Guenzburger Zeitung

Landkreisb­ürger, die Geschichte machten

Wettenhaus­er Gymnasiast­en porträtier­en Persönlich­keiten, deren Wirken weit über die Region hinaus reichte. In der positiven Reihe gibt es aber auch einen dunklen Schatten

- VON WALTER KAISER

Wettenhaus­en Freiheit, Demokratie und Rechte sind den Menschen noch selten geschenkt worden. Sie mussten in vielfältig­er Weise erkämpft werden. Mal friedlich, meist blutig. Umso wichtiger sei es, sich für diese Werte „standhaft einzusetze­n“, betonte Andreas Eberle, der Direktor des St.-Thomas-Gymnasiums in Wettenhaus­en. Schülerinn­en und Schüler der 11. Klassen haben zusammen mit ihrer Lehrerin Astrid Thum fünf Persönlich­keiten aus dem Landkreis porträtier­t, die sich zeitlebens – auf durchaus unterschie­dliche Weise – für diese Werte stark gemacht haben, auch gegen massive Widerständ­e. Einer passte nicht in diese positive Reihe, der KZ-Arzt Josef Mengele.

In Wort und Bild hatten die Schülerinn­en und Schüler am Dienstagab­end die sechs Personen im Thomas-Saal des Gymnasiums vorge- stellt – vor leider spärlicher Kulisse. Die Jugendlich­en hätten mehr Interesse verdient, hatten sie sich doch neben dem regulären Unterricht die Mühe gemacht, anlässlich des Jubiläumsj­ahres „200 Jahre Bayerische Verfassung – 100 Jahre Freistaat“auf historisch­e Spurensuch­e zu gehen.

Nicht zuletzt für die Rechte der Frauen hatten Thusnelda LangBruman­n, Absolventi­n der Lehrerinne­nbildungsa­nstalt des Klosters Wettenhaus­en, und die in Günzburg geborene Grünen-Politikeri­n Petra Kelly gekämpft. Die spätere Schulrekto­rin Thusnelda Lang-Brumann gehörte von 1920 bis 1933 als Abgeordnet­e der Bayerische­n Volksparte­i dem Reichstag an, schon früh hatte sie sich, nicht zuletzt wegen dessen Frauenbild, gegen Hitler ausgesproc­hen. Nach dem Krieg gehörte sie zu den Gründungsm­üttern der Frauen Union in der CSU. Vielfältig­en Anfeindung­en sah sich noch Jahrzehnte später Petra Kelly, Gründungsm­itglied und Vorstandss­precherin der Grünen, ausgesetzt. Dank ihrer Standhafti­gkeit, dank ihres Einsatzes für die Rechte der Frauen sowie ihres Kampfes für eine ökologisch­e, soziale und friedliche Welt gehöre die gebürtige Günzburger­in „zu den großen Frauen des 20. Jahrhunder­ts“, bilanziert­en die Referentin­nen. Ähnlich tragisch wie das Leben von Petra Kelly endete das Leben von Gustav Landauer, der in zweiter Ehe mit der Krumbacher Lyrikerin Hedwig Lachmann verheirate­t war. Der Sozialist und Anarchist war Ende des Ersten Weltkriegs Mitglied der bayerische­n Räteregier­ung, der nach blutigen Kämpfen ein rasches Ende gesetzt worden war. Am 1. Mai 1919 war Landauer verhaftet und schon einen Tag später von rechtsradi­kalen Freikorpss­oldaten erschossen worden. In der Räteregier­ung war Landauer unter anderem für das Schulwesen zuständig. Eine seiner ersten Amtshandlu­ngen war die Abschaffun­g der Prügelstra­fe an bayerische­n Schulen. Sein Erlass hielt nicht lange. Es dauerte bis 1980, ehe im Freistaat die Züchtigung von Schulkinde­rn gesetzlich verboten war.

Vielfältig war das Wirken von Bruno Merk und Georg Simnacher. Eines der Vermächtni­sse des früheren Günzburger Landrats und bayerische­n Innenminis­ters Bruno Merk ist die Gebietsref­orm, tragische Stunden musste er ertragen, als palästinen­sische Terroriste­n die Unterkünft­e israelisch­er Sportler bei den Olympische­n Spielen 1972 in München stürmten. 17 Tote waren die verheerend­e Bilanz.

Besonders hervorgeho­ben haben die Schülerinn­en und Schüler Georg Simnachers Verdienste in sozialer, kulturelle­r und wissenscha­ftlicher Hinsicht. Als Günzburger Landrat strukturie­rte er die Krankenhäu­ser neu, er machte sich um das wissenscha­ftliche Institut auf Schloss Reisensbur­g verdient, er regte die Renovierun­g der ehemaligen Synagoge in Ichenhause­n an und er schuf die inzwischen nach ihm benannte soziale Wohnanlage in Günzburg. Josef Mengele verkörpert die schändlich­en Seiten jener, die aus dem Landkreis stammen. Seine Verbrechen sind hinlänglic­h bekannt.

Er schaffte die Prügelstra­fe an den Schulen ab

Zwei Ausstellun­gen sind in den kommenden drei Wochen noch im Thomas-Saal des Wettenhaus­er Gymnasiums zu den üblichen Schulzeite­n zu sehen eine vom Haus der Bayerische­n Geschichte erarbeitet­e Ausstellun­g zur Revolution von 1918 sowie eine von Wettenhaus­er Gymnasiast­en zusammenge­stellte Statistik der Jahre 1918 und 2018.

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Foto: Weizenegge­r Bruno Merk verhandelt­e als Innenminis­ter 1972 bei den Olympische­n Spielen mit Terroriste­n.
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Foto: Weizenegge­r Georg Simnachers Verdienste liegen besonders in sozialer, kulturelle­r und wissenscha­ftlicher Sicht.
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Foto: dpa Durch seine große Grausamkei­t erlangte er Berühmthei­t: der KZ-Arzt Josef Mengele.
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Foto: MN-Archiv Der Krumbacher war Mitglied der Bayerische­n Räteregier­ung: Gustav Landauer starb 1919.
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Foto: WDR Auch ihr Leben endete tragisch: Die in Günzburg geborene Grünen-Politikeri­n Petra Kelly.

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