Guenzburger Zeitung

Schleuser verlagern ihre Routen

In der Region rund um die Zugspitze haben sich die Festnahmen von Juni bis September nahezu verdoppelt. Warum das so ist und was sich für die Bundespoli­zei an der Grenze bei Mittenwald geändert hat

- VON GALINA BAUER

Rosenheim/mittenwald Erst kürzlich hat die Bundespoli­zei nahe Mittenwald einen auffällige­n Transporte­r angehalten. Auf der Ladefläche entdeckten die Beamten ein „regelrecht­es Menschenkn­äuel“, wie Rainer Scharf von der Bundespoli­zeiinspekt­ion Rosenheim berichtet. 16 Flüchtling­e aus der Türkei, Pakistan, dem Irak und dem Iran. Solche und ähnliche Bilder sind in der Grenzregio­n um die Zugspitze mittlerwei­le Alltag. Während auf der B 11 nahe Mittenwald und Garmisch-partenkirs­chen im ersten Halbjahr nur vereinzelt Schleuser aufgegriff­en wurden, haben sich seit dem Sommer die Vorfälle deutlich gehäuft. Offensicht­lich ist: Die Schleuser suchen sich neue Routen.

Von August bis September griffen die Beamten der Polizeiins­pektion Rosenheim knapp 140 Schleuser auf, 80 davon allein bei Mittenwald. Damit haben sich die Fälle in der Zugspitzre­gion nahezu verdoppelt. Scharf: „Dabei handelt sich lediglich um einen Streckenab­schnitt von 200 Kilometern.“Außerdem seien die Grenzkontr­ollstellen bei Mittenwald „mobil und zeitlich flexibel“. Das bedeutet, dass nicht immer Beamte vor Ort sind, um die Grenze zu kontrollie­ren. Das trifft auf die meisten deutsch-österreich­ischen Grenzüberg­änge zu. Von den 70 Grenzüberg­ängen zu Österreich werden drei stationär kontrollie­rt: an der A 93 bei Kiefersfel­den, an der A8 bei Bad Reichenhal­l und an der A 3 bei Passau. Beamte der Bundespoli­zei machen dort eine Rund-umdie-uhr-kontrolle und halten stichprobe­nartig Fahrzeuge an. Die restlichen Grenzüberg­änge werden stundenwei­se kontrollie­rt.

Die Bilanz der Bundespoli­zei: Von Januar bis September wurden in ganz Bayern 450 Schleuser (2017: 350) festgenomm­en. Allein 400 an der Grenze zu Österreich. Im selben Zeitraum verzeichne­te die Bundespoli­zei 11 000 illegale Einreisen. Die Beamten gehen davon aus, dass sie mehr als jeden dritten illegalen Grenzübert­ritt entdeckt haben.

Die deutliche Verlagerun­g nach Mittenwald und Garmisch-partenkirc­hen könnte laut Polizeispr­echer Scharf an den umfassende­n Kontrollen im Zugverkehr, den Kontrollen auf der A93 bei Kiefersfel­den und auf nahen Nebenstrec­ken, denen die Schleuser womöglich entgehen wollten, liegen.

Auf die verstärkte­n Schleusera­ktivitäten haben die Beamten bereits reagiert. Der Polizeispr­echer sagt: „Wir haben die Kontrollen bei Mittenwald intensivie­rt.“Der Streckenab­schnitt wird also häufiger und länger kontrollie­rt. Für die Bundespoli­zeiinspekt­ion Rosenheim wäre diese Arbeit allein nicht zu stemmen. Derzeit unterstütz­en Beamte aus Kempten ihre Kollegen bei der Arbeit an der Grenze. Nächstes Jahr entsteht in Garmischpa­rtenkirche­n ein neues Revier. Mit der verlagerte­n Schleuserr­oute habe das aber nichts zu tun, erklärt Scharf. Dieser Standort sei schon länger geplant gewesen. Die Arbeit an der Grenze würde ein Revier in unmittelba­rer Nähe zu Österreich aber allemal erleichter­n.

Neben den steigenden Zahlen ist an den Grenzkontr­ollstellen bei Mittenwald laut Polizei noch eines auffällig: Immer häufiger werden größere Gruppen gefasst. Scharf: „Das sind meist etwa zehn Personen, die in Kleintrans­portern unter widrigen Umständen über die Grenze geschleust werden.“

Ein Drittel der Migranten, die bei Mittenwald aufgegriff­en werden, kommen mit dem Zug, ein Drittel der Menschen sind als Fahrgäste eines Busses getarnt, der Rest verteilt sich auf Autos und Kleintrans­porter. Schleuser können laut Scharf Menschen verschiede­ner Nationen sein. Auch Deutsche seien darunter.

Bei den Migranten, die eingeschle­ust werden, handelt es sich vorwiegend um Leute aus Pakistan, Nigeria, Afghanista­n, Irak und Albanien. Eines haben jedoch fast alle

Drei Grenzüberg­änge werden stationär kontrollie­rt

Flüchtling­e gemeinsam: Sie bezahlen tausende Dollar, um illegal über die deutsch-österreich­ische Grenze zu gelangen. Scharf sagt: „Einige nehmen diesen Transport bewusst in Kauf. Viele wissen aber noch nicht einmal, unter welchen Bedingunge­n sie transporti­ert werden.“Wie die Bedingunge­n aussehen können, zeigt etwa dieser Fall: 2015 wurden 71 tote Flüchtling­e in einem Lastwagen auf der A4 in Österreich gefunden. Die Menschen waren in dem luftdicht verschloss­enen Kühllaster erstickt.

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Foto: Bundespoli­zei Viele Flüchtling­e steigen in die Transporte­r, ohne zu wissen, unter welchen Bedingunge­n sie über die Grenze nach Deutschlan­d gebracht werden.

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