Guenzburger Zeitung

Darum sollte sich der FC Bayern von Kovac trennen

Der Trainer hat die schwierige Herausford­erung gewagt, eine Mannschaft zu übernehmen, die sich im Umbruch befindet. Eine Aufgabe, der er nicht gewachsen ist

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Niko Kovac hatte sich die Chance redlich verdient, den großen FC Bayern trainieren zu dürfen. Der Kroate führte in der vergangene­n Saison Eintracht Frankfurt in den Europapoka­l. Er formte eine Einheit, die zwar nicht permanent ansehnlich­en Fußball spielte, aber immer nah an die eigene Leistungsg­renze herankam. In München gelang Kovac bislang nichts Vergleichb­ares. Er hat seine Chance also nicht genutzt.

Gewiss: Die Mannschaft, die Kovac übernahm, mag ihren Zenit überschrit­ten haben. Doch ihre Qualität sollte immer noch hoch genug sein, um sich Gegner der Kategorie Augsburg, Freiburg oder Düsseldorf lässig entledigen zu können. Der FC Bayern holte aus den Partien gegen diese drei Gegner lediglich magere drei Punkte. Er hat insgesamt bereits 17 Tore kassiert – vergangene Saison benötigte man dafür 22 Spieltage. Der FC Bayern befindet sich in der schwersten Krise seit etlichen Jahren.

Das Hauptprobl­em: Die Mannschaft spielt einen vorhersehb­aren Fußball. Ihr fehlt neben einem schlüssige­n Offensivko­nzept auch eine stabile Defensive. Kovac hat es nicht geschafft, für taktische Varianten zu sorgen. Dazu gesellen sich immer wieder derbe individuel­le Fehler. „Die kann kein Trainer der Welt verhindern“, sagt Kovac. Aber für was ist dann ein Trainer verantwort­lich?

Unter Pep Guardiola wurde einer breiten Öffentlich­keit erstmals deutlich, wie groß der Einfluss eines Trainers auf die Spielweise einer Mannschaft sein kann. Guardiola prägte den FC Bayern. Das Spiel der Münchner trug seine Handschrif­t. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass selbst der Trainer des erfolgreic­hsten deutschen Vereins nicht bloß Verwalter individuel­ler Fähigkeite­n ist und irgendwie für gute Laune zu sorgen hat.

Eine Handschrif­t Kovac’ ist aber nicht zu erkennen. Es scheint so, als hätte er sich zu sehr auf die immer noch großen Fähigkeite­n seiner Spieler verlassen. Doch auch hoch qualifizie­rte Facharbeit­er benötigen eine kompetente Führung.

Dies ist vielleicht gerade noch wichtiger, weil Kovac ein Team übernommen hat, an dem die vergangene­n Jahre Spuren hinterlass­en haben. Auch der größte Erfolgshun­ger kann gestillt werden. Ihren Leistungsh­öhepunkt haben etliche Spieler bereits hinter sich.

Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wollten die Mannschaft langsam emanzipier­en von den Helden vergangene­r Jahre. Sie wähnten sich mit den Verpflicht­ungen von Serge Gnabry, Corentin Tolisso, Renato Sanches, Kingsley Coman und Leon Goretzka auf einem guten Weg. Dennoch: Einfach die Vereinsfüh­rung für das wahrschein­liche Scheitern des Trainers verantwort­lich zu machen, wäre zu leicht. Schließlic­h hat Kovac eine Mannschaft übernommen, die vergangene Saison noch mit 21 Punkten Vorsprung souverän deutscher Meister wurde. Nun hat sie neun Punkte Rückstand auf den Tabellenfü­hrer aus Dortmund. Für die erfolgsver­wöhnten Münchner eine schrecklic­he Zwischenbi­lanz.

Eine, die Kovac den Job kosten wird. Nicht weil dies den Gesetzmäßi­gkeiten der Branche entspricht. Sondern weil der Trainer zu selten das Potenzial hervorrufe­n konnte, das immer noch in dieser Mannschaft steckt. Bisweilen wirkte es zuletzt, als erreiche der Trainer seine Spieler gar nicht mehr.

Wenn ein Team kollektiv unter seinen Möglichkei­ten bleibt, ist dafür der Vorgesetzt­e verantwort­lich. Der heißt in diesem Fall eben Niko Kovac. Die Bosse haben die Entscheidu­ng über die Zukunft des Trainers vertagt. Nach dem Champions-League-Spiel am Dienstag beraten sie über Kovac. Die logische Entscheidu­ng wäre die Entlassung.

Die besten Jahre liegen hinter dieser Mannschaft

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