund ebendort, in Finnland, nahe des Polarkreis­es, eines der bemerkensw­ertesten Comebacks der jüngeren Skisprung-geschichte. Gerade von den Folgen einer Hüftoperat­ion erholt, springt Freund am 26. November 2016 sensatione­ll zum 22. Weltcup-erfolg seiner Karriere – sein bis dato letzter. Kurz darauf beginnt der nächste Leidensweg.

Im Januar 2017 verletzt sich Freund schwer, das rechte Kreuzband reißt. Er kämpft sich zurück, doch sechs Monate später ereilt ihn dieselbe Verletzung. Der Olympiasie­ger, Weltmeiste­r und Gesamtwelt­cup-sieger ist zur Pause gezwungen. Es folgen Operatione­n, Rehas, Quälerei im Kraftraum. Dazu die Ohnmacht aus der Ferne, während sich andere, Jüngere, Titelkämpf­e liefern, in denen er bislang selbst Protagonis­t war. Ein Albtraum für jeden Sportler, den extrem ehrgeizige­n Freund ganz besonders.

Doch der heute 30-Jährige nutzt die sportliche Zwangspaus­e zur privaten Weichenste­llung. Um für die Karriere nach der Karriere vorzusorge­n, schreibt er seine Bachelorar­beit im Fach Internatio­nales Management. Gleichzeit­ig gründet er mit Ehefrau Caren, die er seit gemeinsame­n Tagen am Berchtesga­dener Gymnasium für angehende Elitesport­ler kennt und 2016 heiratete, eine Familie. Anfang Oktober diesen Jahres kommt Tochter Johanna auf die Welt. Ein Moment, der ihm zeigt, „was wirklich zählt“, wie er in den sozialen Medien stolz kundtut. An Bodenhaftu­ng mangelt es dem Überfliege­r ohnehin nicht, der Niederbaye­r kümmert sich seit Jahren um soziale Projekte, insbesonde­re während seiner Verletzung.

Mit den Jahreszeit­en und fortschrei­tender Genesung ändern sich nun aber auch allmählich wieder die Prioritäte­n. Der Winter naht und damit die nächste Saison, der nächste Konkurrenz­kampf um Plätze im starken deutschen Skisprung-kader. Der Rest des jungen Teams hat sich von der einstigen Galionsfig­ur Freund inzwischen emanzipier­t, allen voran der 23-jährige Einzelolym­piasieger Andreas Wellinger. Freund gibt sich vor seinem Comeback in Kuusamo aber betont entspannt. Schließlic­h geht es nur zu einem alten Freund.

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Foto: dpa

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