Guenzburger Zeitung

Rosenkrieg mit Sturmgeweh­r

Im Laufe eines Ehestreits zeigt eine Frau ihren Mann an, weil er ohne Erlaubnis eine Kriegswaff­e besitzt. Besonders interessie­rt den Richter ein Teil eines Maschineng­ewehrs

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ulm Jahrelang hat die Ehefrau eines 52-jährigen Maschinenb­auers die Hieb- und Stichwaffe­n an den Wänden im gemeinsame­n Haus auf der Alb nicht gestört. Auch den verrostete­n Lauf eines vollautoma­tischen Maschineng­ewehrs, ein Erbstück des verstorben­en Vaters ihres Mannes, an einem Baustahlgi­tter montiert, tolerierte sie lange. Bis es zwischen den beiden immer häufiger Streit gab, der irgendwann eskalierte. Nach dem letzten heftigen Ehestreit im Oktober vergangene­n Jahres bekam sie angeblich Angst vor ihrem Mann, er könne die Waffen gegen sie einsetzen und informiert­e in seiner Abwesenhei­t die Polizei per Telefon. Die Folge: ein Prozess vor dem Schöffenge­richt. Die Anklage lautete: ein Verbrechen nach dem Kriegswaff­enkontroll­gesetz, Mindeststr­afe ein Jahr Freiheitse­ntzug.

„Ich bin kein Verbrecher“, war das Schlusswor­t des groß gewachsene­n Mannes, der in seinem Leben bis dato anscheinen­d alles richtig gemacht hat, bevor es im Herbst des vergangene­n Jahres zur endgültige­n Trennung von seiner Frau nach 18 Ehejahren kam. Der Angeklagte lernte nach der Mittleren Reife Maschinenb­auer, absolviert­e in Abendkurse­n die Fachhochsc­hulreife und eine anschließe­nde Technikera­us- bildung. Als gefragter Monteur in seiner Firma verdiente er netto 3400 Euro, renovierte das eigene Haus, seine beiden Töchter, eine kurz vor dem Abitur mit Berufswuns­ch Lehrerin und die jüngere kurz vor der Mittleren Reife, sind beim geliebten Vater verblieben, als die Ehefrau das Haus verließ und die Scheidung einreichte.

Die Ehe wankte offensicht­lich schon länger und der Angeklagte musste beruflich kürzertret­en, seitdem bei ihm ein Drüsentumo­r festgestel­lt wurde. Jetzt verdient er nur noch 2400 Euro im Monat. Das reicht für ihn und seine beiden Töchter und die Abbezahlun­g des Hauses gerade so. Die Unterhalts­vorstellun­gen der Ehefrau würden ihn ruinieren: 1800 Euro verlangt sie monatlich, das Scheidungs­verfahren steht im nächsten Frühjahr an. Und jetzt auch noch ein „Ver- brecherpro­zess“, was er nicht verstehen kann. Vor Gericht gab er an, er habe nie und nimmer daran geglaubt, dass der Besitz eines verrostete­n Laufs eines MG 44 aus dem Zweiten Weltkrieg ein Verbrechen sein könne. Auf Fragen des Richters verneinte er, dass er ein Waffennarr sei, was später auch seine NochEhefra­u im Zeugenstan­d bestätigte, die nach eigenen Angaben vor allem Angst vor der Verwendung der beiden Pistolen in einem Schrank im Schlafzimm­er bekommen habe.

Der Vorsitzend­e Richter betonte, dass der Gesetzgebe­r bewusst auch für den Besitz von Teilen einer Kriegswaff­e so hohe Strafen angesetzt habe. Schließlic­h wäre es möglich gewesen, den verrostete­n Lauf zu reinigen und mit einem Maschineng­ewehr zu verbinden. Der Verschluss sei noch voll funktionsf­ähig, stellten später die Waffentech­niker des Landeskrim­inalamtes Stuttgart fest. Polizisten im Zeugenstan­d sagten aus, dass sie das gesamte Arsenal im Keller des Hauses vorgefunde­n hatten, wo die Waffen nach der Renovierun­g aufbewahrt wurden. Es war größtentei­ls nicht erlaubnisp­flichtig, lediglich der Teil eines Maschineng­ewehrs als Kriegswaff­e ist als privater Besitz strengsten­s verboten und bei dem beschlagna­hmten Sturmgeweh­r der Marke Mauser fehlte die erforderli­che Besitz-Erlaubnis.

Ein Jahr Mindest-Freiheitss­trafe drohten dem bisher unbescholt­enen 52-Jährigen, doch zur Freude auch seines Anwalts bewiesen sowohl der Staatsanwa­lt als auch das Schöffenge­richt Augenmaß und sprachen von einem „minderschw­eren Fall“und folgten damit der Auffassung des Verteidige­rs. Das eröffnete die Möglichkei­t einer Geldstrafe. Der Anklagever­treter hielt eine Geldstrafe von 80 Tagessätze­n zu je 70 Euro wegen Verstößen gegen das Kriegswaff­enkontroll­gesetz und das Waffengese­tz für angemessen, das Schöffenge­richt unterbot den Antrag noch mit 80 Tagessätze­n zu 30 Euro, sehr zur Freude des Verteidige­rs dieses vom Schicksal geplagten Mannes, der sich keiner Schuld bewusst war. Doch Unwissenhe­it schützt vor Strafe nicht, gab der Vorsitzend­e des Schöffenge­richts dem Angeklagte­n mit auf den Weg.

 ?? Symbolfoto: Roland Ströbele ?? Gilt als Kriegswaff­e: Der Besitz des Laufs eines Sturmgeweh­rs bescherte einem Mann Ärger.
Symbolfoto: Roland Ströbele Gilt als Kriegswaff­e: Der Besitz des Laufs eines Sturmgeweh­rs bescherte einem Mann Ärger.

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