Wunderwuzzis Wandlungen
Wunder sind in der Politik eher selten – außer in Österreich. Da hat es ein junger Kerl geschafft, eine altehrwürdige, aber ziemlich runtergewirtschaftete Partei zu übernehmen, aus tiefen Tiefen in neue Höhen zu führen und dann auch noch das Kanzleramt in Wien zu erobern. Das hat Sebastian Kurz, Chef der „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)“, dann auch prompt den Ehrentitel „Wunderwuzzi“eingebracht. Im titelverliebten Österreich ist das weit mehr wert als „der Herr Hofrat“und „der Herr Magister“zusammen.
Aus Bayern, Deutschland und dem übrigen Europa schauen Konservative seither geradezu sehnsüchtig nach Wien und fragen sich: Wie hat der junge Mann, der immer noch aussieht, als sei er gerade auf dem Weg zur Abiturfeier, das nur geschafft? Irgendwie muss er im richtigen Moment die richtigen Worte gefunden haben. Sogar Ministerpräsident Markus Söder soll sich während des Landtagswahlkampfs in Bayern im stillen Kämmerlein die bange Frage gestellt haben: Was hat er, was ich nicht habe?
Eine Nachricht aus unserem liebsten Nachbarland könnte da jetzt für etwas Entspannung in der Seelenlage des bayerischen Regierungschefs sorgen. Die Ösis nämlich verspotten ihren „Wunderwuzzi“mittlerweile als „Schweigekanzler“, weil er, wenn ihm unangenehme Fragen gestellt werden, offenbar keine brauchbaren Antworten mehr gibt. Und mehr noch: Sie haben „Schweigekanzler“jetzt sogar zum Wort des Jahres in Österreich gewählt.
Was soll man dazu sagen? Der alte Goethe hat es so formuliert: „Wer schweigt, hat wenig zu sorgen, der Mensch bleibt unter der Zunge verborgen.“Bei Politikern im 21. Jahrhundert kann das allerdings zum Problem werden. Da wüsste man halt schon gerne, was einer für einer ist.