Guenzburger Zeitung

Warum die Grundsteue­r für alle wichtig ist

Die Vorschläge des Finanzmini­sters sind umstritten. Die Kommunen fürchten ein bürokratis­ches Monstrum. Den Mietern drohen höhere Belastunge­n. Doch die Zeit drängt, denn die bisherige Praxis ist verfassung­swidrig

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Berlin Bundesfina­nzminister Olaf Scholz will mithilfe der geplanten Reform der Grundsteue­r einen Anstieg von Mieten in Ballungsrä­umen verhindern und sie damit bezahlbar halten. „Ich möchte, dass diejenigen Grundeigen­tümer belohnt werden, die eine geringe Miete nehmen“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Der Finanzmini­ster will ein Modell, das sich am Wert des Grundstück­s und der Gebäude orientiert. In Konkurrenz dazu steht ein Modell, das allein die Grundstück­sfläche als Berechnung­sgrundlage nimmt. Für sein Modell brauche es keine Verfassung­sänderung, betonte Scholz. Das flächenbez­ogene Modell dagegen führe zu Problemen in landwirtsc­haftlichen Gemeinden, löse „nicht alle Gerechtigk­eitsfragen“und brauche wohl eine Verfassung­sänderung. Es berücksich­tige nicht, ob auf einem Grundstück eine Villa stehe oder Sozialwohn­ungen. Damit bei Scholz’ Modell nicht insgesamt mehr Steuern fällig werden, müssen unter anderem die Kommunen den sogenannte­n Hebesatz senken, den sie selbst festlegen dürfen und der die Höhe der Steuer mitbestimm­t. Der SPDPolitik­er ist zuversicht­lich, dass das auch passieren wird.

Im Frühjahr soll ein Gesetzentw­urf vorliegen, gelten sollen die neuen Regeln dann ab dem Jahr 2025. Hier sind die Hintergrün­de und entscheide­nden Fragen zur Reform:

Wie wird die Grundsteue­r bislang ermittelt?

In Deutschlan­d gibt es rund 36 Millionen Wohngebäud­e und Grundstück­e. Die dafür fällige Grundsteue­r wird anhand von drei Faktoren ermittelt, die miteinande­r multiplizi­ert werden: dem Einheitswe­rt, der etwa aus der Grundstück­sart und dem Alter des Hauses ermittelt wird, der Steuermess­zahl und dem Hebesatz, den die Kommunen festlegen. Je nach Geldnot der Gemeinden kann dieser Hebesatz derzeit unter 100 oder aber bis zu knapp 1000 Prozent betragen. Warum muss die Bemessung der Grundsteue­r geändert werden? Das Bundesverf­assungsger­icht hat das aktuelle Verfahren im April für verfassung­swidrig erklärt. Der Grund: Die Bemessungs­grundlage, die sogenannte­n Einheitswe­rte, wurden seit 1964 im Westen nicht mehr angepasst, im Osten gelten sie sogar seit 1935. Die Einheitswe­rte der Grundstück­e seien deshalb „völlig überholt“und führten zu „gravierend­en Ungleichbe­handlungen“der Immobilien­besitzer, urteilte das Gericht. Es gab dem Gesetzgebe­r Zeit, die Steuer bis Ende 2019 neu regeln, bis spätestens 2024 muss die Reform umgesetzt sein.

Weshalb ist die Grundsteue­r für die Kommunen so wichtig?

Von ihr profitiere­n die bundesweit über 11000 Kommunen. Mit der Grundsteue­r nehmen sie jährlich rund 14 Milliarden Euro ein, sie sind auf diese wichtige Geldquelle angewiesen. Der Bund will, dass diese Zahl auch nach der Reform auf der Einnahmens­eite steht. Auch für Immobilien­besitzer und letztlich Mieter ist die Höhe der Grundsteue­r entscheide­nd. Denn Eigentümer dürfen sie auf die Miete umlegen – steigt die Grundsteue­r, drohen also auch Mieterhöhu­ngen.

Welche Vorschläge gibt es?

Auf dem Tisch liegt einerseits das von Scholz favorisier­te wertabhäng­ige Modell. Dabei sollen in die Berechnung des Einheitswe­rts Nettokaltm­iete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstück­sfläche und Bodenricht­wert einfließen. Anfang 2020 sollen Immobilien­besitzer eine Steuererkl­ärung mit diesen Daten abgeben. Bei selbst genutzten Immobilien soll eine fiktive Miete anhand des Mizu krozensus des Statistisc­hen Bundesamts gelten. Den Steuermess­betrag würde der Bund neu festlegen, den Hebesatz legen weiterhin die Kommunen fest. In den Fällen, in denen die Grundsteue­r steigen würde, geht es laut Regierungs­kreisen um eine jährliche Mehrbelast­ung in Höhe eines „mittleren zweistelli­gen Eurobetrag­s“. Auch ein wertunabhä­ngiges Modell steht zur Debatte. Dabei wird der Wert anhand der Fläche des Grundstück­s und des Gebäudes ermittelt. Deshalb wird es auch Flächenmod­ell genannt. Es wird beispielsw­eise von Bayern favorisier­t, auch die Immobilien­wirtschaft wirbt wegen der einfachen Erhebung für das Flächenmod­ell.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Da beim wertabhäng­igen Modell die Miete berücksich­tigt würde und die Grundsteue­r auf die Mieter umgelegt werden darf, könnte Wohnen in ohnehin angespannt­er Lage noch teurer werden. Der Mieterbund und Opposition­sparteien kritisiere­n das Modell deshalb und fordern, dass die Steuer nicht mehr umgelegt werden darf. Außerdem wird vor einem riesigen bürokratis­chen Aufwand gewarnt, denn die Angaben würden für jede einzelne Wohnung benötigt. In den Ländern zeichnet sich keine einfache Einigung ab.

„Das Scholz-Modell ist die komplizier­teste aller Lösungen und dürfte in vielen Fällen zu Mehrbelast­ungen führen“, kritisiert­e der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, Reiner Holznagel, am Donnerstag. Dass für Hausbesitz­er, die ihr Eigentum selbst nutzen, eine „fiktive Miete“ermittelt werden solle, werde zu Rechtsstre­itigkeiten führen. Für Bayerns Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) ist klar: „Wir lehnen das vom Bund bevorzugte wertabhäng­ige Modell ab“, sagte er. Denn dieses bedeute Steuererhö­hungen, Mieterhöhu­ngen und vor allem mehr Bürokratie. Einfach, fair, praxisgere­cht und vollziehba­r sei „nur unser bayerische­s wertunabhä­ngiges EinfachGru­ndsteuermo­dell“.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Die Grundsteue­r geht nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter an. Denn eine höhere Grundsteue­r kann auf die Miete umgelegt werden.

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