Vom Leben gezeichnet
Wolfgang Ambros wirkt äußerlich gebrechlich, ist künstlerisch aber gereift. In Neu-Ulm zeigt der Wiener, was ihn so besonders macht
Neu-Ulm Tief gebückt, an einem Gehstock gestützt, peilt der österreichische Musiker Wolfgang Ambros den Barhocker auf der Bühne im Edwin-Scharff-Haus an. Sicher ein Schockmoment für die rund 430 Fans, welche die einstige „Number One vom Wienerwald“in einem derart gebrechlichen Zustand erleben.
Eine Rückenverletzung, die sich der 66-jährige Sänger bei einem Sturz vor fünf Jahren zugezogen hatte, macht dem Musiker weiter zu schaffen. Doch umso herzlicher und anhaltender ist dann aber der Applaus seiner treuen Fans: „Danke, aber würden jetzt endlich anfangen“, lautet dessen trockener Kommentar. Ein spitzbübisches Lächeln huscht über das Gesicht des Musikers. Bassist und Gitarrist Roland Vogel sowie der Keyboarder und langjährige Freund Günter Dzikowski unterstützen Ambros auf der Tournee. „Wir sind zwar nur zu dritt, dafür geben wir uns doppelt so viel Mühe“, sagt Ambros über die kleine Besetzung. Mit im musikalischen Gepäck hat der Liedermacher Songs aus fast fünf Jahrzehnten, wie die Trilogie über die Midlife Crisis, die er auch schon seit einigen Jahren hinter sich gelassen hätte, wie er erklärt: „Die meisten Menschen verdrängen diese Zeit, ich schreibe Lieder darüber.“„Geplante Zukunft“, „Die Sunn geht boid auf“und „Resümee“sind die musikalischen Zeugen aus dieser Zeit. An Georg Danzer, der vor elf Jahren starb, erinnerte Ambros mit dessen Lied „Weiße Pferde“. Eine Herzensangelegenheit für Ambros: „Ich habe mir geschworen, bei jedem Konzert ein Lied von ihm zu singen.“
In der zweiten Hälfte schlägt schließlich die Stunde der großen Ambros-Erfolge: Mit Liedern wie „A Mensch möcht i bleibn“aus dem Jahr 1982 oder „Langsam wachs ma z’am“bringt das Trio die bekannten Stücke ins Programm. Mit Selbstironie singt Ambros seinen Song aus den frühen 1970er-Jahren, „Mir geht es wie dem Jesus“– neu, im Angesicht seiner Rückenerkrankung, dichtet er hinzu: „Mir tut mein Kreuz so weh. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass ich noch steh’.“
Im Zugabenteil dürfen natürlich auch die Hits aus der morbiden Abteilung wie „Es lebe der Zentralfriedhof“nicht fehlen. Auch das Lied über die Lynchjustiz einer aufgebrachten Menge steht auf dem Programm: „Da Hofa woa’s, vom Zwanzgahaus, der schaut ma so vadächtig aus.“Nach der „Blume aus dem Gemeindebau“bewahrt sich Ambros den größten Kracher jedoch fast zwei Stunden bis zum Schuss auf: „Skifoan“singen die Besucher ganz allein, Ambros und seine beiden Kollegen liefern nur die Akkorde dazu. Kein Wunder, ist das Lied doch seit fast vier Jahrzehnten die heimliche Hymne der deutschsprachigen Wintersportler.
Dass Ambros während des gesamten Konzerts seinen Barhocker auf der Bühne nicht verlässt, fällt derweil fast nicht mehr auf. Denn der 66-Jährige verzichtet darauf, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, unentwegt über sein Alter zu reden. Stattdessen wirken jetzt die Texte über die Höhen und Tiefen des Lebens aus seinem Mund noch authentischer. Ambros ist in den Jahren nicht gealtert, sondern gereift, weshalb ihm seine Fans wohl seit langer Zeit wie einem vertrauten Weggefährten die Treue halten.