Die missionarische Modeschöpferin
Porträt Unabhängig, selbstbestimmt, schön – Jil Sander versteht es, Frauen durch Kleidung Selbstbewusstsein zu geben. Heute wird sie 75. Ob sie wohl durch ihren Garten spaziert?
Kleidung gibt Kraft. Eine, die diese Kraft der Mode perfektioniert hat, ist Jil Sander. Die Hamburgerin, die im holsteinischen Hedwigenkoog heute vor 75 Jahren als Heidemarie Jiline Sander geboren wurde, konzentrierte sich von Beginn ihrer steilen Karriere an auf die berufstätige Frau, verhalf ihr schon allein durch ihre Modelle zu mehr Selbstbewusstsein. Schlicht. Elegant. Funktional. Stoff und Verarbeitung von höchster Qualität. Unterstrichen wird die Persönlichkeit des Menschen. Das zeichnete Jil Sanders Kollektionen aus, das machte sie zu einer der besten Designerinnen der Welt. Neben Kleidung tragen auch Taschen und Brillen ihren Namen. Ihre Kosmetikserie vermarktete sie mit ihrem eigenen makellosen Gesicht. Überhaupt kam, so wird erzählt, nur in die Kollektion, was ihr selbst stand. So sensibel und scheu die gelernte Textilingenieurin ist, so selbstbewusst und zielstrebig ging sie ihren Weg: Zunächst arbeitete sie als Moderedakteurin. 1967 eröffnete sie ihre erste Boutique in HamburgPöseldorf. 1973 folgte ihre erste eigene Kollektion. Schritt für Schritt schmiedete sie ein exklusives Modeunternehmen mit eigenen Läden rund um den Globus. Wie schwer ihr später der Rückzug fiel, konnte man beobachten, als sie nach dem Verkauf – ursprünglich an Prada – immer wieder als Chefdesignerin zurückkam. Heute gehört ihr Unternehmen zur japanischen Onward Luxury Group. In einem Interview mit der FAZ anlässlich ihrer diesjährigen Schau zu ihrem Lebenswerk im Frankfurter Museum Angewandte Kunst sagte sie: „Mein Name steht ja dort an der Tür. Mir geht es wie einem Elternteil, das ein Kind durch eine Scheidung verloren hat.“Eine schmerzvolle Trennung war auch der Tod ihrer langjährigen Lebensgefährtin Angelica Mommsen, die 2014 an Krebs starb. Mit ihr zusammen hat sie über 30 Jahre lang einen Prachtgarten auf einem Gut in Schleswig-Holstein angelegt. Sie haben sich immer gesagt: „Eines Tages sitzen wir auf der Bank und schneiden die Rosen.“Ihre Naturverbundenheit lebt Jil Sander auch auf ihrem Anwesen auf Ibiza. Dort hat sie alte Olivenbäume umgepflanzt, lässt sich ihr eigenes Öl pressen. Aber Jil Sander liebt auch Autos. Vor allem genießt sie das Autofahren auf langen Fahrten: „Ich komme aus einer Autofirma und bin mit Autos groß geworden.“Ist sie unterwegs, hält sie bei McDonald’s. „Man muss es nicht immer machen, aber die UrIdee von McDonald’s ist gut.“In der FAZ wurde sie gefragt, ob sie bei ihren Besuchen in Schnellrestaurants nicht sieht, dass viele mit der Mode über Kreuz liegen? Der Anblick muss hart für sie sein. Schließlich hat sie schon als Kind stets gewusst, was andere anziehen sollten. „Noch heute muss ich ein bisschen aufpassen, weil ich immer helfen und beraten will, geradezu missionarisch.“Jil Sander drückt sich so aus: „Vielleicht ist man sich der Kraft, die Kleidung verleihen kann, in Deutschland nicht so bewusst.“