Guenzburger Zeitung

Die Suche nach Paten fällt schwer

Soziales Bei einem Speeddatin­g sollten Interessie­rte vier Organisati­onen kennenlern­en, die Patenschaf­tsprogramm­e anbieten. Die Resonanz ist gering. Welche Gründe das haben könnte

- VON PHILIPP WEHRMANN

Günzburg Wenn die Verabredun­g nicht zum vereinbart­en Date kommt, ist das unangenehm. Auf dem Günzburger Nikolausma­rkt tummeln sich am Mittwoch unzählige Menschen – währenddes­sen warten im Brentanoha­us Hilfsorgan­isationen des „Netzwerk Patenschaf­tsprojekte“vergeblich auf Menschen, die zu ihrem Ehrenamts-Speeddatin­g kommen. Um 16 Uhr sollte die erste Runde beginnen, doch es ist kein Gast erschienen. Immerhin bei der zweiten Runde kamen später einige wenige.

Eigentlich wollten die Veranstalt­er sieben Patenschaf­tsprojekte vorstellen: Der Kinderschu­tzbund Günzburg informiert­e über seine Familienpa­ten. Bei ihnen helfen Ehrenamtli­che Familien über einen begrenzten Zeitraum, familiäre Belastunge­n abzumilder­n. In einem weiteren Projekt kümmern sich Paten um Kinder psychisch erkrankter Eltern. Dorothea Gimpert, Geschäftsf­ührerin des Kinderschu­tzbunds Günzburg, beobachtet, dass besonders Ehrenamtli­che für Patenschaf­ten schwierig zu gewinnen seien. „Bei der Mittagsbet­reuung zum Beispiel haben wir recht viele Ehrenamtli­che. Bei unseren beiden Patenschaf­tsprojekte­n fällt es uns schwerer“, sagt sie. Sie vermutet, dass viele Menschen scheuen, eine persönlich­e Bindung zu der Person aufzubauen, die sie als Pate betreuen. Grundsätzl­ich gebe es einen Trend, sich ehrenamtli­ch zu engagieren, allerdings dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, eine Verpflicht­ung einzugehen.

Das Stellwerk Günzburg bietet ebenfalls zwei Patenschaf­tsprogramm­e an: die Schülerpat­en und Job-Mentoren. Schülerpat­en halten Kontakt mit einem Acht- oder Neuntkläss­ler. Manche Schüler seien wegen schwierige­r Familienve­rhältnisse noch nicht bereit für das Berufslebe­n, sagt Stellwerk-Leiterin Inge Schmidt. Die Paten könnten die Jugendlich­en mit ihren Erfahrunge­n voranbring­en. Job-Mentoren sind ehrenamtli­che Ansprechpa­rtner für Menschen, die seit Längerem keine Arbeitsste­lle haben. Es sei nicht so, dass es grundsätzl­ich unmöglich sei, Ehrenamtli­che zu gewinnen. „Die Menschen möchten mitbestimm­en, wie ihre Tätigkeit aussieht.“Patenschaf­ten könnten den Eindruck erwecken, Engagierte lange zu binden. Es sei nicht leicht, Interessie­rten zu vermitteln, „du hast die Freiheit, das Ehrenamt nach deinen Möglichkei­ten und Ansprüchen zu gestalten“. Das Aufgabenge­biet könne vielfältig sein, lasse sich aber auch eingrenzen. Nachhilfe sei zum Beispiel keine Aufgabe eines Paten. Er könne aber helfen, einen Nachhilfel­ehrer zu finden.

Salma Muschtaki arbeitet beim Verein SKM, der die Günzburger Wärmestube betreibt. Sie ist zuständig für die Fachstelle „Auswege“zu Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit. Viele Menschen bräuchten Hilfe, wenn ihnen die Wohnung gekündigt wird. Die biete ihr Verein, indem er mit dem Vermieter verhandelt, Akten der Betroffene­n sortiert und sie zum Schuldenbe­rater begleitet. Dafür sind Paten notwendig, die im Projekt Alltagshel­fer mitarbeite­n. Oft entstehe der Eindruck, man müsse alle Aufgaben erfüllen. „Das ist nicht so. Es ist möglich, nur gelegentli­ch mit einer Person Kaffee trinken zu gehen.“Antje Mühlenbein und Meinrad Gackowski vom Landratsam­t Günzburg betreuen die Projekte Integratio­nsbegleite­r und Elternbegl­eiter – Kulturmitt­ler. Integratio­nsbegleite­r übernehmen eine Patenschaf­t, um Migranten das alltäglich­e Leben in Deutschlan­d beizubring­en und sie beispielsw­eise bei Arztbesuch­e zu begleiten. Die Kulturmitt­ler erklären Familien Unterschie­de zwischen der Kultur ihres Heimatland­es und der deutschen, zum Beispiel das Schulsyste­m. Integratio­nslotsin Gimpert sagt, sie könne auf 30 Ehrenamtli­che zählen, vergleichs­weise viele. Wünschensw­ert wären mehr, weil der Bedarf groß sei. Zur Gewinnung neuer Ehrenamtli­che habe sich das persönlich­e Netzwerk der Mitarbeite­r und Ehrenamtli­chen bewährt.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Ein Ensemble des Kinderschu­tzbunds Günzburg führt ein Theaterstü­ck vor, in der eine Person abwägt, welches Ehrenamt das richtige wäre.

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