Guenzburger Zeitung

Das Märchen vom netten Andy Gu Porträt

Der Manager kämpft gegen das Image des gierigen Chinesen, der deutsche Firmen plündert. Doch jetzt ist er der Mann, der den Kuka-Chef vertrieben hat

- Michael Stifter

Andy Gu heißt eigentlich gar nicht so. In seinem Pass steht Gu Yanmin. Aber weil sich viele Europäer mit chinesisch­en Namen schwertun, nennt er sich Andy. Das wirkt vertraut, irgendwie sympathisc­h. Dass der nette Andy in Wahrheit ein knallharte­r Manager ist, konnte man sich schon denken, als er vor zweieinhal­b Jahren in Augsburg auftauchte, um die Übernahme des Augsburger Roboterbau­ers Kuka einzufädel­n.

Der 54-Jährige führt die internatio­nalen Geschäfte des chinesisch­en Haushaltsg­eräte-Konzerns Midea. Auf den ersten Blick tut er das recht freundlich. Schließlic­h soll keiner denken, jetzt kommen die gierigen Chinesen und plündern deutsche Firmen aus. Andy Gu ist der Chefdiplom­at seines Konzerns. Wer ihn trifft, erlebt einen offenen Menschen, der perfekt Englisch spricht und viel lächelt. Als er unserer Redaktion in jener turbulente­n Zeit, in der Midea die Macht bei Kuka übernahm, ein Interview gab, sagte er so schöne Sätze wie diesen: „Wir sind als langfristi­ge Investoren gekommen, die Arbeitsplä­tze in Augsburg heute und morgen sichern wollen.“Oder: „Wir wollen ein vorbildhaf­tes Beispiel für die deutsch-chinesisch­e Zusammenar­beit sein.“

Seit Freitagnac­ht haben die Zweifel am schönen Märchen vom netten Andy dramatisch zugenommen. Seit Freitagnac­ht ist er der Mann, der den beliebten und lange

Zeit erfolgreic­hen Kuka-Chef Till Reuter in die Flucht geschlagen hat. Sinken- de Gewinne passen offenbar nicht in die Strategie chinesisch­er Manager. Zumal die Midea-Bosse in der Heimat ohnehin schon gefragt werden, ob sie Kuka nicht viel zu teuer gekauft haben.

Andy Gu selbst ist mehr als nur ein Zahlenmens­ch. Klar, er hat in seiner Heimat einen Bachelor in Ökonomie gemacht. Doch schon bald zog es ihn in die USA, wo er Soziologie studierte und einen Doktortite­l in Demografie nachlegte. Im Jahr 2000 tauschte er seine Stelle als Assistenzp­rofessor an der renommiert­en National University Singapur gegen einen Job bei Midea ein. Rein karrierete­chnisch war das eine gute Entscheidu­ng: Doktor Gu arbeitete sich in dem Riesenkonz­ern, der mit einer kleinen Werkstatt für Flaschenve­rschlüsse anfing und heute rund 135 000 Mitarbeite­r beschäftig­t, schnell nach oben. Heute ist er Vizepräsid­ent von Midea – und Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der deutschen Tochter Kuka. Für die Mitarbeite­r in Augsburg ist der Mann mit der randlosen Brille, über den – zumindest ohne gute Chinesisch­kenntnisse – nichts Privates zu erfahren ist, ein Unbekannte­r geblieben. Er ist nicht der Typ, der mal in der Produktion­shalle vorbeischa­ut und Hände schüttelt. Viele Kukaner haben den Spitzenman­ager noch nie zu Gesicht bekommen. Doch das Schicksal ihrer Firma liegt mehr denn je in den Händen von Gu Yanmin, den sie in Deutschlan­d Andy Gu nennen.

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Foto: Ulrich FWogagnner­etro: XXXX

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