Die Geister des alten Japan
Ausstellung in Ulm zeigt Farbholzschnitte
Ulm Wenn in Japan die Erde bebt, liegt das an einem riesigen Wels. So jedenfalls glaubten es die Bewohner der Hauptinsel Honshu in der sogenannten Edo-Zeit, von 1603 bis 1868. Wenn sich der Fisch bewegt, bewegt sich auch die Erde darüber, so die – schon damals nicht ganz ernst gemeinte – Vorstellung der Menschen. Was aber nicht heißt, dass der Wels, japanisch „namazu“, die Japaner in Angst und Schrecken versetzte. Im Gegenteil, er wurde zum Star einer eigenen Gruppe von Farbholzschnitten, den sogenannten namazu-e. Und in denen lässt das Riesentier nicht nur die Erde beben, es marschiert auch bei Umzügen mit oder macht Frauen glücklich.
Der Wels ist einer der eigenwilligen Helden der Ausstellung „Von Zauberwesen, Ungeheuern & Gespenstern“, die das Museum Ulm nun in seinem Grafikkabinett zeigt. Kuratiert wurde sie von Hannspeter Kunz aus Sigmaringen, dem auch ein Großteil der rund 200 Exponate gehört. Kunz, früher Lehrer von Beruf, sammelt seit etwa 40 Jahren die sogenannten ukiyo-e, übersetzt „Bilder des vergänglichen Lebens“. Und diese zeigen nicht nur Straßenszenen, schöne Frauen oder Landschaften, sondern eben auch Dämonen und Geisterwesen.
Die Japaner der Edo-Zeit hatten eine ungewöhnliche Beziehung zu den seltsamen Geschöpfen, die ihre Mythologie bevölkern. Die Wurzeln liegen in der Urreligion Shinto mit ihrer Vielgötterei und der Vorstellung einer Allbeseeltheit der Natur, sie hängt aber auch eng mit der Populärkultur der Edo-Zeit zusammen. Unter dem rigiden MilitärRegime der Tokugawa-Shogune war Japan von der restlichen Welt fast komplett abgeschirmt.
Edo, das heutige Tokio, war um 1700 auf rund 1,2 Millionen Einwohner gewachsen – und bot auch dem Bürgertum allerlei Zerstreuung. Die wichtigste war das Musikund Tanztheater Kabuki, das sich wiederum besonders oft mit Geistern beschäftigte. So konnte man über den Umweg der Fabelwesen die inhaltliche Zensur umgehen. Und die Spukgeschichten, so erklärt Sammler Kunz, sollten im heißen Sommer der Erfrischung dienen: kalter Schauer gegen die Hitze.
Die Ausstellung im Museum Ulm gibt einen faszinierenden Einblick in die Lebens- und Vorstellungswelt des alten Japan. Da ringen Samurai mit Monstern, fiese kleine Flussgeister, die sogenannten kappa, greifen muskulöse Männer an und Ermordete kehren zurück, um sich an ihren Peinigern zu rächen. Doch nicht nur die Motive sind interessant, auch die Technik. Fein sind oft die Muster der Gewänder gearbeitet, leuchtend die Farben. Bei den besten Blättern könne man sogar die Maserung des Holzes, mit dem sie gedruckt wurden, erkennen.
ⓘ
Ausstellung „Von Zauberwesen, Ungeheuern & Gespenstern“läuft bis 14. Februar.