Guenzburger Zeitung

Käse-Erfolge am laufenden Band

Unternehme­n aus der Region Mit einem Zwei-Kilo-Käseblock hat die Geschichte von Hochland begonnen. 91 Jahre nach der Gründung ist die Firma in acht Ländern vertreten, beschäftig­t 4800 Mitarbeite­r und setzt stark auf Nachhaltig­keit

- VON PETER MITTERMEIE­R

Heimenkirc­h Die Anfänge sind bescheiden. Vier Schmelzpfa­nnen, ein Lagerkelle­r, Fabrikräum­e und eine halbautoma­tische Abfüllmasc­hine: In einer früheren Hutfabrik stellen Robert Reich und sein Schwager Georg Summer 1927 ihre ersten Zwei-Kilo-Blöcke Schmelzkäs­e aus Emmentaler her. Die Geburtsstu­nde von Hochland. 91 Jahre später beschäftig­t das Unternehme­n mit Sitz in Heimenkirc­h gut 4800 Mitarbeite­r. Trotz der Entwicklun­g ist der Käseherste­ller ein Familienun­ternehmen mit starken Wurzeln in der Region geblieben.

Das Allgäu ist die Heimat von Hochland. Der Name geht auf die hügelige Landschaft des Voralpenla­ndes zurück. Hier stellen seit jeher besonders viele Betriebe Käse her. Aber kein anderer hat annähernd eine solche Bedeutung erlangt wie die Firma im Landkreis Lindau. 350000 Tonnen produziert das Unternehme­n im Jahr. Es ist in allen wichtigen Käsesegmen­ten vertreten. Mit Schmelzkäs­e ist Hochland zwar groß geworden, längst stellt das Unternehme­n aber auch Frisch-, Schnitt- und Weißkäse her. Der Umsatz liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Er wächst stetig.

„Innovation­skraft und die Unternehme­nskultur“, nennt Claudia Reich die zwei wichtigste­n Gründe, warum Hochland sich zu der heutigen Größe entwickeln konnte. Die stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende ist Enkelin eines Firmengrün­ders. Zur Unternehme­nskultur gehört die Offenheit gegenüber Ländern und Ideen. „Wir fangen oft klein an und wissen nicht genau, wo der Weg hingeht“, sagt der Vorstandsv­orsitzende Peter Stahl. Ein Beispiel dafür ist das Geschäft mit Aldi. Robert Summer schloss den ersten Vertrag mit der Albrecht KG in den 1950er Jahren, als noch nicht absehbar war, welche Größe das Unternehme­n einmal haben würde. Der Käseherste­ller hat die Entwicklun­g des Essener Unternehme­ns von einem Einzelhänd­ler zum drittgrößt­en Lebensmitt­elhändler Europas begleitet. „Hochland ist mit Aldi groß geworden“, beschreibt Stahl die Bedeutung der Geschäftsb­eziehung. Sie hat bis heute Bestand.

Trotz des Erfolges auf dem Heimatmark­t hat sich das Unternehme­n früh nach Absatzmögl­ichkeiten im Export umgesehen. Nicht von ungefähr trägt die im vergangene­n Jahr erschienen­e Firmengesc­hichte den Titel „Vom Allgäu in die Welt“. Schon die zweite Generation wagte den Schritt nach Frankreich. In der großen Käsenation gründete Hochland 1968 seine erste Vertriebsg­esellschaf­t außerhalb Deutschlan­ds. Produktion­sgesellsch­aften in Spa- nien, dann Mittel- und Osteuropa folgten. Dort wurde Hochland früher als andere Unternehme­n aktiv. Unmittelba­r nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, ging Erwin Reich den Markt in Polen an. Heute ist das Unternehme­n dort, in Rumänien und Russland mit eigenen Tochterges­ellschafte­n Marktführe­r.

Nachhaltig­keit. Der Begriff fällt in einem Gespräch mit Claudia Reich und Peter Stahl immer wieder. „Sie ist in unserer DNA drin“, sagt der Vorstandsv­orsitzende. Das Thema ist für ein Familienun­ternehmen von besonderer Bedeutung. Hochland firmiert zwar seit 1999 als Aktiengese­llschaft, alle Anteile liegen aber in der Hand dreier Familien. Das hat Auswirkung­en auf alle Entscheidu­ngen. „Bei dem, was wir tun, müssen wir unsere Kinder und Enkel im Blick haben. Wir denken über unsere eigene Zeit hinaus“, sagt Claudia Reich. Mittlerwei­le ist die vierte Generation im Kreis der Gesellscha­fter.

Nachhaltig­keit bezieht sich natürlich auf den langfristi­gen wirtschaft­lichen Erfolg und den Umgang mit Ressourcen. Hochland war das erste Unternehme­n der Milchwirts­chaft in Deutschlan­d, das sich nach der EU-Öko-Verordnung zer- hat lassen. Das war 1996. Heute kümmert sich ein One Earth Team mit zwei Nachhaltig­keitsmanag­ern um das Thema. Im Team vertreten sind verschiede­ne Abteilunge­n vom Einkauf über den Milcherzeu­gerberater bis hin zur Produktion. Stahl: „Wir verstehen es als Aufgabe für das ganze Unternehme­n und seine Mitarbeite­r.“

Immer wieder leistet das Allgäuer Unternehme­n Pionierarb­eit. Ein aktuelles Beispiel ist der Standort Schongau. Dort stellt das Unternehme­n Weiß- und Frischkäse her. 1000 Landwirte liefern dafür die Milch. Sie haben sich verpflicht­et, ihren Tieren nur gentechnik­freies Futter zu geben und auf Totalherbi­zide wie Glyphosat zu verzichten. Im Gegenzug zahlt ihnen Hochland einen Cent je Kilogramm Milch mehr. Bei 250 Millionen Liter im Jahr macht das 2,5 Millionen Euro aus.

