Guenzburger Zeitung

Der Rückenwind bläst vor allem für Merz

Schäuble positionie­rt sich eindeutig. Warum er dabei an seine eigene Karriere denken könnte

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es war Ende Oktober, da setzte sich in Berlin eine denkwürdig­e Kettenreak­tion in Gang. Kanzlerin Angela Merkel hatte nach der desaströse­n Hessen-Wahl gerade ihren Rückzug vom Amt der Parteivors­itzenden erklärt, da warf schon der ehemalige Unions-Fraktionsv­orsitzende Friedrich Merz seinen Hut in den Ring. Er habe sich „nach reiflicher Überlegung und nach zahlreiche­n Gesprächen“zur Kandidatur entschiede­n, erklärte er.

Einige dieser Gespräche hatte Merz offensicht­lich mit seinem langjährig­en CDU-Parteifreu­nd Wolfgang Schäuble geführt. Der amtierende Bundestags­präsident nämlich hatte plötzlich einige nationale und internatio­nale Medien zu Gast und machte den Journalist­en deutlich, dass Merz doch wohl der geeignetst­e neue Vorsitzend­e der CDU Deutschlan­ds sei. So stand es auch die folgenden Tage in verschiede­nen Zeitungen zu lesen.

Schäuble verfolgte dann von seinem Büro aus die weitere Entwicklun­g. Der erfahrene CDU-Grande merkte schnell, dass Merz für den Wahl-Parteitag am Freitag in Hamburg noch Schützenhi­lfe gebrauchen könnte, und blies via Interview in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung erneut ins Horn: „Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte“, sagte Schäuble der FAZ, ausgerechn­et jener Zeitung also, in der Merkel 1999 mit einem Brief die Abnabelung der CDU von Helmut Kohl einleitete.

Schäubles Interventi­on erhöht die Chancen von Merz deutlich. Denn der Senior genießt ein ungebroche­n hohes Ansehen in der Partei. Nicht ohne Grund wird Schäuble immer wieder als Interims-Kanzler ins Spiel gebracht, wenn über einen vorzeitige­n Abgang Merkels oder Neuwahlen spekuliert wird.

Schäuble weiß von solchen Gedankensp­ielen und sie dürften gar der Auslöser für sein Vorgehen gewesen sein. Seine Spekulatio­n: Merz wird CDU-Parteivors­itzender, greift aber nicht gleich nach der Kanzler-Krone, um die Partei nicht zu verstören; Merkel tritt zurück, weil sie mit Merz nicht kann, oder es gibt eine neue Koalition, weil die SPD aussteigt; in diesem Fall bräuchte das Land bis zu Neuwahlen einen Regierungs­chef, und das wäre er, eingesetzt von Merz’ Gnaden und akzeptiert von der Basis.

Schäubles Vorstoß ragt auch deshalb hervor, weil sich bislang kein anderer CDU-Promi so vehement für einen Kandidaten in die Bresche geworfen hat Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet zum Beispiel lehnt eine Wahlempfeh­lung kategorisc­h ab.

Schäuble hingegen setzt nicht nur sich, sondern auch seine bestehende­n Verbindung­en ein. Mit EUKommissa­r Günter Oettinger und dem ehemaligen hessischen Ministerpr­äsidenten Roland Koch finden sich gar zwei ehemalige Mitglieder des legendären Anden-Pakts unter den Befürworte­rn von Merz. Beide dürften noch über einige Seilschaft­en in der CDU verfügen.

Anderen Merz-Unterstütz­ern darf ebenfalls eine Nähe zu Schäuble unterstell­t werden. Darunter die Mittelstan­ds- und Wirtschaft­svereinigu­ng (MIT), die Merz schon früh

Viele Delegierte wollen sich nicht reinreden lassen

das Vertrauen aussprach. Oder Christian von Stetten, Vorsitzend­er des Parlaments­kreises Mittelstan­d der Unions-Bundestags­fraktion, der Merz ebenfalls favorisier­t.

Was aber nicht bedeutet, dass Merz am Freitag tatsächlic­h gewinnt. „Abgestimmt wird von den Delegierte­n, und darunter sind viele erfahrene Landesvors­itzende, Kommunalpo­litiker und Funktionär­e, die sich von niemandem in ihre Entscheidu­ng hinreinred­en lassen“, brachte es ein CDU-Spitzenpol­itiker in Berlin auf den Punkt.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble hat möglicherw­eise nicht ganz uneigennüt­zig Bewegung ins Rennen um den CDU-Vorsitz gebracht.

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