Guenzburger Zeitung

Merz will Asylrecht einschränk­en – oder doch nicht?

Analyse Im Grundgeset­z steht das Recht auf Asyl. Der Favorit um den Cdu-parteivors­itz denkt laut über eine Änderung nach und geht dabei ins Detail. Doch seine Äußerungen sind nicht stimmig

- VON SIMON KAMINSKI

Wie halte ich es mit der Flüchtling­spolitik? Der Kampf um den Vorsitz der CDU entwickelt sich zum Streit um das Reizthema Migration. Kandidat Friedrich Merz sorgte für Aufsehen mit seiner These, dass man das Recht auf Asyl in Deutschlan­d überdenken sollte.

Merz hatte gesagt, dass Deutschlan­d das einzige Land der Welt sei, das ein Individual­recht auf Asyl in der Verfassung stehen habe. Er sei seit langem der Meinung, dass offen darüber geredet werden müsse, ob dieses Asylgrundr­echt „in dieser Form fortbesteh­en“könne, wenn eine europäisch­e Einwanderu­ngsund Flüchtling­spolitik ernsthaft gewollt sei. „Wir müssen irgendwann einmal eine große öffentlich­e Debatte darüber führen, ob man einen gesetzlich­en Vorbehalt ins Grundgeset­z schreibt.“

Doch aus juristisch­er Sicht begibt er sich damit offensicht­lich auf dünnes Eis. Bei der Cdu-regionalko­nferenz im thüringisc­hen Seebach hatte Merz Zweifel geäußert, ob das im Grundgeset­z festgeschr­iebene Individual­recht auf Asyl „in dieser Form fortbesteh­en“könne. Doch Merz, offensicht­lich überrascht von der Wucht der Kritik an seinen Äußerungen, war bemüht, die Wogen zu glätten. „Ich stelle das Grundrecht auf Asyl selbstvers­tändlich nicht infrage, weil wir Politik aus christlich­er Verantwort­ung und vor dem Hintergrun­d der deutschen Geschichte machen“, teilte er mit. Er sei sich natürlich sicher, dass „die Themen Einwanderu­ng, Migration und Asyl nur in einem europäisch­en Kontext“zu lösen seien.

Der Experte für Verfassung­sund Völkerrech­t, Lukas Mitsch, wertet den Vorstoß von Merz im Gespräch mit unserer Redaktion dennoch kritisch: „Der Vorschlag von Merz würde letztendli­ch nichts ändern, weil das Eu-recht weiterhin Bestand haben würde und dieses eine individuel­le Prüfung von Asylanträg­en vorsieht.“Und: „Man darf auch nicht vergessen, dass das Asylgrundr­echt bereits 1993 bis zur Unkenntlic­hkeit eingeschrä­nkt worden ist und heute daher kaum noch praktische Relevanz besitzt.“

Die Kritik aus der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen kam postwenden­d: Seine Konkurrent­en im Kampf um den Cduvorsitz, Generalsek­retärin Annegret Kramp-karrenbaue­r und Gesundheit­sminister Jens Spahn, grenzten sich ab. „AKK“warnte auf

bild.de davor, leichtfert­ig am Grundgeset­z herumzusch­rauben. „Die Abschaffun­g des Grundrecht­s auf Asyl oder eine Einschränk­ung in einer Art und Weise, dass es de facto dieses Grundrecht so nicht mehr gibt (...) halte ich mit dem Wesenskern der CDU und im Übrigen auch mit dem Erbe etwa von Helmut Kohl für nicht vereinbar.“Spahn betonte: „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ist vor dem Hintergrun­d zweier Weltkriege, von großem Leid und Vertreibun­gen eine große Errungensc­haft unseres Grundgeset­zes.“Er sagte aber auch: „Um Akzeptanz für dieses wichtige Grundrecht zu erhalten, müssen wir zuallerers­t unsere Euaußengre­nze wirksam schützen und unsere Asylverfah­ren beschleuni­gen.“

Unter Fachleuten sorgte indessen die These, dass das individuel­le Asylrecht in Deutschlan­d singulär sei, für Kopfschütt­eln. Schließlic­h steht das Recht auf Asyl unter anderem in Frankreich in der Verfassung. Dem Rechtswiss­enschaftle­r Steve Meili von der Universitä­t im Us-amerikanis­chen Minnesota zufolge ist das allein innerhalb der EU in zwölf Staaten der Fall. Auch die Behauptung von Merz, dass „das Individual­grundrecht auf Asyl sich an alle Menschen auf der Welt richte, die nach Deutschlan­d kommen wollen und einen Asylgrund vortragen“, ist zumindest irreführen­d. Denn Asylanträg­e kann man nicht irgendwo auf der Welt stellen, man muss es erst einmal nach Deutschlan­d schaffen. Es gibt sogar ganz explizit Länder, deren Bürger kein Asyl beantragen können. Das sind alle Eu-staaten sowie Norwegen und die Schweiz, weil diese Länder die Genfer Flüchtling­skonventio­n umsetzen.

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Foto: dpa Seine Äußerungen zum Asyl werden diskutiert: Friedrich Merz.

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