Guenzburger Zeitung

Ohne alle Sachen

Matthias Schweighöf­er und Florian David Fitz unterziehe­n sich einer Probe: hundert Tage ohne Besitztüme­r. Locker-flockig plappern die Aufsteiger über ihr Konsumverh­alten. Und ausführlic­h zeigen sich die beiden nackt

- VON MARTIN SCHWICKERT

Der Altkleider-Container um die Ecke wirbt großflächi­g mit dem Slogan: „Mach’ Platz in deinem Schrank!“Die Lebensratg­eberregale in den Buchhandlu­ngen stehen voll mit Anleitunge­n zum Aufräumen, Ausmisten und Wegwerfen. Denn: Wir kaufen zu viel. Wir haben zu viel. Wir ersticken in unseren Konsumgüte­rn. Das tut uns und dem Planeten, den wir bewohnen, nicht gut. Und es lohnt sich, darüber nachzudenk­en. Auch im Kino, wie es der finnische Regisseur Petri Luukkainen in seinem Selbstexpe­riment „My Stuff“getan hat.

Diese Idee greift nun Florian David Fitz in seiner neuen Regiearbei­t „100 Dinge“auf und macht daraus ein Buddy-Movie. Paul (Fitz) und Toni (Matthias Schweighöf­er) sind beste Freunde seit Kindheitst­agen und haben gemeinsam ein Start-upUnterneh­men gegründet. Paul hat eine App entwickelt, die sich nennt und sich mit ausgeprägt­en Kommunikat­ionsfähigk­eiten um das persönlich­e Wohlergehe­n seiner User kümmert. Paul versteht seine Erfindung als App gegen die Einsamkeit und hat selbst gar nicht gemerkt, dass all die Informatio­nen, die er „Nana“gab, nur dazu benutzt wurden, um ihm personalis­ierte Kaufangebo­te unterzujub­eln.

Mehr als 150 Bestellung­en hat Paul zusammen mit seiner digitalen Freundin aufgegeben. Darin sieht der umtriebige Toni das Potenzial der Geschäftsi­dee und schon bald meldet kein Geringerer als Mark Zuckerberg sein Interesse an. Im Büro knallen die Sektkorken und im Suff geraten die beiden Teilhaber in Streit über Kommerz und Konsumzwan­g, der in einer Wette endet: Alle Besitztüme­r in einen Container. Hundert Tage lang bekommt jeder täglich nur eine Sache zurück. Wer verliert, muss 50 Prozent seiner Anteile an die Mitar- beiter überschrei­ben. Und so wachen die beiden morgens verkatert und nackt in ihren leer geräumten Lofts auf. Unbekleide­t hetzen sie nachts durch Berlin zum Depot.

Während die Mitarbeite­r sich angesichts der Gewinnauss­chüttung schon die Hände reiben, reagiert die Familie mit Unverständ­nis. „Habt ihr denn keine Freundinne­n?“, fragt die Oma (Katharina Thalbach). Aber daran wird im Drehbuch schon gearbeitet. Im Container nebenan hat Lucy (Miriam Stein) ihr Lager eingericht­et, wo sie nachts ihre ganz private Modeschau veranstalt­et. Schon bald buhlen die beiden Männer um die Gunst der ungeheuer geheimnisv­ollen Frau.

Wie schon in seinem letzten Film mit Matthias Schweighöf­er versucht Fitz in „100 Dinge“erneut herauszufi­nden, worauf es im Leben wirklich ankommt. Machte sich das Duo in „Der geilste Tag“im Angesicht unheilbare­r Krankheite­n auf die Su„Nana“ che nach dem ultimative­n Kick, wird ihnen nun zu therapeuti­schen Zwecken aller Besitz genommen. Das führt zu ausführlic­hen Nacktseque­nzen, in denen vor allem Schweighöf­er immer wieder gerne seinen sorgfältig epilierten Astralleib in die Kamera hält. Aber so wie die Nacktheit hier nur ein Showeffekt und weniger der Ausdruck einer besitzlose­n Existenz ist, versanden viele interessan­te Ansätze im Entertainm­entformat.

Der locker-flockige Diskurs über Konsumverh­alten verplapper­t sich im komödianti­sch Ungefähren und gewinnt keinerlei Glaubwürdi­gkeit. Das Gleiche gilt für jene App, die sich als Seelenkund­schafterin betätigt – eine geklaute Idee, die in Spike Jonzes „Her“sehr viel differenzi­erter ausgelotet wurde. Auch die Krise der Männerfreu­ndschaft, die sich in den Fallstrick­en des Konkurrenz­verhaltens verfängt, kommt nicht über flache Klischees hinaus. Richtig peinlich wird es dann im Finale. 100 Dinge (1 Std. 40 Min.), Komödie, Deutschlan­d 2018

Regie Florian David Fitz

Mit Matthias Schweighöf­er, F.D. Fitz, Miriam Stein, Katharina Thalbach Wertung ★★✩✩✩

 ?? Foto: Warner Bros. ?? Die beiden Freunde und Geschäftsp­artner Toni (Matthias Schweighöf­er, links) und Paul (Florian David Fitz) haben nach einer Partywette nur noch einen Schlafsack und einen Mantel.
Foto: Warner Bros. Die beiden Freunde und Geschäftsp­artner Toni (Matthias Schweighöf­er, links) und Paul (Florian David Fitz) haben nach einer Partywette nur noch einen Schlafsack und einen Mantel.
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