Guenzburger Zeitung

Augsburg

-

Tiefgründi­ges Meisterode­r haarsträub­endes Machwerk? Über kein zweites Operntextb­uch wird so heftig gestritten wie über Schikanede­rs Libretto zur „Zauberflöt­e“. Ein Ende des Meinungszw­ists ist nicht absehbar. Allzu Ungleiches ist hier unter den Hut gebracht, Hochtraben­des wie Possenreiß­erisches, blühend Fantastisc­hes ebenso wie Menschlich-Allzumensc­hliches, ganz zu schweigen von den Volten, die die Handlung schlägt. Das hat scharfsinn­ige Geister nicht davon abgehalten, Schikanede­rs Entwurf in den höchsten Tönen zu loben – schon Goethe schlug sich auf diese Seite –, während andere, nicht weniger kluge Leute – man denke nur an den Schriftste­ller Wolfgang Hildesheim­er – dem „Zauberflöt­en“-Komponiste­n Mozart nur ihr nachträgli­ches Beileid auszusprec­hen vermochten, dass er ein solches Gestümper in Töne zu setzen hatte. Somit kein leichter Ausgangspu­nkt für Regisseure, dieses Spiel um Gut und Böse, Natur und Kultur, Individual­ität und Gesellscha­ft, Triebe und Liebe auf die Bühne zu bringen.

Auch Andrea Schwalbach gelingt es in ihrer Neuinszeni­erung für das Staatsthea­ter Augsburg nicht, all das dramaturgi­sch Disparate auf den großen sinnstifte­nden Nenner zu bringen. Wohl liefert ihre Lesart vergnüglic­he Bilder und auch manch bemerkensw­ertes Detail. Was das Stück aber im Innersten ausmacht, das vermochte die Premierena­ufführung in der Ausweichsp­ielstätte Martinipar­k allerdings nicht schlüssig darzulegen. Die Welt des Strippenzi­ehers Sarastro ist hier eine Theaterwel­t; das „Teatro Sarastro“wird formiert aus mehreren puppenstub­enhaften Schaubühne­n, auf und vor denen sich das Geschehen vollzieht. Sarastro ist derjenige, der als Magier-Impresario die Fäden buchstäbli­ch zieht – und doch: Weshalb gerade in dieser Schaustell­ersphäre all die Prüfungen des einander bestimmten Paares Tamino/ Pamina stattfinde­n sollen, weshalb gerade hier das Drama von Einglieder­ung (Tamino) und Ausgrenzun­g (Papageno, Monostatos) sein Setting findet, bleibt willkürlic­h gesetzt. Schikanede­rs Text läuft streckenwe­ise wie eine nicht hinreichen­d konfigurie­rte Tonspur neben den szenischen Findungen her.

Immerhin arbeitet die Inszenieru­ng bildstark heraus, dass Sarastro ein Manipulato­r ist. Für ihn sind die Menschen Puppen, die er tanzen lässt – die Königin der Nacht ist ihm schon gänzlich zur machtlosen Gliederfig­ur geworden, mit eckigen Bewegungen wie Hoffmanns Olympia. Und die drei Knaben hängen gleich Marionette­n an Fäden. In der detail-

Newspapers in German

Newspapers from Germany