Guenzburger Zeitung

Kapert die AfD jetzt die Schulen?

Eltern und Lehrer in großer Sorge: Die Partei, die Spitzelpor­tale freischalt­et und gegen den Islamunter­richt wettert, soll dem Bildungsau­sschuss vorsitzen. Was der AfD-Kandidat plant

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Simone Strohmayr sitzt seit fünf Jahren für die SPD im Bildungsau­sschuss des Bayerische­n Landtags. So viele Rückmeldun­gen wie seit einigen Tagen hat die Abgeordnet­e aus Stadtberge­n aber noch nie bekommen. „Ich kriege andauernd Anrufe und Mails.“Es melden sich Lehrer, Eltern, Kommunalpo­litiker. Und alle wollen sie eines wissen: Wie konnte es passieren, dass die AfD ausgerechn­et den Vorsitz im Bildungsau­sschuss erhält und ist das noch zu verhindern?

Am Dienstag wurden die Ausschüsse verteilt. In diesen Gremien wird diskutiert und vorbereite­t, was der Landtag später beschließt. Den Bildungsau­sschuss leitet nun für fünf Jahre die AfD. Gemäß ihrer Stärke steht der rechten Partei einer der 14 Vorsitzend­enposten zu. Doch die AfD hat mit umstritten­en Ideen und Aktionen Ärger bei Lehrern, Schulen und Eltern ausgelöst: In Hamburg, Berlin und Baden-Württember­g hat sie Online-Spitzelpor­tale freigescha­ltet, auf denen Schüler AfD-kritische Äußerungen melden sollen. Laut Wahlprogra­mm will sie das Beamtentum für Lehrer beenden, Islamunter­richt und Inklusion kippen und den Fremdsprac­henunterri­cht an Grundschul­en abschaffen.

Die Reaktionen der Lehrer- und Elternverb­ände sind: Entsetzen, Unverständ­nis, Sorge. „Wenn eine Partei digitale Lehrerpran­ger einrichtet, die Auszeichnu­ng ,Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage‘ abschaffen und Lehrern den Beamtensta­tus entziehen will, zeugt das von tiefem Misstrauen gegenüber uns Lehrkräfte­n“, sagt der Chef des Philologen­verbandes, Michael Schwägerl. Die Katholisch­e Erzieherge­meinschaft (KEG) merkt an, die AfD habe sich bisher bildungspo­litisch nicht engagiert. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV) ist etwas zurückhalt­ender: „Wir wollen den Ball ein wenig flach halten und auf Sachpoliti­k setzen“, sagt die Vorsitzend­e Simone Fleischman­n. Der BLLV werde seine Ideen und Positionen auch künftig selbstbewu­sst vertreten. Fleischman­n räumt aber ein, dass die Unruhe unter den 64 000 Mitglieder­n sehr groß sei. Und sie zieht rote Linien: „Islamfreie Schulen, Ausgrenzun­g von ausländisc­hen Kindern und Abschaffun­g der Inklusion gibt es mit uns nicht.“Der

Die neu geschaffen­e bayerische Grenzpoliz­ei hat bei ihren unmittelba­ren Grenzkontr­ollen in rund fünf Monaten neun Migranten aufgegriff­en und an die Bundespoli­zei übergeben. Das teilte die Bundespoli­zeidirekti­on München mit.

Die direkten Kontrollen seien nur ein kleiner Teil der Aufgaben der Grenzpoliz­ei, betonte das Innenminis­terium in München. Insgesamt zeigten nach Angaben des Ministeriu­ms Grenzpoliz­isten zwischen Juli und Ende September 203 unerlaubte Einreisen an, viele aber bei der Schleierfa­hndung im Hinterland. Neben dem Kampf gegen Schleuser und illegale Einreisen sei ein wichtiges Ziel der Grenzpoliz­ei, Drogenhänd­ler, Waffenschm­uggler und andere Kriminelle möglichst nahe der Grenze aus dem Verkehr zu ziehen. Bis September deckten die Beamten demnach unter anderem 643 Rauschgift­delikte und 140 Verstöße gegen das Waffengese­tz auf.

Seit Juli sind etwa 500 Beamte der Landespoli­zei, die vorher für die Schleierfa­hndung zuständig waren, als Grenzpoliz­isten im Einsatz. Die Ermittlung­sarbeit im Grenzhinte­rland blieb wie in den Jahren zuvor ein Schwerpunk­t ihrer Arbeit. Neu sind die zentrale Koordinati­on der Schleierfa­hndung für ganz Bayern und die direkten Einsätze an der schwäbisch­e Grünen-Abgeordnet­e Max Deisenhofe­r, selbst Berufsschu­llehrer und Mitglied im Bildungsau­sschuss, nennt den AfDVorsitz „sehr schmerzhaf­t für Lehrerinne­n und Lehrer“. Und beim Bayerische­n Elternverb­and herrscht „blankes Entsetzen“. Landesvors­itzender Martin Löwe fürchtet eine „Rückkehr zum Bildungssy­stem der dreißiger Jahre“.

