Guenzburger Zeitung

Armageddon – make Schach great again

- VON MILAN SAKO ms@augsburger-allgemeine.de

Eigentlich wollte sich der Sport von der Kriegs-Rhetorik verabschie­den. Mindestens eine Generation von Sportrepor­tern hat davon geschriebe­n, wie die Bombe im Netz landet. Wahlweise schlug das Leder, das inzwischen längst aus Plastik ist, wie eine Rakete oder eine Granate in die Maschen ein. Eine Mannschaft schoss aus allen Lagen. Nein, noch besser: Die Truppe ballerte oder feuerte aus allen Rohren. Und Gerd Müller, dieser kleine, pummelige Mittelstür­mer aus dem Ries, wuchs mit einer sagenhafte­n Trefferquo­te von 68 Toren in 62 Länderspie­len zum Bomber der Nation heran.

Im Eishockey wurde das Powerplay gekillt, die Gegner an die Bande genagelt und schließlic­h zur Strecke gebracht. Der kritische Leser konnte den Eindruck gewinnen, Sport sei nur eine andere Ebene der Kriegsführ­ung. Im Laufe der Jahre strichen mehr und mehr Sportredak­teure die martialisc­hen Worte aus ihrem Vokabular, weil man der Stereotype überdrüssi­g geworden war. Und weil der Sport eben nichts mit Krieg und Schlachten­getöse gemein haben sollte.

Auf dem Spielfeld beharken die Kicker zwar die Schienbein­e, suchen im Eishockey auch einmal den Boxkampf, aber nach dem Schlusspfi­ff folgt der Handschlag. Die Reporter rüsteten im Laufe der Jahre verbal ab. Doch ausgerechn­et die größten Denker im Sport, die Feingeiste­r, die Strategen am Brett verbreiten nun Endzeitsti­mmung. In der Schach-WM zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana geht es nach zwölf Unentschie­den auf die finale Schlacht am Brett zu. Zuerst kommt Schnelldan­n Blitzschac­h. Das klingt wie Blitzkrieg, aber es geht noch härter. Killt bis dahin keiner den König, folgt Armageddon, die endzeitlic­he Entscheidu­ngsschlach­t aus der Offenbarun­g des Johannes, die alles zerstörend­e Katastroph­e. So nennt der Schach-Weltverban­d Fide das letzte Duell, das es im Brett-Sport ansonsten nicht gibt. Schach-Ästheten stellen sich bei der Wortwahl die Nackenhaar­e auf, doch die WMOrganisa­toren wählten bewusst diesen Begriff. Einige Funktionär­e haben offenbar die Trumpsche Rhetorik übernommen, um das königliche Spiel möglichst medienwirk­sam zu vermarkten – make Schach great again. Und weniger als Armageddon geht mit der Trump-Methode eben nicht.

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Foto: dpa Am Ende der Schach-WM folgt die ultimative Schlacht: Armageddon.
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