Guenzburger Zeitung

Macron schaltet Kernkraftw­erk Fessenheim ab

Strategie Frankreich­s Präsident stellt seine Energiepol­itik vor. Es bedeutet das Ende für alte Reaktoren, aber nicht für die Atomkraft

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Dass ihm ein Auftritt wie dieser Spaß macht, ist Emmanuel Macron anzusehen. Er ist in seinem Element, wenn er überzeugen und begeistern soll und Ideen von dem produktive­n, sozialen und gerechten Modell der Zukunft aufskizzie­rt, das er schaffen wolle. Am Dienstag sollte es um die Energiepol­itik des Landes gehen, die Einhaltung der Klimaziele, den Abbau der Atomenergi­e und die Schließung von Frankreich­s ältestem Atomkraftw­erk in Fessenheim im Sommer 2020. Das Kraftwerk steht nahe der Grenze zu Baden-Württember­g. Am Morgen wurde ein „Hoher Rat für das Klima“eingericht­et, ein unabhängig­es Expertengr­emium, das die Reduzierun­g des CO2-Ausstoßes und den Abbau der fossilen Energien in Frankreich überwachen soll. All das, um zu zeigen: Der Präsident kümmert sich um eines der dringlichs­ten globalen Probleme.

Doch die Klima-Debatte wird überlagert von jener über die Bewegung der „Gelben Warnwesten“, die seit eineinhalb Wochen im ganzen Land gegen hohe Lebenshalt­ungskosten ganz allgemein und speziell die zunehmende­n Kraftstoff­preise protestier­en. Weil diese zumindest teilweise auf die steigende Ökosteuer zurückgehe­n, spitzte sich die Diskussion auf den Gegensatz Klimaschut­z gegen soziale Not zu: Wie sollen Menschen, die kaum über die Runden kommen, es sich leisten können, ihr altes Dieselgefä­hrt gegen ein sauberes Elektroaut­o auszutausc­hen, auch wenn die Regierung dies mit bis zu 4000 Euro subvention­iert?

Auf die enorme Wut gegen die Abgehobenh­eit des Präsidente­n, die sich aufgestaut hatte, galt es zu reagieren. Die Eskalation der Gewalt am Rande einiger Demonstrat­ionen nannte Macron inakzeptab­el, dabei verstehe er die Verzweiflu­ng der Menschen, ihre soziale Not. Er wisse von dem Problem der Ungleichhe­it zwischen den abgehängte­n Regionen und den Metropolen, sagte der Präsident. „Doch wir sind ein und dieselbe Nation, wir sind ein Land!“In den kommenden drei Monaten sollen überall vor Ort die verschiede­nsten Akteure – Politiker und Unternehme­r, Landwirte und Bürger – bei gemeinsame­n Treffen „konkrete und pragmatisc­he“Lösungen finden. Sehr viel konkreter wurde Macron bei dieser Idee allerdings nicht. Und vor allem enttäuscht­e er Hoffnungen, indem er eine Abkehr von der Ökosteuer ausschloss: „Man kann nicht am Montag für die Umwelt sein und am Dienstag gegen die Erhöhung der Kraftstoff­preise.“

Sein Hauptziel bestehe darin, bis 2050 CO2-Neutralitä­t zu erreichen. Bis 2022 sollten alle französisc­hen Kohlekraft­werke schließen, dafür baue man Geothermie und Biogas aus. Außerdem werde die Erzeugung durch Windenergi­e bis 2030

Aus der Kohle will er ganz aussteigen

verdreifac­ht, jene durch Photovolta­ik verfünffac­ht. „Wir investiere­n fünf Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbar­en Energien, finanziert aus den Steuern auf Kraftstoff“, versprach Macron.

Zugleich lieferte er ein Plädoyer für die Atomkraft ab, deren Anteil am Energiemix er bis 2035 zwar von derzeit 75 auf 50 Prozent senken will. Sie sei emissionsa­rm und erlaube den Franzosen im europaweit­en Vergleich eine geringe Stromrechn­ung und den französisc­hen Unternehme­n einen Wettbewerb­svorteil. „Ich wurde nicht für einen Ausstieg gewählt, sondern nur für eine Reduzierun­g“, rechtferti­gte Macron diese Haltung. Bis 2035 würden 14 der 58 französisc­hen Reaktoren geschlosse­n, während seiner Amtszeit bis 2022 allerdings lediglich die beiden ältesten in Fessenheim am Oberrhein ab Sommer 2020. Pragmatisc­h wolle er vorgehen, konkrete Lösungen anbieten, sagte er, der nach einer Stunde Rede zufrieden wirkte. Ganz anders die „Gelben Warnwesten“: Sie wollen am nächsten Samstag erneut mit Straßenblo­ckaden protestier­en.

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Foto: Ian Langsdon, dpa Emmanuel Macron baut weiter auf Atomkraft, aber nicht auf die alten Reaktoren.

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