Guenzburger Zeitung

100 Gramm Leberkäs und ein bisserl Datenschut­z, bitte

Eine Kundin wird in der örtlichen Metzgerei mit Namen angesproch­en. Warum sie sich darüber ärgert

- VON STEPHANIE LORENZ

Sie kennen sich schon lange, die Frau Meier und die Verkäuferi­n der örtlichen Metzgerei. Wie man sich eben kennt in einer Kleinstadt wie Wolnzach (Landkreis Pfaffenhof­en), wo man beim Einkaufen noch persönlich angesproch­en wird. „Grüß Gott, Frau Meier, was darf’s denn heute sein?“, fragte die Verkäuferi­n. „Das geht die anderen gar nichts an, wie ich heiße“, fauchte Frau Meier plötzlich. Datenschut­z, sagte sie. Der Mitarbeite­rin blieb der Mund offen stehen, die wartenden Kunden waren fassungslo­s.

Nun hieß Frau Meier natürlich nicht Frau Meier – Datenschut­z, Sie wissen schon –, aber der Vorfall ereignete sich tatsächlic­h so. Das berichtete jedenfalls der Pfaffenhof­ener Kurier und löste damit im Ort und im Netz einigen Wirbel aus.

Hintergrun­d der Debatte ist die Datenschut­z-Grundveror­dnung – kurz: DSGVO –, die im Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist und seither vielerorts auf Unverständ­nis stößt und Unsicherhe­iten auslöst, wie denn mit den neuen Regeln umzugehen ist. So offenbar auch in der Wolnzacher Metzgerei. Doch ein Experte gibt Entwarnung: Einen Kunden dürfe man natürlich namentlich ansprechen, stellt der Münchner Rechtsanwa­lt Frank Remmertz klar. Schließlic­h signalisie­re der Besucher eines Ladens, einen Kaufvertra­g abschließe­n zu wollen. Wenn also jemand in die Metzgerei komme, um 100 Gramm Leberkäs zu kaufen, dann handle es sich um sogenannte vorvertrag­liche Kommunikat­ion. Damit ist die persönlich­e Ansprache gerechtfer­tigt. Und: „Wenn ich jemanden anspreche, ist das keine Datenverar­beitung“, erklärt der Experte für Datenschut­zrecht. Aus diesem Grund dürfen laut Remmertz beispielsw­eise auch Patienten in einer Arztpraxis namentlich aufgerufen werden.

Der Fall in der Metzgerei erinnert ein wenig an die Diskussion­en im Oktober, als Gerüchte die Runde machten, dass auch Namen an Klingelsch­ildern der Datenschut­zverordnun­g widerspräc­hen. Also alle Namen weg? Klingeln wir künftig bei Nr. 51, wenn wir zu Herrn Schmidt wollen, und bei Nr. 53 für Herrn Huber? Auch hier stellten Experten schnell klar: Bei Klingelsch­ildern liegt nicht automatisc­h ein Fall von Datenverar­beitung vor. „Und selbst wenn die DSGVO anwendbar wäre“, sagt Remmertz, „wären die Namen aufgrund berechtigt­en Interesses gerechtfer­tigt.“Post, Feuerwehr oder Notarzt müssten schließlic­h wissen, wer wo wohnt. Der Rechtsanwa­lt findet die Verordnung im Grunde nützlich, um sensible Daten zu schützen. Er räumt aber ein, dass sie manche „Alltagssit­uation verkompliz­iert“. Die Metzgerin aus Wolnzach würde ihm vermutlich Recht geben.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Soll der Verkäufer Kunden beim Namen nennen?

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