Der Pfleger mit den Plastikhänden
Können humanoide Roboter den Pflegenotstand in Altenwohnheimen lindern? Bei einem Aufeinandertreffen von Mensch und Maschine überwiegt die Skepsis
Frankfurt am Main Beim ersten Blick auf Pepper wird klar, dass dieser schmächtige Roboter keine Menschen aus dem Bett heben, waschen oder anziehen könnte. „Mein Name ist Pepper, ich bin 1,20 Meter groß und wiege 28 Kilogramm“, stellt sich die Maschine aus weißem Kunststoff vor. Peppers Augen blinzeln, seine Hände gestikulieren, wenn er spricht. Und doch folgen die Bewohner des Frankfurter Altenwohnheims den ersten Worten des ungewöhnlichen Gastes eher ungerührt, teils mit argwöhnischer Miene.
Pepper solle die Menschen unterhalten und zum Lachen bringen, erklärt Professorin Barbara Klein. Dafür hätten sie und ihre Studenten von der Frankfurt University of Applied Science den humanoiden Roboter und sein weibliches Pendant Peppa ins August-Stunz-Zentrum der Arbeiterwohlfahrt gebracht. Mehr als 200 überwiegend alte, zum Teil demente Menschen werden dort stationär gepflegt. „Wir schauen mal, ob wir hier neue Kollegen vor uns haben, oder ob das eher nichts für uns ist“, sagt Zentrumsleiterin Sabine Kunz. Ob Roboter eine Hilfe in der hierzulande heillos unterbesetzten Altenpflege sind oder gar Menschen ersetzen können, diese Frage schwingt mit. 30000 offene Stellen, so etwas verlangt nach Antworten.
Bewohner und Pflegekräfte bekommen zunächst eine Art Leistungsschau geboten. Rhythmisch bewegen sich Pepper und Peppa zu Popmusik. Erste Lacher. Dann ein Gymnastikprogramm, bei dem die Roboter Bewegungen vorgeben. Manche Bewohner machen mit, andere lassen ihre Arme verschränkt. „Danke für die Teilnahme“, sagt Pepper. Das Programm endet mit einem Bilderquiz auf dem Touchpad, das die Roboter auf der Brust haben. So richtig springt der Funke aber auch dabei nicht über.
Stattdessen gibt es Kritik. Schon das automatisierte „Dankeschön“zeige, was das Problem der Roboter im Zusammenspiel mit Menschen sei, sagt Daniela Wolf, Dozentin in der Altenpflege-Ausbildung: „Das ist keine echte Empathie, keine Anerkennung dafür, dass es heute besser geklappt hat als gestern.“Ein Bewohner schiebt seinen Rollstuhl Richtung Tür und bemerkt süffisant: „Für mich auf Toilette gehen kann er auch noch nicht.“
Welche Aufgaben Roboter heute übernehmen können, entscheidet sich im Einzelfall an der Offenheit von Heimleitung und Bewohnern. Ein Roboter-Quiz statt Fernsehen – warum nicht? Schwieriger sind die rechtlichen und ethischen Fragen, wenn der Fortschritt eines Tages Maschinen hervorbringt, die weit komplexere Tätigkeiten beherrschen. „Pflege ist eine verantwortungsvolle und soziale Aufgabe, die nur ein Mensch erbringen kann“, sagt Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung. Er finde unverantwortlich, zu meinen, dass künstliche Intelligenz eines Tages pflegebedürftige Menschen versorgen sollte.
Wenn Pflegeeinrichtungen sich dauerhaft die Dienste eines humanoiden Roboters sichern wollen, kostet ein Modell wie Pepper 20 000 Euro plus Programmierkosten. „Eine Menge Geld, für die man auch einen Menschen einstellen kann“, sagt Dozentin Wolf. Heimleiterin Sabine Kunz will nicht ausschließen, dass ihre Mitarbeiter früher oder später Unterstützung von einem Roboter erhalten. Sollte dieser einen Menschen – dessen Einverständnis vorausgesetzt – eines Tages waschen können, hat das laut Kunz sogar Vorteile: „Es kann einem pflegebedürftigen Menschen dabei helfen, seine Intimität zu wahren.“