Das ist immer Arbeit, manchmal auch Berufung. Weihnachtszeit zwischen Routine und Leidenschaft: Wie geht das, alle Jahre wieder? Davon erzählt unsere Serie im Advent. Heute Folge 2.
hinein abfüllen würde? Der Schwabe verneinte, der Franke machte es selbst – und so kam eben nicht die bald schon für Glühwein typische Kurzhalsflasche in die Welt, so war zudem der bis heute vor allem im unteren Preissegment führende Wettbewerber Gerstacker auf dem Markt.
Und in Märkten und Massen findet sich heute zudem ja Plörre in Pet-Flaschen und Tetra-Packs, vollautomatisiert abgefüllt, hergestellt aus fertigen Flüssig-Gewürzmischungen und obskuren Weinen, die mitunter aus Anbaugebieten in Nordafrika stammen. Nichts Verwerfliches, eine Folge der Marktgesetze halt: Der Kunde will’s, und die Kampfpreise alle Jahre wieder machen in diesem Segment auch gar nichts anderes möglich. Plörre eben.
Jürgen Kunzmann aber, selbst seit 1982 im Geschäft, versteht sich in der Nachfolge des Pionier-Vaters in der Rolle des „Glühwein-Missionars“. Er setzt weiter auf: die neue Idee. In der Mehrzahl. Etwa die Einführung der hochwertigeren, langhalsigeren Literflasche mit eigener Prägung und Bügelverschluss; die Produktion eines auch vor Gericht durchgesetzten Bio-Glühweins, aktuell mit Abstand das erfolgreichste Produkt bei Kunzmann, in Rot und Weiß; die Schöpfung einer Sorte mit mindestens sechs Monate im Barrique-Fass gereiftem Wein; das Anbieten rebsortenreiner Exemplare mit zertifizierten Qualitätsweinen, vom Dornfelder bis zum Chardonnay.
Auch für die Bezeichnung „Winzerglühwein“ist Jürgen Kunzmann vor Gericht gezogen – mit dem Ergebnis, dass so nun nur noch heißen darf, was der Winzer selbst auch abfüllt. Was dem Dasinger also selbst gar nichts brachte. Und ein RoséGlühwein ist durch das Weingesetz gleich komplett verunmöglicht – aber mit Fantasie-Produkten wie „Heißer Hirsch“als Ersatz will sich das Paar erst gar nicht abgegeben.
Rot oder weiß also: Für die unterschiedlichen Glühweine werden zehn unterschiedliche Weinsorten angeliefert. Die 16 zu je nach Produkt unterschiedlich gemischten Gewürze – darunter neben Anis, Zimt, Nelken und Kardamom etwa auch Fenchel und Muskat, Mandeln und Curacaoschalen – müssen wie der Zucker auch in Bio-Qualität beschafft werden, Zitrus aus Sri Lanka. Damit sich die Mühe in der Halle auch in Genuss im Lichterglanz auszahlt, empfehlen die Kunzmanns für den Konsum auch das Weinglas anstelle der Tasse – ja, Herr Goldt, zur Entfaltung des Aromas! Und weil man so am „kirchenfensterbögenförmigen Beschlagen“der Gläser auch die Qualität erkennen könne. Erklärt der über die langjährige Erfahrung zum eigenen Aroma-Designer gewordene Jürgen Kunzmann. Seine Frau Natalie, 40, die übrigens den weißen Bio-Glühwein bevorzugt, ist als ehemalige Anlageberaterin bei der Deutschen Bank die hauseigene Finanzexpertin.
Was das Geschäft angeht: 2019 wird eine neue Lagerhalle gebaut. Die steigende Nachfrage und der immer noch frühere Saisonbeginn in den Supermärkten wird durch immer noch zeitigeren Produktionsbeginn bedient. Von den wärmeren Wintern merken die Glühwein-Macher nichts. Stimmungskonjunktur ist einfach alle Jahre wieder. Eher verlängert sich durch die nach hinten verschobenen Kälteperioden die Nachfrage weiter ins neue Jahr, dann muss nachproduziert werden. Und was den Genuss angeht: Mit gutem Glühwein lässt sich auch ein kalter Aperitif kreieren. Schuss Prosecco rein, Eiswürfel dazu, fertig. So einfach ist das manchmal im Alltag – wenn die nötige Idee da ist.