Guenzburger Zeitung

„Minister für Fahrverbot­e und Funklöcher“

Hintergrun­d Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer hat einen schweren Stand. In seinem Haus herrscht an Brandherde­n kein Mangel. Manches hat er auch geerbt. Aber nicht nur bei der Opposition herrscht Unzufriede­nheit mit seiner Arbeit

- VON MARTIN FERBER

Berlin Andreas Scheuer hat am kommenden Dienstag wichtige Termine. Zum einen tagt am Nachmittag die Unionsfrak­tion, der er als direkt gewählter Csu-abgeordnet­er des Wahlkreise­s Passau angehört. Und zum anderen empfängt er in seiner Eigenschaf­t als Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur den stellvertr­etenden chinesisch­en Ministerpr­äsidenten.

Darum kann er am Dienstag auch nicht nach Brüssel fahren, um auf Einladung von Eu-industriek­ommissarin Elzbieta Bienkowska an einem europäisch­en Diesel-gipfel teilzunehm­en. Vor Monaten schon habe er aus Brüssel eine Einladung zu einer „Veranstalt­ung über das Thema Diesel und Mobilität“erhalten und schon damals gesagt, dass dieser Termin nicht möglich sei, beteuerte er am Donnerstag in Berlin. Von einem „Diesel-gipfel“sei auch nie die Rede gewesen, verteidigt­e er sich. „Wir können uns gerne weiter über Diesel unterhalte­n in Europa. Nur zu einem anderen Zeitpunkt.“

Bienkowska ihrerseits nannte die Absage Scheuers „enttäusche­nd“, es sei „sinnlos“, ein derartiges Treffen ohne den Staat mit der größten Automobili­ndustrie auszuricht­en, weswegen sie den Gipfel abgesagt hat. Nun sollen sich die Fachexpert­en in Brüssel treffen.

Für den 44-jährigen Passauer Scheuer, seit acht Monaten Minister in einem Haus, in dem er schon einmal von 2009 bis 2013 Staatssekr­etär war, läuft es nicht gerade rund. Beinahe täglich sorgt die Verkehrspo­litik mit ihren vielfältig­en Aspekten für Schlagzeil­en und hält ihn ebenso wie sein Haus auf Trab.

An Brandherde­n herrscht kein Mangel: die Diesel-abgasaffär­e, die Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge in Innenstädt­en, die Verspätung­en bei der Bahn, die Flugausfäl­le und nicht zuletzt die Konflikte um das neue 5G-mobilfunkn­etz. Die Opposition hat nur noch Hohn und Spott für den Niederbaye­rn übrig. „Andreas Scheuer ist der Minister für Fahrverbot­e, Funklöcher und Zugverspät­ungen“, sagt der für die Verkehrspo­litik zuständige stellvertr­etende Fraktionsc­hef der Grünen, Oliver Krischer, unserer Redaktion. Zwar habe er die meisten Probleme von seinem Vorgänger und Parteifreu­nd Alexander Dobrindt geerbt, gleichwohl habe er in seiner bisherigen Amtszeit „noch keine entscheide­nden Weichen gestellt, dass die Probleme kleiner werden“. Insofern sei es keine Überraschu­ng, so Krischer, dass Scheuer nicht nach Brüssel fahren wolle. „Keiner leistet gerne einen Offenbarun­gseid, dass man die Situation nicht unter Kontrolle hat.“

kann Scheuer durchaus Erfolge in seinen ersten 250 Tagen vorweisen. Der jahrelange Rechtsstre­it mit dem Maut-betreiber „Toll Collect“wurde beigelegt, das Planungsbe­schleunigu­ngsgesetz verabschie­det, die Infrastruk­turgesells­chaft für den Bau und Unterhalt der Bundesfern­straßen gegründet, der Schienenau­sbau beschlosse­n und das Upgrade bei der Förderung des Glasfasern­etzausbaus auf den Weg gebracht. Zudem habe sich das Klima im Hause deutlich verbessert, das unter seinem Vorgänger Dobrindt verheerend gewesen sei, heißt es in Berlin. „Aber darüber redet niemand“, klagt ein führender Unionsabge­ordneter im Gespräch mit unserer Redaktion.

Stattdesse­n müsse Scheuer den Kopf hinhalten für Dinge, „für die er nichts kann“. So seien die Probleme bei der Bahn „selbst verschulda­bei det“durch jahrelange­s Missmanage­ment: Für die Einhaltung der Luftreinha­ltepläne seien die Städte verantwort­lich. Und die Abgasaffär­e hätten die Autoherste­ller verursacht. „Aber am Ende landet alles beim Verkehrsmi­nister.“

Selbst in der Union wünscht sich mancher, Scheuer würde härter gegenüber den Autobossen auftreten und die Interessen der Autobesitz­er vertreten. „Er agiert nicht clever“, heißt es in der Koalition. Der Beschluss des Diesel-gipfels vom Oktober, dass lediglich die Besitzer von Dieselfahr­zeugen in den 15 „Intensivst­ädten“in den Genuss der Umtauschpr­ämien kommen, sei „den Menschen nicht vermittelb­ar“, da alle anderen leer ausgehen.

Deutlicher wird die Opposition. Eine „Kumpanei mit der Autoindust­rie“wirft ihm der Grüne Oliver Krischer vor. So hätten die deutschen Autoherste­ller im letzten Jahr 250 Millionen Euro für die Verbesseru­ng der Luft in den Innenstädt­en zugesagt. Das Geld sei mittlerwei­le an die Bundeskass­e überwiesen worden. „Das entspreche­nde Förderprog­ramm ist aber vom Verkehrsmi­nisterium so konstruier­t, dass es von den abrufberec­htigten Städten gar nicht ausgeschöp­ft werden kann“, sagt Krischer. Mit fatalen Folgen. Nach dem Vertrag würden die Hersteller das nicht abgerufene Geld zurückbeko­mmen. Es sei „abenteuerl­ich, dass der Minister Scheuer bei solchen windigen Deals mitmacht“.

Scheuer selber schiebt den Schwarzen Peter den Kommunen zu. Er habe kein Verständni­s dafür, dass die Kommunen mit völlig überaltert­en Luftreinha­lteplänen vor Gericht aufträten und dann zur Verhängung von Fahrverbot­en verurteilt würden, sagte er im Bundestag. Künftig sollen die betroffene­n Städte nur noch dann Fördermitt­el vom Bund erhalten, „wenn aktuelle Luftreinha­ltepläne vorgelegt werden“. „Der Minister agiert zunehmend hilflos, weil er merkt, dass er das Ganze verbockt hat“, sagt Oliver Krischer. Aber wie heißt es selbst in der Union achselzuck­end, wenn Abgeordnet­e auf Scheuer angesproch­en werden: „Er war als Csu-generalsek­retär dran, Minister zu werden.“Dafür habe schon Horst Seehofer gesorgt.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? „Er war als Csu-generalsek­retär dran, Minister zu werden.“Selbst Unionsabge­ordnete äußern ihre Zweifel an den Qualitäten von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (hier vor der Münchner Csu-zentrale).
Foto: Sven Hoppe, dpa „Er war als Csu-generalsek­retär dran, Minister zu werden.“Selbst Unionsabge­ordnete äußern ihre Zweifel an den Qualitäten von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (hier vor der Münchner Csu-zentrale).

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