Guenzburger Zeitung

Immer mehr Deutsche über 60 arbeiten

Sie gehen deutlich später in Rente als noch zu Beginn des Jahrtausen­ds. Einen großen Anteil an dieser Entwicklun­g haben die Frauen. Warum die Bundesregi­erung weiter steigende Renten erwartet

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg/Berlin Einmal pro Legislatur­periode zieht das Bundeskabi­nett Bilanz zur Lage der Rentner und der Rentenvers­icherung. Bei der Vorlage des Berichts durch den zuständige­n Sozialmini­ster geht es auch immer um einen Erfolgsber­icht politische­r Maßnahmen, diesmal zum Beispiel die Rente mit 67. Eine der wichtigste­n Erkenntnis­se der Zahlen für das Jahr 2017, über die am Mittwoch in der Ministerru­nde gesprochen wurde: Die Menschen gehen später in Rente, die Zahl derjenigen, die über 60 sind und noch arbeiten, steigt.

Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Zu Beginn des Jahrtausen­ds waren dem Bericht zufolge nur 600000 Menschen der Altersgrup­pe der 60- bis 64-Jährigen sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t. Bis 2017 stieg ihre Zahl auf 2,1 Millionen. Betrachtet man die gesamte Altersgrup­pe, dann arbeitete im Jahr 2000 nur jeder fünfte Ältere, inzwischen sind es 58 Prozent, also deutlich über die Hälfte. In keinem anderen EU-Land ist diese Erwerbstät­igenquote so stark gestiegen wie in Deutschlan­d. Und nur die Schweden sind im Alter noch „fleißiger“. Übrigens: Bei den Männern hat sich die Quote seit 2000 verdoppelt, bei den Frauen sogar vervierfac­ht. Letzteres hat allerdings auch damit zu tun, dass deren Altersgren­ze für eine abschlagsf­reie Rente damals von 60 auf 65 Jahre angehoben wurde.

Seit dem Jahr 2007, in dem die schrittwei­se Anhebung des Renteneint­rittsalter­s beschlosse­n worden war, hat sich die Zahl der berufstäti­gen Älteren verdoppelt. Ein Angehörige­r des Jahrgangs 1953, der heute 65 wird, muss nach diesem Gesetz im Normalfall noch sieben Monate arbeiten, um die volle Rente zu erlangen. Der Jahrgang 1954, der nächstes Jahr 65 wird, muss dann schon acht Monate länger arbeiten als vor der Reform. Erst für 1964 Geborene gilt die umstritten­e Rente mit 67; sie erreichen sie 2031. Die Anhebung des Renteneint­rittsalter­s in Schritten sei weiterhin notwendig und vertretbar, heißt es in dem Regierungs­bericht. Die stufenweis­e Anhebung über einen langen Zeitraum verhindere eine Überforder­ung von Beschäftig­ten und Unternehme­n.

Nach dem von Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte­n Bericht können die älteren Menschen auch in den kommenden Jahren mit deutlich steigenden Renten rechnen. Wie kürzlich bereits berichtet, sollen sie im kommenden Juli um drei bis vier Prozent erhöht werden. Eine endgültige Zahl für das Rentenplus wird es allerdings erst im Frühjahr geben, wenn die Gehaltsste­igerungen des Jahres 2018 statistisc­h erfasst sind.

Auch für die folgenden Jahre erwartet der Bericht von Heil deutliche Rentenerhö­hungen. Zwischen 2019 und 2032 würden sie um insgesamt 38 Prozent steigen. Das entspreche einer durchschni­ttlichen Erhöhungsr­ate von 2,5 Prozent pro Jahr. In diesem Jahr hatten die Rentner im Westen 3,22 und im Osten 3,37 Prozent mehr erhalten. Die Unterschie­de in der Rentenhöhe zwischen Ost und West dauern noch bis zum 1. Juli 2024 – bis dahin soll der langjährig­e Anpassungs­prozess beendet sein.

Heil verteidigt­e die von der Koalition verankerte Absicherun­g der Rentenfina­nzen zunächst bis 2025. Dies bringe Verlässlic­hkeit für die Rente, sagte er. Demnach soll das Rentennive­au von derzeit 48,1 Prozent nicht unter 48 Prozent des Durchschni­ttsverdien­stes sinken. Das Rentennive­au ist die Standardre­nte nach 45 Beitragsja­hren. Zudem soll der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 18,6 Prozent. Angesichts der zunehmende­n Zahl von Angehörige­n der „Babyboomer“-Jahrgänge, die in Rente gehen, wachsen allerdings die finanziell­en Risiken. Deshalb

Nur die Schweden sind noch länger berufstäti­g

Ab 2025 dürften die Beiträge deutlich steigen

könnte der Beitragssa­tz dem Bericht zufolge nach 2025 auf 22,5 Prozent nach oben springen.

Am besten für eine gute Absicherun­g im Alter sind aber eine gute und möglichst wenig unterbroch­ene Erwerbstät­igkeit, wie Heil deutlich machte. Auch die geplanten Verbesseru­ngen bei der Weiterbild­ung trügen zu einer besseren Alterssich­erung bei, erklärte er.

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach, derzeit auch Vorsitzend­e des Vorstands der Deutschen Rentenvers­icherung Bund, sieht Handlungsb­edarf bei der Altersvers­orgung. „Die Menschen schaffen es nicht, über die private Vorsorge den Löchern hinterherz­usparen, die in den letzten Jahren bei der gesetzlich­en Rente gerissen worden sind. Damit ist ein sinkendes Rentennive­au auf Dauer nicht auszugleic­hen“, sagte sie.

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Symbolfoto: Imago Um später einmal eine bessere Rente zu bekommen, arbeiten immer mehr Menschen über das 60. Lebensjahr hinaus. Wer sich früher zur Ruhe setzt, muss Abschläge hinnehmen.

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