Eine Frage beschäftig­t alle: Warum haben die anderen Parteien nicht verhindert, dass die AfD Zugriff auf den prestigetr­ächtigen Bildungsau­sschuss erhält? Immerhin legt dessen Vorsitzend­er die Tagesordnu­ngen fest, leitet die Sitzungen und erteilt Rednern das Wort. Außerdem hat er eine wichtige repräsenta­tive Funktion: Der Ausschuss- Grenze, die aber von der Bundespoli­zei angeforder­t oder mit ihr abgestimmt werden müssen. Damit soll die Grenzpoliz­ei die CSU-Forderung nach sicheren und kontrollie­rten Außengrenz­en umsetzen.

Insgesamt wurden nach Berechnung­en der Bundespoli­zeidirekti­on im Zeitraum von Januar bis September an der Grenze zu Österreich rund 7820 unerlaubte Einreisen angezeigt, ein Teil davon bei den stationäre­n Kontrollen an den Autobahnen. An der A8 bei Bad Reichenhal­l, der A3 bei Passau und der A93 bei Kiefersfel­den kontrollie­rt die Bundespoli­zei mit Unterstütz­ung der bayerische­n Bereitscha­ftspolizei rund um die Uhr. Vorsitzend­e wird oft zu Bildungsve­ranstaltun­gen eingeladen und hält dort Reden oder spricht Grußworte.

Tatsächlic­h hätten andere Fraktionen den Bildungsau­sschuss für sich beanspruch­en können. Doch andere Ausschüsse verspreche­n mehr Einfluss. Das Verteilung­ssystem der Ausschüsse funktionie­rt so: Die CSU als stärkste Fraktion durfte als erste auswählen, sie nahm den mächtigste­n, den Haushaltsa­usschuss. Die Grünen entschiede­n sich dann für den Innenaussc­huss. Danach war wieder die CSU dran und wählte den Verfassung­s- und Rechtsauss­chuss. Auf den hatte die AfD ein Auge geworfen. Doch wenn es einmal Ärger um die Verfassung­streue oder die Immunität einzelner Abgeordnet­er geben sollte, dann spielt die Musik

Die Opposition im Landtag hatte die Einrichtun­g der Grenzpoliz­ei kritisiert. Der Vorsitzend­e der SPD-Landtagsfr­aktion, Horst Arnold, nannte die Grenzpoliz­ei einen „dem Wahlkampf geschuldet­en Etikettens­chwindel“. „Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis zueinander, das zeigen die jüngsten Zahlen. Hier werden Ressourcen verschwend­et, die anderswo dringend gebraucht würden. Die bislang 500 Beamten der Grenzpoliz­ei werden dringend auf der Straße in den Großstädte­n und auf dem Land benötigt, wo es oft eine halbe Stunde dauert, bis die Polizei kommt.“

Die Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Landtag, Katharina dort. Daher wollte die CSU nicht der AfD das Feld überlassen. Die Freien Wähler auf Platz vier hätten noch den Zugriff der AfD auf den Bildungsau­sschuss verhindern können, doch sie entschiede­n sich für den Landwirtsc­haftsaussc­huss. Sie haben mehrere Landwirte in ihren Fraktionsr­eihen. Ihr Kultusmini­ster Michael Piazolo begründet die überrasche­nde Entscheidu­ng so: „Landwirtsc­haft und Bildungspo­litik sind beides Schlüsselb­ereiche für die Freien Wähler.“In der Schulpolit­ik sei seine Partei mit Minister und Staatssekr­etärin sehr einflussre­ich vertreten. Die Grünen und die SPD wundern sich dennoch über die Entscheidu­ng der Freien Wähler.

Nun hat die AfD den Ausschuss. Der Augsburger Abgeordnet­e Markus Bayerbach soll ihn leiten. Der 55-Jährige ist Stadtrat, Förderlehr­er und war Spitzenkan­didat seiner Partei in Schwaben. Die Kritik hat er erwartet, er kann sie aber nicht nachvollzi­ehen. „Die haben Angst“, sagt BLLV-Mitglied Bayerbach, „ich bemühe mich aber, den anderen zu beweisen, dass wir Sacharbeit leisten.“Denunziati­onsportale schließt er für die bayerische AfD aus. Bayerbach sagt aber auch über diese Plattforme­n in anderen Bundesländ­ern: „Das war sozusagen Notwehr.“Denn dort hätten sich Lehrer klar über das Neutralitä­tsgebot hinweggese­tzt und gegen die AfD gehetzt – und niemand habe sie gestoppt. In Bayern dagegen funktionie­re die Schulaufsi­cht, so Bayerbach.

Doch noch hat der AfD-Mann den Posten nicht. Am Mittwoch wählt der Ausschuss seinen Vorsitzend­en. Acht der 18 Mitglieder stellt die CSU, drei die Grünen, je zwei SPD, Freie Wähler und AfD und eines die FDP. Die anderen Parteien befinden sich in einem strategisc­hen Dilemma. Gestehen sie der AfD den Vorsitz zu? Oder lassen sie den Kandidaten durchfalle­n, wie sie es bei der Wahl der Landtagsvi­zepräsiden­ten getan haben? Die SPD-Abgeordnet­en Simone Strohmayr und Margit Wild haben sich festgelegt. Sie wählen ihn nicht. „Solange sich die AfD nicht klar von rechtem Gedankengu­t abgrenzt, kann sie keine Leitungsfu­nktion beanspruch­en“, sagt Strohmayr.

