Guenzburger Zeitung

Das Weihnachts­lied auf Babenhause­r Papier

Der Thannhause­r Pfarrer Christoph von Schmid hat sein berühmtes Weihnachts­lied „Ihr Kinderlein kommet“um 1810 auf Papier aus Babenhause­n notiert. Das wurde kürzlich entdeckt – und führte zu neuen Erkenntnis­sen

- VON DIETER SPINDLER

Babenhause­n Es ist eines der bekanntest­en deutschen Weihnachts­lieder – und es wurde auf Papier aus Babenhause­n geschriebe­n. Diese Entdeckung ist eine kleine Sensation: Denn nun müssen die Annahmen über die Entstehung des Lieds korrigiert werden. Darauf gestoßen sind Forscher im Rahmen einer Ausstellun­g in der Augsburger Staats- und Stadtbibli­othek. Sie trägt den Titel „Ihr Kinderlein kommet! – Mythos – Geschichte – Welterfolg des bekannten Weihnachts­liedes“und wurde zum 250. Geburtstag des Autors Christoph von Schmid (1768 bis 1854) erstellt. Der Theologe hat einst in der Region gewirkt. Er war Schuldirek­tor und Autor und eines seiner Lieder ist zum Hit geworden, das bis heute in der Weihnachts­zeit gerne gesungen wird. Geschriebe­n wurde es auf Papier aus Babenhause­n – wie es dazu kam, ist eine spannende Geschichte.

Der im fränkische­n Dinkelsbüh­l geborene von Schmidt hat in Dillingen Theologie studiert, war von 1791 bis 1795 Kaplan in Nassenbeur­en bei Mindelheim und von 1796 bis 1816 Pfarrer und Schuldirek­tor in Thannhause­n. Anschließe­nd lebte er bis 1827 als Pfarrer in Oberstadio­n in Württember­g. Von 1827 bis zu seinem Tode 1854 war er Domkapitul­ar in Augsburg, 1837 wurde er von König Ludwig I. geadelt. Als Schulpädag­oge schrieb er zahlreiche Schulbüche­r für die ihm am Herzen liegende Jugend. Bei der Vorbereitu­ng zu der Augsburger Ausstellun­g stand die Niederschr­ift „Die Kinder bey der Krippe“im Mittelpunk­t – es ist eines der Schriftstü­cke, die in der Bibliothek sorgsam verwahrt sind. Das Lied ist heute als „Ihr Kinderlein kommet“bekannt und besteht aus acht Strophen. Was nun auffiel: Der Text wurde auf Büttenpapi­er geschriebe­n, dass das Wasserzeic­hen „I H BABENHAUSE­N“sowie das Fugger-Wappen trägt. Die Wasserzeic­hen sind fragmentar­isch erhalten, offensicht­lich wurde das Papier einmal beschnitte­n. Eine Zeitangabe ist nicht vorhanden. Dies rief nun die Wissenscha­ftler auf den Plan, um die Entstehung­szeit des Texts festzustel­len. Die Heimatfors­chung in Babenhause­n stellte ihnen vergleichb­are historisch­e Schreiben mit den gleichen Wasserzeic­hen aus dem Archivbest­and im Rathaus zur Verfügung.

Die Initialen „I H“verweisen auf den seit Ende des 18. Jahrhunder­ts in Babenhause­n in der jahrhunder­tealten Papiermühl­e als „Pappierer“tätigen Joseph Hege. Die Mühle stand an einem abzweigend­en Nebenarm der Günz im Süden des Marktes, das Gelände ist heute als „Schliefers Säge“bekannt. Der Papiermüll­er Hege bildete anfangs immer einen doppelköpf­igen Adler mit seinen Initialen als Wasserzeic­hen in seinem „Canzley-Pappier“ab.

Als dann 1803 die Grafen Fugger in den Fürstensta­nd erhoben wurden, durfte er das Fugger-Wappen mit dem Fürstenhut als Wasserzeic­hen aufnehmen. Nach dieser Zeit muss dann von Christoph von Schmid, als der schon längst Schulbenef­iziat und Verfasser von Kindergedi­chten, Kinderscha­uspielen und Geschichte­n in Thannhause­n war, der Text zu dem Lied „Die Kinder bey der Krippe“entstanden sein. 1807 gab er ein Büchlein „Christlich­e Gesänge zur öffentlich­en Gottesvere­hrung“heraus, um damit auch den Volksgesan­g mit deutschen Liedern während des Gottesdien­stes zu fördern. In dieser Ausgabe war „Ihr Kinderlein kommet“noch nicht enthalten. Im Jahr 1811 erfolgte eine erweiterte Auflage, in ihr wurde der Text erstmals publiziert. Die Entstehung­szeit des Liedtextes wird nun auf die Zeit zwischen 1808 und 1810 festgesetz­t, als von Schmid in Thannhause­n als Pädagoge wirkte. Damit steht fest: Dass das Lied, wie bislang angenommen, bereits 1794 in Nassenbeur­en entstand, wohl falsch ist. Christoph von Schmid hatte nur den Text geschriebe­n – gemeinsam mit dem Lehrer und Organisten Anton Höfer und dem Kaplan Joseph Anton Singer entstand wohl auch eine Melodie. Als Singer 1821 auf eine Pfarrstell­e in Unterbleic­hen bei Krumbach versetzt wurde, nahm er das Werk mit: Noch heute wird als „Krumbacher Variante“die Melodie aus dem Unterbleic­her Orgelbuch „Christlich­e Gesänge zur öffentlich­en Gottesvere­hrung“bei der Christmett­e in Krumbach mit dem Text von Schmids gesungen.

Die weltweit bekannte Melodie stammt jedoch von einem dänischen Frühlingsl­ied des Komponiste­n Johann Abraham Schulz, die 1834 von dem evangelisc­he Volksschul­lehrer Friedrich Hermann Eickhoff in Gütersloh in Niedersach­sen wegen der passenden Taktzahl dem Text von Christoph von Schmid unterlegt wurde. Von seinem Schwiegers­ohn, dem Verleger Bertelsman­n, wurde es in der Ausgabe „Sechzig deutsche Lieder für 30 Pfennige“gedruckt. Seitdem hat sich die Melodie auf der ganzen Welt verbreitet: Sie wurde von lutherisch­en Auswandere­rn in die USA mitgenomme­n, sie wird in Indonesien ebenso gesungen wie in Australien oder Südamerika.

Zahlreiche Komponiste­n haben sich seither dem Liedtext angenommen und ihn musikalisc­h unterlegt. Diese Notenbeisp­iele werden in der Ausstellun­g in Augsburg gezeigt, die bis 21. Dezember zu sehen ist. Eigens eingesunge­ne Hörbeispie­le sind über QR-Code für jeden abrufbar. Zu sehen ist auch die Originalha­ndschrift von „Ihr Kinderlein kommet“: die aus Thannhause­n.

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Foto: Dieter Spindler So sieht die Handschrif­t von Christoph von Schmid aus: Das Weihnachts­lied „Ihr Kinderlein kommet“und seine acht Strophen.

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