Dem Papst ganz nah
Annette Schavan berichtet in Ulm über ihre Jahre als Botschafterin beim Heiligen Stuhl
Ulm Vier Jahre war Annette Schavan als Botschafterin beim Heiligen Stuhl erste Repräsentantin Deutschlands beim „Stellvertreter Gottes“in Rom. „So möchte er aber gar nicht genannt werden“, berichtet die Ex-Ministerin, die im Juli nach vier Jahren im Amt nach Ulm zurückkehrte und nun im Generationen-Treff Ulm/Neu-Ulm von ihren Erfahrungen berichtete. Papst Franziskus stelle sich immer nur als „Bischof von Rom“vor. „Er tritt ohne alles Pompöse auf.“
14 Ministerpräsidenten begleitete Schavan als Botschafterin zu Privataudienzen in den respekteinflößenden Apostolischen Palast mit seinen 1400 Zimmern. „Wenn Sie durch die Gänge gehen, gehen Sie durch die Geschichte“, sagt Schavan im voll besetzten Ludwig-HeilmeyerSaal. Der Mensch tendiere dazu, sich auf den Weg zum Papst, vorbei an den unzähligen Gemälden und den Wachposten der päpstlichen Schweizergarde, immer kleiner zu fühlen. „Jeder ist nervös“, sagt Schavan. Doch dann, wenn sich die Tür zum Nachfolger Petrus öffnet, stehe da ein offener, netter Mensch. „Er hat gar nichts Autoritäres.“Sei aber eine anerkannte Autorität: Jeder Staatsmann der Welt, von Trump über Putin bis Erdogan, wolle ihn treffen. Nach Überzeugung von Schavan ist Jorge Mario Bergoglio, wie Papst Franziskus bürgerlich heißt, der einzige Mensch der Welt, der den Dialog zwischen den unterschiedlichsten Welten derart pflege.
Franziskus spreche eine Sprache, die jeder versteht, man müsse nicht Theologie studiert haben, um ihm folgen zu können. Schavan wünscht sich, dass sich die Kirchen in Deutschland davon eine Scheibe abschneiden: „Wir können noch zehn Jahre über die Zulassung zur Eucharistie-Feier diskutieren, doch dann hört keiner mehr zu.“Papst Franziskus habe Deutschland im Beisein aller deutschen Bischöfe dazu beauftragt, Lösungen für die Probleme einer echten Ökumene zu finden. Deutschland sei als Land der Reformation dazu prädestiniert.
Schavan, die nach Plagiatsvorwürfen rund um ihre Doktorarbeit als Bundesbildungsministerin 2013 zurücktrat, sieht die Zukunft der katholischen Kirche in kleinen Einheiten und nicht immer größer werden Pfarreiengemeinschaften. „Und nicht jede Einheit braucht einen Priester.“Auch sprachlich müsse sich etwas ändern: „Laien gibt es in der Kirche nicht. Es gibt nur Christen.“Und Lob für den Generationen-Treff hatte Schavan auch im Gepäck: „Eine wunderbare Erfolgsgeschichte.“Sie schlug den Verein um ihren langjährigen Vorsitzenden Johannes Stolz sogar einmal für den Preis des deutschen Ehrenamtes vor.