Guenzburger Zeitung

„Wir sind Dienstleis­ter am Menschen“

Warum der Bezirk Schwaben so wichtig ist, wurde beim Abschied des Präsidente­n Jürgen Reichert deutlich

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Was macht der Bezirk eigentlich? Nicht wenige Menschen würden sich wohl schwertun bei einer Antwort. Die Frage, ob wir ihn dann überhaupt brauchen, schließt sich oft an. Der nun verabschie­dete Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert kennt diese Berechtigu­ngskämpfe gut. Doch anders als vor 15 Jahren, bei seinem Antritt, steht der Bezirk Schwaben heute unangefoch­ten als unverzicht­barer Partner vor allem im sozialen, gesundheit­lichen und kulturelle­n Aufgabenfe­ld da. Auch kann der Bezirk heute – anders als damals – auf eine gute finanziell­e Basis verweisen. Zu verdanken ist dies vor allem auch Reichert, dessen herausrage­ndes Engagement im Kurhaus in Augsburg mit knapp 300 Gästen aus Politik und Gesellscha­ft gewürdigt wurde.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann weiß um die leidigen Berechtigu­ngskämpfe der Bezirke. Um so wichtiger ist es seiner Einschätzu­ng nach, dass so ein hoch engagierte­r und motivierte­r Präsident wie Reichert vor Ort Überzeugun­gsarbeit leistet. Schöne Worte helfen da aber nichts. Taten sind entscheide­nd. Und hier kann Reichert nach Einschätzu­ng des Csupolitik­ers eine „beachtlich­e Erfolgsbil­anz“vorweisen: So wurden in seiner Amtszeit die Bezirkskli­niken kontinuier­lich ausgebaut und die sozialpsyc­hiatrische Betreuung insgesamt erweitert. Vorbildlic­hes habe Reichert auch in der Kultur- und Heimatpfle­ge geleistet.

Für Reichert war der Ausbau der Versorgung für Menschen in Notlagen stets eine Herzenssac­he. Der 1951 in Hessen geborene gelernte Industriek­aufmann und Betriebswi­rt, der heute mit seiner Familie in Bobingen bei Augsburg lebt, arbeitete über Jahre in der Jugendarbe­it. Wer seinen langjährig­en Wegbegleit­er hört, den früheren Bundesmini­ster Eduard Oswald, erfährt viel über den Menschen Reichert. Über seine tiefe Liebe zu Schwaben, was sein Engagement für die Museen etwa in Oberschöne­nfeld, Maihingen und Illerbeure­n erklärt. Über sein klares Weltbild, das auf christlich­en Werten fußt. Über sein Gespür für die Sorgen der Menschen, was seinen Einsatz für Behinderte, psychisch Kranke und pflegebedü­rftige Men- schen verständli­ch macht. „Jürgen hat sich selbst nie in den Mittelpunk­t gedrängt“, betont Oswald, „er ist ein Teamplayer.“Dass er als Betriebswi­rt auch die Finanzen stets im Blick hatte, habe ihn als Präsidente­n prädestini­ert.

Reichert selbst ist berührt von dem vielen Dank von Vertretern aller kommunalen Ebenen, aber auch der Kirchen. Gleichzeit­ig macht er in seiner Rede deutlich, in welchem Bereich sich der Bezirk künftig vor allem engagieren muss: in der Pflege. Aber auch Menschen, die eine schwere Lebensbiog­rafie haben, gelte es weiter im Blick zu haben. Das sei der Auftrag des Bezirks. „Wir sind Dienstleis­ter am Menschen“, bringt es Reichert auf den Punkt. Allerdings könne auch zu viel des Guten getan werden. Daher dürfe man die Menschen nicht ganz aus ihrer Verantwort­ung entlassen. Rechtsansp­rüche seien zwar gut, nicht alles könne man Menschen aber abnehmen. Die Qualität der Angebote mache den Bezirk stark.

Reichert ist nicht bange um die Zukunft des Bezirks, im Gegenteil. So seien beispielsw­eise auch die europäisch­en Partnersch­aften, die der Bezirk pflegt, mit Blick auf die politische­n Probleme als Verständig­ungsmöglic­hkeiten gerade für die Jugend wichtiger denn je. Reicherts Nachfolger, Landrat Martin Sailer, beobachtet mit großer Sorge den Verlust der Empathie in unserer Gesellscha­ft. Der Bezirk ist seiner Ansicht nach aufgerufen, gegen diesen Verlust das Wort zu ergreifen. Und zwar laut. So werden alle den Bezirk hören.

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Foto: Ulrich Wagner 15 Jahre prägte Jürgen Reichert (links) als Bezirkstag­spräsident Region. Sein Nachfolger ist Landrat Martin Sailer.in Schwaben die

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