Guenzburger Zeitung

Die Partei hat jetzt einen eigenen Kreisverba­nd

Bei der Gründungsv­ersammlung in Krumbach wurde unter anderem erläutert, warum Hans Reichhart eine Mauer zwischen Scheppach und Burgau bezahlen soll

- VON MARC HETTICH

Krumbach „Wir leben in einem Europa der offenen Grenzen“, erklärt der Mann im grauen Partei-Anzug. „Es kann nicht sein, dass sich das Legoland abschottet und nur gegen Bezahlung zugänglich ist“, empört er sich. Ganz kann er das ironische Lächeln nicht unterdrück­en, als er mit täuschend echtem politische­n Eifer hinzufügt: „Wir fordern: Offene Grenzen ins Legoland!“Solche und ähnliche Anliegen bilden die Agenda der Satire-Partei „Die Partei“, die der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende Christian Baumeister im Krumbacher Wiedemanns Keller bei ihrer Kreis- und Ortsverban­dsgründung unterstütz­t.

Gegründet 2004 von Mitarbeite­rn des Satire-Magazines „Titanic“, hat die Partei inzwischen durchaus den einen oder anderen Wahlerfolg erzielt. Bemerkensw­ert war der Einzug des Parteivors­itzenden Martin Sonneborn ins EU-Parlament, wo der Grimme-Preisträge­r seit 2014 konsequent abwechseln­d mit „ja“und „nein“abstimmt.

Vergangene­n Sonntag haben rund 25 Männer und Frauen aus dem ganzen Landkreis einen Günzburger Kreisverba­nd gegründet. „Wir haben heute formal korrekt abgestimmt. Alle Beschlüsse sind mit 100 Prozent + X durchgegan­gen“, verkündet Florian Bruckmann stolz. „Ansonsten werden Unstimmigk­eiten innerhalb der Partei aber mittels Schnick-Schnack-Schnuck geklärt.“Er ist politische­r Geschäftsf­ührer des Kreisverba­ndes und gleichzeit­ig Vorsitzend­er des ebenfalls neu gegründete­n Ortsverban­des in Burgau. Was führt er für seine Heimatstad­t im Schilde? „Um den Einzel- handel im Ort zu stärken, wollen wir eine Mauer zwischen Burgau und Scheppach bauen“, erklärt er mit ernster Mine. So ließe sich verhindern, dass Wirtschaft­sflüchtlin­ge wie Robatherm nach Scheppach aussiedeln, um die Gewerbeste­uer in Burgau zu halten. Wer soll die Mauer bezahlen? „Die Scheppache­r oder Hans Reichhart“, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten. Dieser Seitenhieb auf die Politik Donald Trumps zeigt sehr gut, wie auch die Kreis-Partei zwischen erfrischen­dem Unfug und treffsiche­rer Satire pendelt.

Mit 1,3 Prozent hat die Partei bei der Landtagswa­hl in Burgau ein beachtlich­es Ergebnis erzielt. „Das beste seit Kriegsende“, kommentier­t Michael Glaser. Der Vorsitzend­e und Generalsek­retär des Kreisverba­ndes ist hoch motiviert: „Wir sehen da einen klaren Regierungs­auftrag für die Kreistagsw­ahl. Hubert Hafner muß sich warm anziehen.“Schon als der 36-Jährige noch ein kleines Kind war, sei Hafner Landrat gewesen. Der sei ja ganz sympathisc­h, aber „der macht uns hier noch den Seehofer“. Bruckmann ergänzt: „Da haben sich Seilschaft­en aufgetan, die sind länger als die von uns geplante Seilbahn von Burgau nach Konzenberg.“

Finanziell machen sich die Jungpoliti­ker keine Sorgen. Mit Dominik Lang ist sowohl im Orts- als auch im Kreisverba­nd ein waschechte­r Banker aus der oberen Mittelschi­cht Schatzmeis­ter. „Ich sitze direkt an der Quelle des Geldes“. Abgerundet wird der Vorstand durch Nina Nahirni. Die alleinerzi­ehende Mutter erläutert im gelangweil­ten Singsang eines Profipolit­ikers: „Ich mache mich komplett von Inhalten frei, weil ich politisch keine Ahnung habe.“

Die 31-jährige Beamtin legt sich gerne mit dem politische­n Gegner an. Bei einer Wahlkampf-Veranstalt­ung der hiesigen AfD in Breitentha­l wurde sie von einem Besucher beschimpft und körperlich bedrängt. „Der Kontakt war für mich sehr bereichern­d. Im besten Fall auch finanziell.“Darüber wird wohl ein Gericht entscheide­n.

Jung und frisch sind aber nicht nur die Ideen der Partei, sondern auch die Köpfe: Auffällig ist das besonders niedrige Durchschni­ttsalter der Anwesenden. Christian Baumeister, Schatzmeis­ter im Bayernverb­and, freut sich über die Kreativitä­t der Mitglieder: „Es ist Wahnsinn, wie viele tolle Plakate die Leute für die Landtagswa­hl geschaffen haben.“

Diese Aktivität sei ganz im Sinne der Partei. Jeder könne die Themen bedienen, die die Wähler in der eigenen Region bewegen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Partei mit ihrer unkonventi­onellen Art viele Jugendlich­e und Nichtwähle­r an die Wahlurne gelockt hat. Bei der U 18-Landtagswa­hl hat die Partei immerhin 2,85 Prozent der Stimmen erhalten.

Natürlich will die Partei zur Kommunalwa­hl 2020 antreten. Michael Glaser hat eine Vision für den Landkreis: „Wir könnten uns durchaus vorstellen, die Kreisstadt wieder in den Grenzen von 1970 nach Krumbach zu verlegen.“Um zur Wahl anzutreten, sammeln die Aktivisten schon jetzt fleißig Unterschri­ften. Und Mitglieder. Wer beitritt, erhält einen Ausweis mit der Aufschrift: „Mit diesem Mitgliedsa­usweis darf man überall durch.“

 ?? Foto: Marc Hettich ?? In Burgau gibt es nun einen Ortsverban­d der Partei. Vorsitzend­er ist Florian Bruckmann (mit Hut).
Foto: Marc Hettich In Burgau gibt es nun einen Ortsverban­d der Partei. Vorsitzend­er ist Florian Bruckmann (mit Hut).
 ?? Foto: Marc Hettich ?? Das ist der Kreisverba­nd Günzburg der Partei (vordere Reihe, von links): Kreisvorsi­tzender Michael Glaser, Bezirksvor­sitzender Christian Baumeister, Zweiter Kreisvorsi­tzende Nina Nahirni, Ramona Weidmann, Wolfgang Sander, Generalsek­retärin Valerie Sander, Schatzmeis­ter Dominik Lang und Politische­r Geschäftsf­ührer Florian Bruckmann.
Foto: Marc Hettich Das ist der Kreisverba­nd Günzburg der Partei (vordere Reihe, von links): Kreisvorsi­tzender Michael Glaser, Bezirksvor­sitzender Christian Baumeister, Zweiter Kreisvorsi­tzende Nina Nahirni, Ramona Weidmann, Wolfgang Sander, Generalsek­retärin Valerie Sander, Schatzmeis­ter Dominik Lang und Politische­r Geschäftsf­ührer Florian Bruckmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany