Die Suche nach Paten fällt schwer
Soziales Bei einem Speeddating sollten Interessierte vier Organisationen kennenlernen, die Patenschaftsprogramme anbieten. Die Resonanz ist gering. Welche Gründe das haben könnte
Günzburg Wenn die Verabredung nicht zum vereinbarten Date kommt, ist das unangenehm. Auf dem Günzburger Nikolausmarkt tummeln sich am Mittwoch unzählige Menschen – währenddessen warten im Brentanohaus Hilfsorganisationen des „Netzwerk Patenschaftsprojekte“vergeblich auf Menschen, die zu ihrem Ehrenamts-Speeddating kommen. Um 16 Uhr sollte die erste Runde beginnen, doch es ist kein Gast erschienen. Immerhin bei der zweiten Runde kamen später einige wenige.
Eigentlich wollten die Veranstalter sieben Patenschaftsprojekte vorstellen: Der Kinderschutzbund Günzburg informierte über seine Familienpaten. Bei ihnen helfen Ehrenamtliche Familien über einen begrenzten Zeitraum, familiäre Belastungen abzumildern. In einem weiteren Projekt kümmern sich Paten um Kinder psychisch erkrankter Eltern. Dorothea Gimpert, Geschäftsführerin des Kinderschutzbunds Günzburg, beobachtet, dass besonders Ehrenamtliche für Patenschaften schwierig zu gewinnen seien. „Bei der Mittagsbetreuung zum Beispiel haben wir recht viele Ehrenamtliche. Bei unseren beiden Patenschaftsprojekten fällt es uns schwerer“, sagt sie. Sie vermutet, dass viele Menschen scheuen, eine persönliche Bindung zu der Person aufzubauen, die sie als Pate betreuen. Grundsätzlich gebe es einen Trend, sich ehrenamtlich zu engagieren, allerdings dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, eine Verpflichtung einzugehen.
Das Stellwerk Günzburg bietet ebenfalls zwei Patenschaftsprogramme an: die Schülerpaten und Job-Mentoren. Schülerpaten halten Kontakt mit einem Acht- oder Neuntklässler. Manche Schüler seien wegen schwieriger Familienverhältnisse noch nicht bereit für das Berufsleben, sagt Stellwerk-Leiterin Inge Schmidt. Die Paten könnten die Jugendlichen mit ihren Erfahrungen voranbringen. Job-Mentoren sind ehrenamtliche Ansprechpartner für Menschen, die seit Längerem keine Arbeitsstelle haben. Es sei nicht so, dass es grundsätzlich unmöglich sei, Ehrenamtliche zu gewinnen. „Die Menschen möchten mitbestimmen, wie ihre Tätigkeit aussieht.“Patenschaften könnten den Eindruck erwecken, Engagierte lange zu binden. Es sei nicht leicht, Interessierten zu vermitteln, „du hast die Freiheit, das Ehrenamt nach deinen Möglichkeiten und Ansprüchen zu gestalten“. Das Aufgabengebiet könne vielfältig sein, lasse sich aber auch eingrenzen. Nachhilfe sei zum Beispiel keine Aufgabe eines Paten. Er könne aber helfen, einen Nachhilfelehrer zu finden.
Salma Muschtaki arbeitet beim Verein SKM, der die Günzburger Wärmestube betreibt. Sie ist zuständig für die Fachstelle „Auswege“zu Vermeidung von Wohnungslosigkeit. Viele Menschen bräuchten Hilfe, wenn ihnen die Wohnung gekündigt wird. Die biete ihr Verein, indem er mit dem Vermieter verhandelt, Akten der Betroffenen sortiert und sie zum Schuldenberater begleitet. Dafür sind Paten notwendig, die im Projekt Alltagshelfer mitarbeiten. Oft entstehe der Eindruck, man müsse alle Aufgaben erfüllen. „Das ist nicht so. Es ist möglich, nur gelegentlich mit einer Person Kaffee trinken zu gehen.“Antje Mühlenbein und Meinrad Gackowski vom Landratsamt Günzburg betreuen die Projekte Integrationsbegleiter und Elternbegleiter – Kulturmittler. Integrationsbegleiter übernehmen eine Patenschaft, um Migranten das alltägliche Leben in Deutschland beizubringen und sie beispielsweise bei Arztbesuche zu begleiten. Die Kulturmittler erklären Familien Unterschiede zwischen der Kultur ihres Heimatlandes und der deutschen, zum Beispiel das Schulsystem. Integrationslotsin Gimpert sagt, sie könne auf 30 Ehrenamtliche zählen, vergleichsweise viele. Wünschenswert wären mehr, weil der Bedarf groß sei. Zur Gewinnung neuer Ehrenamtliche habe sich das persönliche Netzwerk der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen bewährt.