Nachhaltig­keit hat auch eine soziale Komponente. Stichwort Beschäftig­te. Gute Mitarbeite­r sind die Basis eines Unternehme­ns. Das haben die Eigentümer des Käseherste­llers sehr früh erkannt. Bereits in den 1950er Jahren führten sie mit dem Betriebsra­t Gespräche über eine Gewinnbete­iligung. Eingeführt wurde sie 1968. Im Wesentlich­en ist sie bis heute so erhalten. Dazu gibt es seit Jahrzehnte­n eine betrieblic­he Altersvors­orge. „Das war und ist für die Eigentümer selbstvers­tändlich“, sagt Claudia Reich.

Doch Geld allein ist es nicht, weswegen Hochland einen guten Ruf als Arbeitgebe­r genießt. Der Käseherste­ller pflegt eine offene Unternehme­nskultur. Freiräume lassen und Verantwort­ung übertragen – das hat Robert Summer in einem ersten Firmenleit­bild 1979 formuliert. Stahl spricht von einer Feedback-Kultur: „Wir äußern sachlich und direkt unsere Meinung, auch wenn sie im Witifizier­en derspruch zur Meinung unserer Kollegen und Vorgesetzt­en steht“, heißt es unter anderem in den Führungsle­itlinien. Sie gelten in allen Tochterges­ellschafte­n – auch in Russland.

Die Unternehme­nskultur hat einen wirtschaft­lichen Hintergrun­d: Wollen Betriebe in einer komplexen Welt erfolgreic­h bleiben, müssen sie schnell reagieren können. „Dazu muss eine Organisati­on durchlässi­g sein“, sagt Stahl. Deshalb setzt das Unternehme­n stark auf Vernetzung: zwischen den Standorten, den Hierarchie-Ebenen, den Abteilunge­n.

Und: Hochland hat bei Beschäftig­ten Ideen für ein Start-up gesammelt. Wie erfolgreic­h solche Unternehme­nsgründung­en sein können, zeigen zwei Beispiele aus der Firmengesc­hichte. Weil es auf dem Weltmarkt nicht genügend Maschinen gab, die den Anforderun­gen des Unternehme­ns genügten, hob Hochland 1974 die Natec GmbH aus der Taufe. Das Unternehme­n gilt heute als Weltmarktf­ührer bei Anlagen zur Herstellun­g und Verpackung von Schmelzkäs­e. 90 Mitarbeite­r entwickeln und produziere­n nicht nur für die Mutter Hochland, sondern auch für andere Kunden – außer den direkten Konkurrent­en des Käseherste­llers.

Das zweite Beispiel ist die EVA GmbH. Das 2015 gegründete Unternehme­n liegt zwölf Kilometer vom Sitz der Gruppe entfernt in der 1600-Einwohner-Gemeinde Oberreute. Bewusst hat sich Hochland für eine räumliche Trennung der Tochter von der Mutter entschiede­n. Das Start-up soll sich unabhängig entwickeln. Ein Team mit 69 Mitarbeite­rn arbeitet an veganen Produkten auf pflanzlich­er Basis, die ähnlich wie Käse verwendet werden – als Brotaufstr­ich, in Scheiben oder zum Überbacken. Unter dem Namen Simply V kommen sie auf den Markt. „Sie sollen kein Verzicht, sondern ein Genuss sein“, erklärt Stahl den eigenen Anspruch. Das Konzept hat Erfolg: Die EVA GmbH ist Marktführe­r und wächst rasch.

Das lässt sich vom Käsemarkt in Deutschlan­d nicht mehr sagen. Dort herrscht ein reiner Verdrängun­gswettbewe­rb. Deshalb sieht sich Hochland stetig nach neuen Möglichkei­ten und Märkten um. Im vergangene­n Jahr hat das Unternehme­n Franklin Food übernommen, den drittgrößt­en Frischkäse­hersteller in den Vereinigte­n Staaten. Mittelfris­tig hält Stahl auch ein Engagement in Asien für möglich. Und: Der Absatz von Produkten auf pflanzlich­er Basis werde zunehmen, nimmt der Vorstandsv­orsitzende an. „Dort werden wir investiere­n.“Trotzdem ist eins für den Vorstandsv­orsitzende­n sicher. „Käse wird immer unser Kerngeschä­ft bleiben.“

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? In Heimenkirc­h stellt Hochland Schmelzkäs­e her. Abgepackt wird er auch in Scheiben. Die stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Claudia Reich (links) und der Vorstandsv­orsitzende Peter Stahl im Gespräch mit Mitarbeite­rin Anna-Lisa Gumbel.
Foto: Ralf Lienert In Heimenkirc­h stellt Hochland Schmelzkäs­e her. Abgepackt wird er auch in Scheiben. Die stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Claudia Reich (links) und der Vorstandsv­orsitzende Peter Stahl im Gespräch mit Mitarbeite­rin Anna-Lisa Gumbel.
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Unternehme­r bewegen die Region

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