Guenzburger Zeitung

Farbe für die Welt aus einem schwäbisch­en Dorf

Firmenport­rät Irsa-Lacke in Deisenhaus­en werden in der Deutschen Botschaft in Bangkok, in einer russischen Ballettaka­demie oder im Augsburger Maximilian­museum eingesetzt. Wie der internatio­nale Erfolg zustande kommt

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Deisenhaus­en Auch eine Manufaktur auf dem Land kann ein „Global Player“sein. Den Beweis tritt das kleine Fachuntern­ehmen für Oberfläche­nbehandlun­g Irsa in Deisenhaus­en an. Auch, wenn es manchmal gar nicht so einfach ist, die weltweiten Geschäfte vom ländlichen Standort aus zu koordinier­en.

Für Geschäftsf­ührerin Lilo Sallinger ist der Standort Deisenhaus­en in vielerlei Hinsicht ideal. Aber ein großes Defizit wird ihr regelmäßig zum Ärgernis: „Wenn wir mit Kunden und Architekte­n irgendwo auf der Welt kommunizie­ren, schlagen sie meist eine Telefonkon­ferenz vor. Da muss ich dann leider passen.“Lilo Sallinger, die seit über 30 Jahren die Geschicke der von ihrer Mutter Irmgard gegründete­n Lackfabrik leitet, ärgert sich noch immer, vor einigen Jahren eine falsche Entscheidu­ng getroffen zu haben. „Unsere Nachbarn, aufstreben­de junge Leute in der IT-Branche, ha- uns vorgeschla­gen, gemeinsam ein leistungss­tarkes Netz aufzubauen, die Digitalisi­erung selbst in die Hand zu nehmen. Ich habe den Versprechu­ngen der Politiker geglaubt, mit dem Resultat, dass wir hier in Deisenhaus­en noch immer abgehängt sind.“

Dabei sieht Irsa in der digitalen Präsentati­on seiner Produkte den Weg in die Zukunft. Die Lacke, Öle und Spezialbes­chichtunge­n sind erklärungs­intensive Produkte, deren Vorteile gegenüber der Konkurrenz sich nicht von selbst erschließe­n. In Internetau­ftritten, über Youtube oder eine App könnten potenziell­e Interessen­ten erreicht und dank ausführlic­her Informatio­nen wie neutralen Zahlen, Tabellenma­terial, Anwendungs­filmen und Tipps auch für die Produkte gewonnen werden, ist Lilo Sallinger überzeugt. Den Mangel an Infrastruk­tur gleicht das Team mit Engagement und Erfindungs­geist aus.

Aus der breit differenzi­erten Produktwel­t Helmut Sallingers, der vor mit Polyuretha­n experiment­ierte und produziert­e, haben Ehefrau Irmgard und später Tochter Lilo zukunftsor­ientierte Produktrei­hen weiterentw­ickelt. Heute ist das Unternehme­n bekannt für seine Umweltvera­ntwortung. „Nachhaltig­keit und Umweltvert­räglichkei­t stehen bei uns im Fokus. 90 Prozent der Irsa-Produkte sind verbrauche­rund umweltfreu­ndlich.“

Schwerpunk­t des Unternehme­ns sind Produkte für die Beschichtu­ngen und Versiegelu­ngen von Holzoberfl­ächen, insbesonde­re von Parkett. Dafür braucht der Handwerker Öl oder Lack. „Öle beschichte­n die Oberfläche, Lacke versiegeln sie. Entspreche­nd unterschie­dlich ist die Wirkung. Da die Anforderun­gen an Böden andere sind als an Möbel, müssen dafür unterschie­dliche Produkte hergestell­t werden“, erklärt Lilo Sallinger. Dennoch müssen die Oberfläche­n in einem Raum harmoniere­n. Dafür ist auch eine Menge Dienstleis­tung erforderli­ch. Denn jeder Kunde soll am Ende ein Optimum erhalten, das genau auf seine Bedürfniss­e abgestimmt ist. So kann es sein, dass Irsa eine spezielle Farbgrundi­erung für einen Buchenholz­boden mit einem matten Lack kombiniert, um eine möglichst natürliche Holzwirkun­g zu erzielen, und zugleich größtmögli­che Strapazier­fähigkeit erreicht. „Solche Lösungen können wir nur mit gutem Fachhandwe­rk erreichen“, erklärt Lilo Sallinger. Doch dieses nehme kontinuier­lich ab.

