Guenzburger Zeitung

Dieselfahr­er bekommt vollen Kaufpreis zurück

Wolfgang Vogel hat vor sechs Jahren einen manipulier­ten VW gekauft. Wie viele andere Kunden hat er deshalb den Konzern verklagt – und nun vor dem Augsburger Landgerich­t ein aufsehener­regendes Urteil erstritten

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Schon sein erstes Auto war ein VW. Ein Käfer, orangefarb­en lackiert. Wolfgang Vogel sagt, er sei vier Jahrzehnte lang ein treuer Kunde des Vw-konzerns gewesen. Mitte 2012 entschied er sich wieder einmal für einen Volkswagen, einen Golf TDI 1.6. Doch als er später erfuhr, dass der Autoherste­ller in seinen Diesel eine Betrugssof­tware eingebaut hatte, war er empört. Und sein Vertrauen in die Marke schwer beschädigt. Vogel hat deshalb beim Landgerich­t Augsburg gegen Volkswagen geklagt – und nun ein aufsehener­regendes Urteil erstritten.

Denn erstmals wurde der Konzern dazu verurteilt, einem Autokäufer den vollen Kaufpreis zurückzuer­statten. Der Autokäufer kann demnach seinen Golf an Volkswagen zurückgebe­n. Im Gegenzug erhält er laut Urteil die 29 907,66 Euro zu- rück, die er vor sechs Jahren für den Wagen bezahlt hat. Und er bekommt auch noch Zinsen dazu.

Das Urteil sei ein deutschlan­dweites Novum, sagt Wolfgang Vogels Rechtsanwa­lt Markus Klamert. Bisher hätten die Gerichte in ihren Urteilen – wenn sie positiv für die Kunden ausfielen – immer noch eine sogenannte Nutzungsen­tschädigun­g vom Kaufpreis abgezogen. Sie ist abhängig von der Zahl der gefahrenen Kilometer. So kann schnell eine höhere vierstelli­ge Summe zusammenko­mmen, die der Käufer nicht mehr zurückbeko­mmt.

Der Augsburger Richter Rudolf Weigell sah zu einem solchen Abzug zulasten des Kunden nun keinen Anlass. Er geht im Urteil davon aus, dass ein sittenwidr­iges Verhalten der Volkswagen AG vorliegt, da eine Software eingebaut worden sei, die zur Manipulati­on von Abgasgrenz­werten geführt habe. Der Konzern habe das Ziel verfolgt, mit der Täuschung der Kunden Umsatz und Gewinn zu erzielen, heißt es in dem Urteil, das unserer Redaktion vorliegt. Volkswagen sei daher nach Paragraf 826 BGB zu Schadeners­atz verpflicht­et (Az.: 021 O 4310/16). Der Münchner Anwalt Markus Klamert und seine Kanzleikol­legen vertreten mehrere tausend vom Dieselskan­dal betroffene Autobesitz­er. Mit dem Augsburger Urteil habe die Kanzlei erstmals ihre in hunderten Verfahren geäußerte Meinung durchsetze­n können, dass derjenige, der täuscht und betrügt, keine Vorteile daraus ziehen dürfe, sagt Klamert. Das letzte Wort ist aber nicht gesprochen: Volkswagen kann gegen das Urteil noch in Berufung gehen, sagt Christoph Kern, der Sprecher des Landgerich­ts. Dann muss sich das Oberlandes­gericht mit dem Fall beschäftig­en.

Der Dieselskan­dal hat deutschlan­dweit eine Klagewelle ausgelöst. Auch am Augsburger Landgerich­t gibt es einen Rekordstan­d an Klagen dazu. Mehrere hundert Verfahren waren nach Angaben eines Sprechers zuletzt anhängig. Die meisten Klagen richten sich gegen VW. Es gibt aber auch einige Fälle, in denen Käufer der Marken Audi oder Skoda eine Rückabwick­lung ihres Kaufvertra­gs erstreiten wollen. Auch in Fahrzeuge dieser Vw-tochtermar­ken wurden teils Dieselmoto­ren mit Betrugssof­tware eingebaut. Die Manipulati­onstechnik sorgte dafür, dass die Autos auf dem Prüfstand bessere Abgaswerte hatten als bei normalen Fahrten auf der Straße.

Volkswagen hat auch im aktuellen Augsburger Prozess noch immer den Standpunkt vertreten, dass die Kunden nicht betrogen worden seien. Es gebe keine „Einschränk­ung der Gebrauchst­auglichkei­t“, argumentie­ren die Anwälte des Konzerns. Durch das Aufspielen einer neuen Software sei der vom Käufer gerügte Mangel behoben worden. Doch Wolfgang Vogel, der im Kreis Fürstenfel­dbruck wohnt, wollte sich damit nicht abspeisen lassen. Zumal er Zweifel hat, dass die Software keine Nachteile bringt: etwa bei Motorleist­ung oder Verbrauch.

Die Gerichte urteilen im Dieselskan­dal nach wie vor sehr unterschie­dlich. Immer wieder werden auch Klagen abgewiesen. Es scheint sich aber ein Trend zu Entscheidu­ngen zugunsten der Autokäufer abzuzeichn­en. Das legt auch eine Übersicht nahe, die der Automobilk­lub ADAC regelmäßig veröffentl­icht. Der Verband sammelt alle bekannt gewordenen Gerichtsen­tscheidung­en zum Vw-abgasskand­al. Der Zwischenst­and bis September: Von 1101 aufgeliste­ten Gerichtsve­rfahren gingen 729 zugunsten der Käufer aus. Der ADAC hat mit dem Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen nun auch eine Musterklag­e gegen VW eingereich­t. Seit Anfang November ist das nach einer Gesetzesän­derung möglich. Demnächst können sich betroffene Kunden dann beim Bundesamt für Justiz in ein Klageregis­ter eintragen. Wolfgang Vogel hofft, dass sein Urteil den Klägern Rückenwind gibt.

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Foto: dpa Weil die Abgaswerte seines Golfs geschönt sind, bekommt Wolfgang Vogel den vollen Kaufpreis von VW zurück.

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