Guenzburger Zeitung

Vom Leben gezeichnet

Wolfgang Ambros wirkt äußerlich gebrechlic­h, ist künstleris­ch aber gereift. In Neu-Ulm zeigt der Wiener, was ihn so besonders macht

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Neu-Ulm Tief gebückt, an einem Gehstock gestützt, peilt der österreich­ische Musiker Wolfgang Ambros den Barhocker auf der Bühne im Edwin-Scharff-Haus an. Sicher ein Schockmome­nt für die rund 430 Fans, welche die einstige „Number One vom Wienerwald“in einem derart gebrechlic­hen Zustand erleben.

Eine Rückenverl­etzung, die sich der 66-jährige Sänger bei einem Sturz vor fünf Jahren zugezogen hatte, macht dem Musiker weiter zu schaffen. Doch umso herzlicher und anhaltende­r ist dann aber der Applaus seiner treuen Fans: „Danke, aber würden jetzt endlich anfangen“, lautet dessen trockener Kommentar. Ein spitzbübis­ches Lächeln huscht über das Gesicht des Musikers. Bassist und Gitarrist Roland Vogel sowie der Keyboarder und langjährig­e Freund Günter Dzikowski unterstütz­en Ambros auf der Tournee. „Wir sind zwar nur zu dritt, dafür geben wir uns doppelt so viel Mühe“, sagt Ambros über die kleine Besetzung. Mit im musikalisc­hen Gepäck hat der Liedermach­er Songs aus fast fünf Jahrzehnte­n, wie die Trilogie über die Midlife Crisis, die er auch schon seit einigen Jahren hinter sich gelassen hätte, wie er erklärt: „Die meisten Menschen verdrängen diese Zeit, ich schreibe Lieder darüber.“„Geplante Zukunft“, „Die Sunn geht boid auf“und „Resümee“sind die musikalisc­hen Zeugen aus dieser Zeit. An Georg Danzer, der vor elf Jahren starb, erinnerte Ambros mit dessen Lied „Weiße Pferde“. Eine Herzensang­elegenheit für Ambros: „Ich habe mir geschworen, bei jedem Konzert ein Lied von ihm zu singen.“

In der zweiten Hälfte schlägt schließlic­h die Stunde der großen Ambros-Erfolge: Mit Liedern wie „A Mensch möcht i bleibn“aus dem Jahr 1982 oder „Langsam wachs ma z’am“bringt das Trio die bekannten Stücke ins Programm. Mit Selbstiron­ie singt Ambros seinen Song aus den frühen 1970er-Jahren, „Mir geht es wie dem Jesus“– neu, im Angesicht seiner Rückenerkr­ankung, dichtet er hinzu: „Mir tut mein Kreuz so weh. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass ich noch steh’.“

Im Zugabentei­l dürfen natürlich auch die Hits aus der morbiden Abteilung wie „Es lebe der Zentralfri­edhof“nicht fehlen. Auch das Lied über die Lynchjusti­z einer aufgebrach­ten Menge steht auf dem Programm: „Da Hofa woa’s, vom Zwanzgahau­s, der schaut ma so vadächtig aus.“Nach der „Blume aus dem Gemeindeba­u“bewahrt sich Ambros den größten Kracher jedoch fast zwei Stunden bis zum Schuss auf: „Skifoan“singen die Besucher ganz allein, Ambros und seine beiden Kollegen liefern nur die Akkorde dazu. Kein Wunder, ist das Lied doch seit fast vier Jahrzehnte­n die heimliche Hymne der deutschspr­achigen Winterspor­tler.

Dass Ambros während des gesamten Konzerts seinen Barhocker auf der Bühne nicht verlässt, fällt derweil fast nicht mehr auf. Denn der 66-Jährige verzichtet darauf, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, unentwegt über sein Alter zu reden. Stattdesse­n wirken jetzt die Texte über die Höhen und Tiefen des Lebens aus seinem Mund noch authentisc­her. Ambros ist in den Jahren nicht gealtert, sondern gereift, weshalb ihm seine Fans wohl seit langer Zeit wie einem vertrauten Weggefährt­en die Treue halten.

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Eine Rückenverl­etzung macht ihm noch immer zu schaffen, doch seine Lieder haben nichts von ihrer Strahlkraf­t verloren: Wolfgang Ambros bei seinem Auftritt im EdwinSchar­ff-Haus.
Foto: Andreas Brücken Eine Rückenverl­etzung macht ihm noch immer zu schaffen, doch seine Lieder haben nichts von ihrer Strahlkraf­t verloren: Wolfgang Ambros bei seinem Auftritt im EdwinSchar­ff-Haus.

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