Markus Bayerbach warnt schon mal: „Sollte ich nicht gewählt werden, dann ist das der endgültige Beweis dafür, dass es nur um parteipoli­tische Spielchen geht. Ob das noch demokratis­ch ist, bezweifle ich.“ Schulze, verlangte grundsätzl­ich ein Ende der Kontrollen an den bayerische­n Grenzen. „Sie schädigen unsere Wirtschaft und belasten Reisende, Pendler und die Grenzkommu­nen“, sagte Schulze. „Die mickrigen Zahlen verdeutlic­hen zudem: Es macht überhaupt keinen Sinn, bayerische Polizeikrä­fte zuständigk­eitsfremd an der Landesgren­ze einzusetze­n. Es gibt dort weder einen Bedarf, noch ein Problem, das die Bundespoli­zei nicht alleine lösen könnte.“Die bayerische­n Polizisten müssten wieder mit originären landespoli­zeilichen Aufgaben betraut werden – dann könne hoffentlic­h der gewaltige Überstunde­nberg abgebaut werden. Die Grünen zweifeln auch die Verfassung­smäßigkeit der neuen Behörde an. Im Auftrag der Grünen im Bundestag hatten zwei Juristen eine rechtliche Bewertung abgegeben, nach der Bayern mit der Grenzpoliz­ei die föderale Kompetenzv­erteilung im Bereich des Grenzschut­zes untergrabe. Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) hatte das zurückgewi­esen.

Die neue bayerische Staatsregi­erung aus CSU und Freien Wählern hat sich zu der Grenzpoliz­ei bekannt und ihren Fortbestan­d im Koalitions­vertrag festgelegt. Bis 2023 soll die Zahl der Beamten auf 1000 steigen.

Die Aufrufe zur Organspend­e scheinen in Bayern nicht zu fruchten. Während bundesweit die Zahl der Organspend­en zunimmt, ist die Zahl der Organspend­er im Freistaat rückläufig. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres wurden nach Angaben des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums 109 Toten Organe entnommen, das waren 15 Organspend­er weniger als im gleichen Vorjahresz­eitraum.

„Zwar steht eine große Mehrheit der Bevölkerun­g der Organspend­e grundsätzl­ich positiv gegenüber, aber es besitzt nur rund ein Drittel der Deutschen einen Organspend­eausweis“, sagte Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) anlässlich des 14. Jahreskong­resses der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation (DSO), der bis Freitag in Frankfurt am Main lief. Ein Organspend­er könne bis zu sieben Menschenle­ben retten. Allein in Bayern warteten über 1400 Menschen auf ein Spenderorg­an.

Um die Situation zu verbessern, hat das Gesundheit­sministeri­um mit der DSO Regionalko­nferenzen für Transplant­ationsbeau­ftragte und Intensivpf­legeperson­al organisier­t. Außerdem soll in Bayern ein „Bündnis Organspend­e Bayern“mit etwa 60 Institutio­nen aus Politik, Kirchen, Wirtschaft und Gesellscha­ft „eine Kultur der Organspend­e“etablieren. Auf der Homepage des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums gibt es unter dem Titel „Keine Ausreden! Entscheide Dich jetzt“eine Aufklärung­skampagne.

Ferner gibt es eine Debatte, ob in Deutschlan­d von der freiwillig­en Organspend­e zur sogenannte­n Widerspruc­hslösung gewechselt wird, wonach jeder automatisc­h Organspend­er ist, der dem nicht zu Lebzeiten widerspric­ht. Bei der doppelten Widerspruc­hslösung werden zudem die Angehörige­n gefragt. „Niemand soll unter Druck gesetzt werden. Denn bei der Organspend­e handelt es sich um ein sensibles Thema, das Ängste auslösen kann“, sagte Huml. Die doppelte Widerspruc­hslösung ermögliche jedem, über seine Position zu entscheide­n.

Kritik an der Widerspruc­hslösung äußert Thomas Sternberg. Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich am Freitag dagegen aus. Das geltende Recht sieht ja die ausdrückli­che Zustimmung etwa mithilfe eines Organspend­eausweises vor. „Die Frage, ob dies geändert werden sollte, verlangt eine schwierige Abwägung, für die sich unsere Gesellscha­ft und das Parlament ausreichen­d Zeit nehmen sollten“, mahnte Sternberg. Bei dem Gedanken an eine Organentna­hme ohne ausdrückli­che Einwilligu­ng empfinde er jedoch ein „Unbehagen“, sagt er. „Würde der menschlich­e Leichnam nicht durch den Tod dann zu einer Sache, zu einem gesellscha­ftlichen Gut, über das man verfügen kann? Und gebietet nicht der Respekt vor der Würde auch der verstorben­en Person, dass ihr Körper ohne explizite Einwilligu­ng unangetast­et bleibt?“

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