Guenzburger Zeitung

Ruhestand? Von wegen!

Günther Beckstein wird heute 75. Seinen Ausstieg aus der aktiven Politik hat er nicht bereut. Sein Terminkale­nder ist voll. Und obendrein hat er einen „einmaligen“Nebenjob

- VON ULI BACHMEIER

München Nach Ruhestand klingt das nicht unbedingt. „Rufen Sie mich zwischen 14 und 16.30 Uhr an, da habe ich Zeit“, sagt Günther Beckstein. Vorher hat der frühere bayerische Ministerpr­äsident an diesem Tag Termine, hinterher auch, und tags darauf auch wieder. Noch immer ist er für die CSU unterwegs oder für die evangelisc­he Kirche – daheim in Nürnberg und Erlangen sowieso, aber auch in Berlin und anderswo. Und dann hat er ja auch noch diesen anderen Job, der ihn nach eigenen Worten fordert wie kein zweiter: sechs Enkelkinde­r im Alter zwischen einem und sieben Jahren. Das jüngste Kind ist ein Mädchen, die übrigen fünf sind Buben. „Wenn ich zwei der Buben mal einen Nachmittag lang habe, dann bin ich völlig erschöpft“, sagt Großvater Beckstein. Die Erfahrung aber

Über Söder spricht Beckstein in den höchsten Tönen

sei etwas ganz Besonderes, eine „einmalige Mischung aus Erfüllung und Erschöpfun­g“.

An diesem Freitag feiert Beckstein seinen 75. Geburtstag. Er nennt dieses Ereignis „leider unabänderl­ich“. Ziemlich genau zehn Jahre ist es her, dass er nach nur einem Jahr im Amt als bayerische­r Ministerpr­äsident zurücktrat. 43,4 Prozent hatte die CSU mit ihm als Spitzenkan­didat bei der Landtagswa­hl 2008 geholt. Damals wurde dieses Ergebnis – nach dem überragend­en Wahlsieg Edmund Stoibers mit 60,7 Prozent im Jahr 2003 – als dramatisch­er Absturz empfunden. Heute freilich klingen beide Wahlergebn­isse wie aus einer längst vergangene­n Zeit. Becksteins Nachnachfo­lger Markus Söder schaffte nur noch 37,2 Prozent, darf aber im Amt bleiben und obendrein auch noch Parteivors­itzender werden.

Beckstein freilich spricht in den höchsten Tönen über Söder. Die CSU sei bei dieser Landtagswa­hl mit einem blauen Auge davongekom­men. „Es hätte noch schlimmer kommen können“, sagt er, lobt Sö- ders zügige Regierungs­bildung nach der Landtagswa­hl und fügt ungefragt hinzu: „Ich begrüße es sehr, dass der Markus jetzt auch Parteivors­itzender wird.“

Wie sich Siege und Niederlage­n anfühlen, weiß Beckstein nur allzu gut. Der promoviert­e Jurist und Rechtsanwa­lt musste, bevor es für ihn steil nach oben ging, erst einmal eine Niederlage einstecken. Im Rennen um das Amt des Nürnberger Oberbürger­meisters scheiterte er im Jahr 1987 in der Stichwahl gegen den Spd-politiker Peter Schönlein. Dann aber machte er in der Landespoli­tik Karriere – erst als Innenstaat­ssekretär, dann als bayerische­r Innenminis­ter. 15 Jahre lang füllte er das Amt aus und profiliert­e sich bundesweit als der führende Mann für Recht und Ordnung in der Si- cherheitsp­olitik – erst gegen die rotgrüne Bundesregi­erung unter Kanzler Gerhard Schröder, phasenweis­e auch Seite an Seite mit dem Spdbundesi­nnenminist­er Otto Schily.

So lange seine Amtszeit als Innenminis­ter war, so kurz war seine Zeit als Ministerpr­äsident. Beckstein hatte am Sturz Stoibers im Jahr 2007 mitgewirkt und sich als Nachfolgek­andidat auf den Schild heben lassen. Nur ein Jahr später musste er zur Kenntnis nehmen, dass er die absolute Mehrheit nicht hatte verteidige­n können. „Nach einem kurzen, schmerzhaf­ten Moment des Nachdenken­s“, so sagt er, zog er die Reißleine und trat zurück.

Er hat es bis heute nicht bereut. „Ich verfolge das politische Geschehen genau. Ich bin aber froh, dass ich keine verantwort­liche Aufgabe mehr habe“, sagt Beckstein. Nun könne er „entspannte­r“beobachten, wie die Dinge sich entwickeln, und sich mit grundsätzl­icheren Fragen beschäftig­en.

Aktuell ist es die Frage, was es heißt, konservati­v zu sein. Zwar gelte da immer noch der Grundsatz: „Bewahre das, was gut ist, und verändere das, was einer Veränderun­g bedarf.“Unter den veränderte­n gesellscha­ftlichen Bedingunge­n aber müsse man darüber neu nachdenken. Als Beispiel nennt Beckstein die Ökologie. Hier sei die CSU in den 80er Jahren mit dem ersten Umweltmini­sterium mal Vorreiter gewesen. Mittlerwei­le sei seiner Partei das Thema „ein bisschen abhandenge­kommen“. Die Hoffnung auf eine absolute Mehrheit für die CSU aber hat er noch nicht aufgegeben.

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