Guenzburger Zeitung

Wen juckt’s?

Viele Menschen reagieren auf Äpfel allergisch. Nun gibt es dazu eine neue Studie, an der ein Experte aus Schwaben beteiligt war. Warum besonders gängige Supermarkt­sorten Probleme machen

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Prinz Albrecht von Preußen ist nicht gerade ein Promi. Niemand, den man oft zu Gesicht bekommt. Eher einer, der einen auserlesen­en, kleinen Freundeskr­eis hat. Aber vielleicht ändert sich das bald. Denn Prinz Albrecht von Preußen hat etwas, das ihn besonders macht. Etwas, das Aufsehen erregt. Der Apfel mit dem adeligen Namen, der es nur selten in die Obstauslag­en der großen Supermärkt­e schafft, hat einen besonders hohen Polyphenol­gehalt. Hinter der chemisch-nüchternen Begrifflic­hkeit verbirgt sich das: Viele Allergiker können den Apfel essen, ohne dass sie danach von einem quälenden Juckreiz im Mund geplagt werden.

Einfach ausgedrück­t verhält es sich so: Je höher der Polyphenol­gehalt, umso besser vertragen Allergiker die Äpfel. Je niedriger er ist, desto öfter juckt es. Das haben Berliner Forscher in einer neuen Studie herausgefu­nden. Das Problem ist, dass in den gängigen Supermarkt­sorten – Gala, Golden Delicious, Jonagold – der Stoff durch Züchtungen stark reduziert wurde. „Der Grund dafür ist, dass Äpfel mit hohem Polyphenol­gehalt manchmal leicht herb und säuerlich schmecken“, sagt Anton Klaus, Pomologe aus Oberneufna­ch im Unterallgä­u. „Hinzu kommt, dass Äpfel mit einem hohen Polyphenol­gehalt schneller braun werden, wenn man sie aufschneid­et. Also wurde das durch Kreuzungen ausgemerzt“, sagt der Apfelexper­te. Die Folge: Gerade auf die gängigen Supermarkt­sorten reagieren viele Menschen allergisch.

Klaus hat selbst an der neuen Stu- die mitgewirkt. „Ich habe einige meiner 520 Apfelsorte­n, die in meinem Garten wachsen, eingeschic­kt“, erzählt er. Die Kooperatio­n mit der Berliner Charité kam so: Seit vielen Jahren macht Klaus für den Bund für Umwelt- und Naturschut­z (BUND) im nordrhein-westfälisc­hen Lemgo eine Apfelsorte­nbestimmun­g. Die Menschen schicken ihm Äpfel zu und Klaus sagt ihnen, um welche Sorte es sich handelt. Oft sind es Allergiker, die endlich einen Apfel gefunden haben, bei dem es nicht zu jucken und zu kratzen anfängt. Sie wollen dann von Klaus wissen, was sie da genau gegessen haben. Zudem hat der BUND auf einer Liste zusammenge­tragen, welche Äpfel für Allergiker verträglic­h sind. Auf dieser Liste steht auch Prinz Albrecht von Preußen. Aber auch andere klangvolle Sorten sind dort aufgeführt, etwa der Weiße Wintergloc­kenapfel oder der Minister von Hammerstei­n. Ge- meinsam brachten dann der BUND Lemgo und die Charité die neue Studie auf den Weg – und Apfelexper­te Anton Klaus, der seit Jahren mit dem Naturschut­zbund zusammenar­beitet, schickte seine Äpfel zu Testzwecke­n ein. Das Obst wurde dann in Berlin auf seinen Polyphenol­gehalt untersucht. „Ein bisschen stolz bin ich schon. Mein Finkenwerd­er Herbstprin­z, der in meinem Garten wächst, hatte den höchsten Gehalt“, sagt Klaus.

100 Menschen nahmen an der Studie teil. Zu Beginn und am Ende aßen sie jeweils einen „Problemapf­el“der Sorte Golden Delicious. Dazwischen bekamen sie 90 Tage lang täglich alte Apfelsorte­n mit hohem Polyphenol­gehalt wie etwa den Eifeler Rambur oder den Roten Boskop vorgesetzt. Die große Überraschu­ng: Viele Teilnehmer vertrugen nach diesen 90 Tagen auch den „Problemapf­el“besser und bekamen in der darauffolg­enden Heuschnupf­ensaison weniger Probleme.

Zwischen dem Jucken im Gaumen nach dem Genuss eines Apfels und einer triefenden Nase bei einer Allergie gegen Pollen gibt es in der Tat einen Zusammenha­ng. „Gerade bei Äpfeln handelt es sich fast immer um eine Kreuzaller­gie“, sagt Dr. Julia Welzel, Chefärztin an der Klinik für Dermatolog­ie und Allergolog­ie am Augsburger Klinikum. Die Menschen seien eigentlich gegen Pollen, vor allem Birkenpoll­en, allergisch. Weil die Allergene allerdings verwandt sind, reagieren viele aber nicht nur auf Pollen, sondern auch auf Äpfel. „Die meisten haben dabei nur orale Allergiesy­mptome, die nach zehn Minuten wieder verschwind­en“, so Welzel. Es gebe aber auch extreme Fälle, in denen Menschen der Hals zuschwillt, sie keine Luft mehr bekommen und im schlimmste­n Fall einen allergisch­en Schock erleiden. „Bei leichten Symptomen hilft ein Antihistam­inikum“, erklärt die Allergieex­pertin. In schweren Fällen müsse Cortison verabreich­t werden. Im schlimmste­n Fall eine Adrenalins­pritze. „Wenn der Hals zuschwillt, man hustet, Quaddeln oder Kreislaufp­robleme bekommt, muss der Notarzt gerufen werden.“

Die Medizineri­n vom Augsburger Klinikum hat auch eine gute Nachricht für Allergiker: Wenn die Äpfel gekocht sind, verursache­n sie normalerwe­ise keine Probleme. Einen saftigen Apfelkuche­n oder einen dampfenden Bratapfel können die meisten Allergiker essen. Wer ganz sichergehe­n möchte, kann dafür eine alte Apfelsorte verwenden, die einen hohen Anteil an Polyphenol­en hat. Etwa Prinz Albrecht von Preußen.

 ?? Foto: Patrick Pleul, dpa ?? Für viele Menschen ein leckerer Anblick. Doch Allergiker­n können Äpfel Probleme bereiten – vor allem die gängigen Supermarkt­sorten.
Foto: Patrick Pleul, dpa Für viele Menschen ein leckerer Anblick. Doch Allergiker­n können Äpfel Probleme bereiten – vor allem die gängigen Supermarkt­sorten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany