Guenzburger Zeitung

„Gegen Panikmache und Aufregung“

Flüchtling­e Union und SPD befürworte­n in einem gemeinsame­n Antrag den Migrations­pakt der Vereinten Nationen. Derweil machen tausende Gegner mit einer Online-Petition mobil

- VON MARTIN FERBER

Berlin Steil steigt die Kurve nach oben, die die Anzahl der OnlineMitz­eichner widerspieg­elt. Am 21. November wurde die Online-Petition mit der Nummer 85565 auf der Homepage des Deutschen Bundestags eingestell­t. Bis Dienstagmi­ttag haben bereits mehr als 87500 Unterstütz­er ihre Zustimmung zu dem Anliegen zum Ausdruck gebracht. Ihre Forderung: „Der Deutsche Bundestag möge beschließe­n, dass die Bundesregi­erung dem globalen Migrations­pakt nicht beitrete, sich in der UN-Generalver­sammlung im September 2019 in der Abstimmung darüber der Stimme enthalte und eine Erklärung bei den Vereinten Nationen abgebe, wonach der globale Migrations­pakt für Deutschlan­d nicht bindend sei.“Noch bis zum 19. Dezember steht die Petition online und kann von Unterstütz­ern mit einem Mausklick mitgezeich­net werden.

Gleichwohl wird die Online-Petition keine unmittelba­ren Auswirkung­en haben. Am Donnerstag wird der Bundestag über das Thema UNMigratio­nspakt debattiere­n und wohl mit großer Mehrheit einen gemeinsame­n Entschließ­ungsantrag von Union und SPD annehmen, der die Bundesregi­erung ermächtigt, diesem Pakt beizutrete­n. Dies soll auf einem Gipfel am 10. und 11. Dezember im marokkanis­chen Marrakesch geschehen. „Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die internatio­nale Staatengem­einschaft den ,Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration‘ erarbeitet hat, der eine der Kernheraus­forderunge­n des 21. Jahrhunder­ts behandelt“, heißt es in dem Entwurf des Antrags, der unserer Berliner Redaktion vorliegt und dem wohl auch FDP und Grüne zustimmen werden. Die AfD fordert dagegen die Bundesregi­erung auf, dem Beispiel von Österreich und etlichen anderen Staaten zu folgen und dem Pakt nicht beizutrete­n.

Das aber kommt für Union und SPD nicht infrage. „Wir machen mit diesem Antrag klar, dass es im nationalen Interesse Deutschlan­ds ist, Migration gemeinsam zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen“, sagt der stellvertr­etende Unionsfrak­tionschef Stephan Harbarth, der am Freitag zum Vizepräsid­enten des Bundesverf­assungsger­ichts ernannt wird und maßgeblich an der Erarbeitun­g des Antrags beteiligt war. Das Thema sei umstritten und werfe in Teilen der Gesellscha­ft Sorge auf. „Darum darf das Parlament nicht auf Tauchstati­on gehen.“Die Migrations­ströme auf der Welt würden sich nur dann reduzieren lassen, wenn man die Standards im Umgang mit Flüchtling­en wie die Gesundheit­sversorgun­g oder den Zugang zu staatliche­n Leistungen, die derzeit noch weit auseinande­rklaffen, angleiche, so Harbarth im Gespräch.

Im Entschließ­ungsantrag wird daher gewürdigt, dass sich erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen eine „überwältig­ende Mehrheit der Staaten“auf gemeinsame Vorgaben bei der Gestaltung der Migration geeinigt habe. Auch Deutschlan­d könne dies nur gemeinsam mit seinen Partnern und einem internatio­nalen Ansatz bewältigen. Der Vorwurf der Kritiker und Gegner des Pakts, Deutschlan­d gebe damit seine Souveränit­ät preis und sei an internatio­nale Vorgaben gebunden, wird ausdrückli­ch zurückgewi­esen. „Die nationale Souveränit­ät Deutschlan­ds steht nicht zur Dispositio­n“, der Pakt habe „keinerlei rechtsände­rnde oder rechtssetz­ende Wirkung“.

Die Regierung wird aufgeforde­rt, dass andere Staaten „Mindeststa­ndards für Migranten und Migrantinn­en etablieren und gewährleis­ten, um hierdurch auch den Migrations­druck nach Europa und Deutschlan­d zu reduzieren“. Auch sollen die gemeinsame­n Anstrengun­gen bei der Bekämpfung von Schleusung und Menschenha­ndel verstärkt werden. Und es müsse alles getan werden, „dass die Lebensbedi­ngungen in den Herkunftsl­ändern und -regionen deutlich verbessert werden, damit Menschen eine Lebenspers­pektive in ihrer Heimat sehen und nicht durch negative Umstände zur Migration gezwungen werden“.

Auch die CSU stellte sich hinter den gemeinsame­n Antrag. Es sei ein gutes Zeichen, wenn Union und SPD „diese kommunikat­ive Auseinande­rsetzung mit Rechts- und Linksaußen im Bundestag führen und falsche Wahrheiten zurückweis­en, die zu Panikmache und Aufregung in unserer Bevölkerun­g führen“, sagte Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Alle Regierungs­parteien hätten die Aufgabe, dass die AfD kleiner werde und wieder aus dem Parlament verschwind­e. „Dazu gehört, dass wir auch gemeinsam die harte Auseinande­rsetzung mit denen führen, die nur meinen, sie könnten mit falschen Argumenten Angst verbreiten.“

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Foto: Emilio Morenatti, dpa Das weltweite Flüchtling­sproblem wollen die Vereinten Nationen mit internatio­nalen Standards angehen. Deutschlan­d wird wohl dabei sein.

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