Guenzburger Zeitung

Die Bayern grübeln

Krise Nach dem 3:3 gegen Düsseldorf gerät Niko Kovac ins Zentrum der Kritik. Der Trainer kann sich seiner Position nicht mehr sicher sein – und erhält nur eine äußerst kurze Job-Garantie

- VON TILMANN MEHL

München Jérôme Boateng wollte nach dem Spiel nicht sprechen. Wortlos schritt der Innenverte­idiger mit jener Geradlinig­keit an den Reportern vorbei, die sich die Fans des FC Bayern zuvor auf dem Rasen gewünscht hätten. Das Reden übernahmen andere. Uli Hoeneß beispielsw­eise. Der Präsident der Münchner attestiert­e Boateng schauspiel­erisches Talent, Fachbereic­h Komödie. „Was ich beim ersten Gegentor gesehen habe, kenne ich eigentlich nur aus Slapstick-Filmen“, urteilte Hoeneß streng über den Verteidige­r und seinen Partner Niklas Süle. Beide verhindert­en kurz vor der Pause nicht, dass Dodi Lukebakio die Düsseldorf­er auf 1:2 heranbrach­te und der Aufsteiger so wieder auf eine Überraschu­ng spekuliere­n konnte.

Boateng war es auch, der mit dem wirren Versuch, den Gegner ins Abseits zu stellen, das 2:3 aus Düsseldorf­er Sicht ermöglicht­e. Den Ausgleich in der Nachspielz­eit verantwort­ete dann wieder das Innenverte­idiger-Pärchen gemeinsam, das sich von einem schlichten Pass über- ließ. Nutznießer war beide Male wieder der überragend­e Lukebakio (Die glatte Eins).

So führte die Defensive die bislang lediglich medial geführte Debatte um Kovac ins Innere des Klubs. Erstmals sprang Hoeneß dem Trainer nicht mehr zur Seite, sondern zählte ihn öffentlich an. „Wir müssen beim FC Bayern jetzt alles hinterfrag­en, warum wir so spielen, wie wir spielen. Wir können nicht sagen, es wird schon werden.“Sätze, die gemeinhin eher am Ende einer Trainer-Amtszeit fallen. Bis Dienstag immerhin hat Kovac eine Job-Garantie erhalten. Es ist die wohl kürzeste Job-Garantie der Bundesliga. Am Dienstag nämlich trifft der FC Bayern in der Champions League auf Benfica Lissabon und soll da den Einzug ins Achtelfina­le perfekt machen. Doch selbst dieses Szenario hätte nicht zwingend zur Folge, dass der Trainer beim kommenden Ligaspiel in Bremen Niko Kovac heißt. Nach dem Lissabon-Spiel „müssen wir mal eine Analyse machen, wo wir stehen“, kündigte der Präsident an. Ziemlich eindeutig ist, wo die Münchner nach dem Düsseldorf-Spiel stehen: weit hinter ihren Erwartunge­n. Die neun Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund lassen eine erneute Titelverte­idigung bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison unwahrsche­inlich erscheinen.

Dabei war das Spiel gegen Düsseldorf dafür auserkoren, wieder in die Erfolgsspu­r zu finden. Überschaub­are Qualitäten des Gegners, eine ausgeruhte Mannschaft nach der Länderspie­lpause, die zuletzt in Dortmund zur Schau gestellte aufsteigen­de Form: Die Situation schien passend für einen jener Kantersieg­e, die die Bayern in den vergangene­n Jahren immer wieder eingestreu­t hatten. Als dann auch noch Süle und Thomas Müller ihre Mannschaft Mitte der ersten Halbzeit mit 2:0 in Führung brachten, war alles angerichte­t für einen gemütliche­n Nachmittag.

Den Bayern ist aber nichts mehr geblieben von jener Selbstvers­tändlichke­it, die ihr Spiel in den verganlist­en genen Jahren charakteri­sierte. Statt den Vorsprung immer weiter auszubauen oder ihn auch nur souverän zu verwalten, bringt sich das Team immer wieder selbst in Bedrängnis. Vier Liga-Heimspiele hintereina­nder sind die Bayern nun schon ohne Sieg. Gegen Düsseldorf, Augsburg und Freiburg verschenkt­en sie den Erfolg in den Schlussmin­uten. „Wir spielen sehr schlechten Fußball, einen uninspirie­rten Fußball und einen Fußball ohne Selbstvert­rauen“, fasste es Hoeneß zusammen. Eine Zustandsbe­schreibung, die dafür spricht, dass sich Kovac wohl keinen Wintermant­el für die kalten Monate auf der Bank besorgen muss. Bayern München Neuer – Kimmich, Süle, Boateng, Alaba – Javi Martinez – Sanches (80. Rafinha), Goretzka – Müller (90.+2 Hummels), Lewandowsk­i, Ribéry (71. Robben) Fortuna Düsseldorf Rensing – Mat. Zimmermann, Bormuth, Kaminski, Gießelmann – J. Zimmer, Stöger, Bodzek (85. Hennings), O. Fink (76. Karaman), Usami (70. Raman) – Lukebakio Tore 1:0 Süle (17.), 2:0 Müller (20.), 2:1 Lukebakio (44.), 3:1 Müller (58.), 3:2 Lukebakio (78.), 3:3 Lukebakio (90.+3) Zuschauer: 75000 (ausverkauf­t) Schiedsric­hter Sven Jablonski (Bremen)

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Foto: Peter Schatz Jérôme Boateng bereitete mit einem feinen Pass das 2:0 vor. Weil er aber auch bei sämtlichen drei Gegentoren keine gute Figur abgab, wird der Innenverte­idiger das Spiel in nicht allzu guter Erinnerung behalten.
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Niko Kovac

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