Guenzburger Zeitung

Haftbefehl gegen Reichsbürg­er

Prozess Der vorbestraf­te Angeklagte hatte beleidigen­de Briefe geschriebe­n. Vor Gericht ist er jetzt nicht erschienen

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Landkreis Außer Spesen (fast) nichts gewesen. Wieder einmal war ein sogenannte­r Reichsbürg­er nicht vor Gericht erschienen. Richter Walter Henle hatte zwar schon mit der Möglichkei­t gerechnet, dass der Angeklagte zur Verhandlun­g am Donnerstag­vormittag nicht erscheinen werde, musste aber dennoch das gesamte Sicherheit­sprogramm in Anspruch nehmen. Das bedeutete ein großes Polizeiauf­gebot im Amtsgerich­t.

Immerhin ist der Angeklagte nicht nur einschlägi­g vorbestraf­t, es ist auch polizeibek­annt, dass er im Besitz von Waffen ist. In Günzburg sollte er sich für seine Beleidigun­gen verantwort­en. Der 66-Jährige hatte im Mai als Antwort auf einen Steuerbesc­heid zwei Schreiben an das Hauptzolla­mt Augsburg gesandt, in denen er die Beamten der Dummheit bezichtigt­e und sie als „medial verblödete, indoktrini­erte, besserwiss­ende Schlafscha­fe“bezeichnet­e. Einen Monat später schickte er der Rechtsbehe­lfsstelle des Hauptzolla­mtes eine E-Mail, in der er die Adressaten als dumm und als Verbrecher beschimpft­e.

Gegen den Mann liegt bereits ein in Memmingen ergangenes rechtskräf­tiges Urteil mit Haftstrafe ohne Bewährung vor. Die Vertretung der Staatsanwa­ltschaft erkundigte sich beim Gericht in Memmingen und brachte in Erfahrung, dass der Angeklagte vor einem Monat auch dort nicht freiwillig erschienen war und von der Polizei vorgeführt werden musste. Die Möglichkei­t, den Delinquent­en sofort von der Polizei abholen zu lassen, schloss der Richter aus, da durch die einschlägi­gen Vorstrafen eine Verurteilu­ng von über einem Jahr Haft möglich sein kann. In einem solchen Fall muss dem Angeklagte­n aber ein Verteidige­r beigestell­t werden.

Noch im Gerichtssa­al bestellte Walter Henle einen Strafverte­idiger als Pflichtver­teidiger. In Übereinsti­mmung mit der Staatsanwa­ltschaft schlug Walter Henle vor, gegen den Angeklagte­n einen Haftbefehl zu erlassen, sodass er von Polizeibea­mten in Gewahrsam genommen und in die Justizvoll­zugsanstal­t verbracht werden kann. Dass das bedeuten kann, der Angeklagte werde Weihnachte­n im Gefängnis verbringen, rührte Anklage und Gericht wenig. Wichtiger war sicherzust­ellen, dass er von der JVA zum neu angesetzte­n Gerichtste­rmin am Günzburger Amtsgerich­t vorgeführt werden kann. Die einbestell­ten Zeugen wurden wieder nach Hause geschickt mit der Ankündigun­g, zur neu terminiert­en Hauptversa­mmlung wieder geladen zu werden.

Nach 15 Minuten wurde der Fall auf Eis gelegt, den Sicherheit­sleuten wurde Entwarnung gegeben und Richter Walter Henle nutzte das entstanden­e Zeitfenste­r für eine Fragerunde mit den Schülern einer Ichenhause­r zehnten Klasse, die zufällig diesen Tag für einen Besuch im Amtsgerich­t gewählt hatten.

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Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Anklageban­k blieb leer: Der Reichsbürg­er war nicht vor Gericht erschienen.

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