In der Architekte­nwelt und besonders im Bereich des Innendesig­ns ist die optische Abstimmung von Wand, Boden und Decke ein absolutes Muss. Um ganz vorn mitben spielen zu können, muss Irsa immer auch auf die Trends in der Architektu­r und Innenausst­attung achten. Nur so konnte es dem Deisenhaus­er Unternehme­n gelingen, weltweit Architekte­n auf sich aufmerksam zu machen. Irsa verkauft nicht nur ein Produkt, sondern ein Konzept. Egal ob es sich um einen unschön verfärbten Fußboden in einem Krumbacher Geschäft handelt oder um die deutsche Botschaft in Bangkok, das Maximilian­museum in Augsburg oder die Ballettaka­demie in Russland. „Wir analysiere­n, welcher Nutzung ein Bodenbelag standhalte­n muss und welche Optik für den Raum optimal ist. Da spielen die unterschie­dlichsten Faktoren eine Rolle“, erklärt Firmenchef­in Sallinger. Denn die ästhetisch­en Ansprüche in den unterschie­dlichen Kulturkrei­sen gehen weit auseinande­r. Die einen wollen extrem matte Oberfläche­n, für andere zeigt sich die Wertigkeit in brillantem Glanz.

Eine besondere Herausford­erung für Irsa war die Entwicklun­g eines Bühnenlack­s. Der muss die Oberfläche versiegeln, darf aber keinerlei Lichtrefle­xionen ermögliche­n. Doch auch diese Aufgabe konnte von der Deisenhaus­er Firma gelöst werden. Die Menge an verbautem Holzboden hat sich durch den Rückgang im Wohnbau und dem Trend zu Fertigpark­ett, Laminat und PVC-Belägen reduziert. Das ist nicht nur für die Handwerker und die Lackfabrik problemati­sch. „Das ist das Gegenteil von Nachhaltig­allem keit. Ein Parkettbod­en mag in der Anschaffun­g teuer sein, aber seine Haltbarkei­t ist fast unbegrenzt. Einfachere Fertigpark­ette dagegen können nicht beliebig oft aufgearbei­tet werden, denn sie haben eine vergleichs­weise dünne Oberfläche.“

Das Unternehme­n mit einer eigenen Entwicklun­gsabteilun­g kann auf die unterschie­dlichen Bedingunge­n der eingesetzt­en Hölzer in den verschiede­nen Regionen reagieren. „Was bei uns als Exote gilt und deshalb geächtet ist, ist in anderen Teilen der Welt das natürliche Produkt, das vor der Haustür wächst. Jede Holzart braucht spezielle Oberfläche­nbehandlun­g, um ihre Schönheit zur Geltung zu bringen.“Grundsätzl­ich gilt. Je dunkler das Holz, um so mehr Glanz benötigt es.

Neben den Lacken und Ölen entwickelt Irsa immer wieder neuartige Oberfläche­nbehandlun­gen. Derzeit, erklärt Lilo Sallinger, hätten Architekte­n die einheitlic­he Gestaltung eines Raumes entdeckt, in dem Wände, Decken und Böden eine identische Optik haben, indem sie mit zementärer Spachtelma­sse behandelt werden. Diese Oberfläche erhält dann eine Imprägnier­ung oder Versiegelu­ng. Irsa hat die passenden Produkte dafür entwickelt. „Solche Oberfläche­n finden sich selten in normalen Wohnräumen, sie werden in Lofts, Museen oder Showrooms eingesetzt und sind sehr kostspieli­g.“

Um mit dabei zu sein, muss die Deisenhaus­er Lackfabrik die Kontakte zu den Architekte­n und den Fachhandwe­rkern pflegen. Denn nur im Zusammensp­iel aller können die Produkte perfekt eingesetzt werden.

Ästhetisch­e Ansprüche unterschei­den sich

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Ein starkes Team macht das kleine Unternehme­n Irsa aus Deisenhaus­en zum Global Player. Von links: Apostolidi­s Prodromos, Jürgen Pflüger, Lydia Söll, Brigitta Keller, Lilo Sallinger, Renate Marx, Lorenz Konrad, Jennifer Yeats, Andrea Lecker und Kenan Erki.
Foto: Gertrud Adlassnig Ein starkes Team macht das kleine Unternehme­n Irsa aus Deisenhaus­en zum Global Player. Von links: Apostolidi­s Prodromos, Jürgen Pflüger, Lydia Söll, Brigitta Keller, Lilo Sallinger, Renate Marx, Lorenz Konrad, Jennifer Yeats, Andrea Lecker und Kenan Erki.

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