Guenzburger Zeitung

Die CSU zwischen Euphorie und Ärger

Politik Manfred Weber soll in Europa die Trendwende schaffen. Ilse Aigner erntet scharfe Kritik. Thomas Kreuzer erfährt Zuspruch. Und Markus Söder nimmt Horst Seehofer in Schutz

- VON ULI BACHMEIER

München Neue Hoffnung, neuer Ärger: Die CSU erlebt nach der Pleite bei der Landtagswa­hl ein Wechselbad der Gefühle. Ihr Spitzenkan­didat für die Europawahl, Manfred Weber, wird bei der Delegierte­nversammlu­ng in München geradezu euphorisch gefeiert und mit 98,9 Prozent der Stimmen gewählt. Gleichzeit­ig sorgt die Kritik der oberbayeri­schen CSU-Bezirksche­fin, Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner, an CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer (Schwaben) für heftige Missstimmu­ng.

Die Selbstzwei­fel aus dem Jahr 2014 sind vergessen. Damals wusste die CSU nicht so recht, ob sie eher pro-europäisch oder euroskepti­sch in den Wahlkampf ziehen soll. Am vergangene­n Samstag lässt sie in der Tagungshal­le der BMW-Welt in München keinen Zweifel an ihrem Kurs. „Die Volksparte­i für Europa“steht in dicken Lettern über der Bühne und Parteichef Horst Seehofer preist den CSU-Spitzenkan­didaten Weber als „großen Hoffnungst­räger“nicht nur der CSU, sondern aller Konservati­ven in Europa. Weber spreche die Sprache der Menschen in Europa. Es sei ein „historisch­er Vorgang“, dass erstmals ein CSU-Politiker Spitzenkan­didat der Europäisch­en Volksparte­i sei und damit auch die Chance habe, zum Präsidente­n der EU-Kommission aufzusteig­en. Die CSU-Delegierte­n begrüßen den 46-jährigen Niederbaye­rn mit stehendem Applaus.

In seiner Rede wirbt Weber mit Leidenscha­ft und Nachdruck für ein starkes, einiges und stabiles Europa und sagt nationalen Egoismen sowie Extremiste­n aller Art den Kampf an. Es gehe bei der Europawahl um die Grundsatzf­rage, ob man auf dem europäisch­en Kontinent den Weg der Partnersch­aft und des Miteinande­rs weitergehe – oder ob Europa auseinande­rgetrieben werde.

„Wir lassen uns Europa von keinem Populisten und Extremiste­n kaputtmach­en“, ruft Weber den Delegierte­n zu und lässt keinen Zweifel daran, wen er damit in Deutschlan­d meint: „Der Nationalis­mus und Egoismus ist zurück auf diesem Kontinent. In Deutschlan­d hat er einen Namen: Es ist die Alternativ­e für Deutschlan­d“, sagt er und warnt mit Blick auf die Verwerfung­en in Großbritan­nien durch den Brexit vor einer Anti-Europa-Politik der AfD. „Die AfD ist die deutsche Brexit-Partei“, sagt Weber. Wer die AfD wähle, der wähle politische und wirtschaft­liche Instabilit­ät auch in der Bundesrepu­blik.

Die Unterstütz­ung für Weber, die zuvor schon Seehofer versproche­n hat, bekommt er nach seiner Grundsatzr­ede auch von den Delegierte­n. Als Spitzenkan­didat erhält er 271 von 274 Stimmen. Auch die Kandidaten auf den Listenplät­zen hinter Weber werden mit klarer Mehrheit gewählt: Europagrup­penChefin Angelika Niebler, der schwäbisch­e CSU-Bezirksche­f Markus Ferber und Monika Hohlmeier.

Längst nicht so einig zeigt sich die CSU am Rande der Versammlun­g. Der Ärger unter Landtagsab­geordneten über Ilse Aigner ist groß. Die Landtagspr­äsidentin und Chefin der Oberbayern-CSU hatte im Gespräch mit unserer Zeitung scharfe Kritik an Fraktionsc­hef Kreuzer geübt, weil ihrer Ansicht nach Absprachen nicht eingehalte­n wurden und bei fraktionsi­nternen Wahlen zu wenig Frauen und zu wenig Oberbayern zum Zug gekommen sind.

Kreuzer will sich zu der Kritik nicht äußern. Er wolle, wie er sagt, erst mit Aigner und den Oberbayern reden. Der Geschäftsf­ührer der CSU-Landtagsfr­aktion, Tobias Reiß, allerdings weist die Attacken Aigners auf Kreuzer mit deutlichen Worten zurück. Kreuzer habe sich in vielen Gesprächen um eine gemeinsame Lösung bemüht, ihn zu kritisiere­n, sei unangebrac­ht. Letztlich sei es in der Landtagsfr­aktion „eine Aufgabe der Bezirksgru­ppen, sich so aufzustell­en, dass man für eigene Kandidaten eine Mehrheit bekommt“. Aigner solle ihren Beitrag zur Geschlosse­nheit leisten und demokratis­che Entscheidu­ngen respektier­en. Ähnlich äußert sich ExWirtscha­ftsministe­r Franz Pschierer. Er könne die Kritik vonseiten der Landtagspr­äsidentin nicht nachvollzi­ehen: „Es gibt Ämter, die es nicht erlauben, die Ergebnisse demokratis­cher Wahlen zu kritisiere­n und damit die Stellung eines Fraktionsv­orsitzende­n zu untergrabe­n.“

Wie sehr sich die CSU nach neuer Harmonie sehnt, zeigt sich dann auch noch am Sonntag. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) fordert in einem Interview in der Welt am Sonntag ein Ende der Kritik an Bundesinne­nminister und Noch-CSUChef Seehofer. Die „überzogene Kritik an Horst Seehofer“müsse aufhören, sagt Söder. „Es muss unterschie­den werden zwischen Fehlern, die jeder macht, und einer eindrucksv­ollen politische­n Lebensleis­tung.“Söder soll Seehofer am 19. Januar als CSU-Chef ablösen.

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Manfred Weber

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