Blickpunkt Lokales Poller sollen den Marktplatz sicherer machen
Nach der Testphase in diesem Jahr werden nun bewegliche Poller am Marktplatz installiert. Wann diese heruntergefahren werden – und was sich außerdem in den Gassen der Altstadt verändern wird
Wann die beweglichen Pfosten hochgefahren werden – und was sich außerdem in der Günzburger Altstadt verändern wird.
Günzburg „Unser Marktplatz ist unser Schmuckkästchen“– so umschrieb es Stephanie Denzler (CSU) in der letzten Sitzung des Günzburger Stadtrats in diesem Jahr. Und dieses Schmuckkästchen wird jetzt – zumindest zeitweise – öfter zugesperrt. Lange haben die Diskussionen in der Stadt, im Stadtrat und in der Verwaltung gedauert, lange haben auch die Räte in der Sitzung am Montagabend noch einmal über das Thema debattiert. Um dann nach eineinviertel Stunden mehrheitlich zu beschließen: Elektrisch versenkbare Poller werden das Schmuckkästchen wenigstens einige Stunden am Tag in den Sommermonaten vom Durchgangsverkehr befreien. Nur der Stadtbus und Rettungsfahrzeuge erhalten in dieser Zeit die Möglichkeit, durchzufahren.
Vorausgegangen ist der Entscheidung ein jahrelanges Problem, das praktisch so alt ist wie die Winteröffnung der Fußgängerzone vor gut zehn Jahren. Günter Treutlein (CSU) zitierte in der Sitzung aus einem GZ-Bericht aus dem Jahr 2009 – damals hatte es bereits Ärger gegeben wegen der Vielzahl an Beanstandungen von Fahrzeugen, die ohne Berechtigung durch die Fußgängerzone fuhren. Eine Verkehrszählung, welche die Verwaltung zuletzt beauftragt hatte, um die tatsächliche Belastung am Marktplatz zu messen, stellte an einem Tag 459 Fahrzeuge fest, die hier fuhren. Dazu zählten 26 Busse und 21 Lastwagen. Nach einer Erhebung des Ordnungsamts vom Mai waren etwa ein Drittel der Fahrzeuge ohne Ausnahmegenehmigung und deshalb unberechtigt auf dem Marktplatz unterwegs – das sind fünf bis zehn Autofahrer pro Stunde.
„Wir haben hier eine spannende, oftmals schwierige Gemengelage“, fasste Oberbürgermeister Gerhard Jauernig die Problematik zusammen: Die Interessen von Besuchern des Marktplatzes, von Anliegern und Anlieferern der Geschäfte müssen unter einen Hut gebracht werden. Es müsse genauso möglich sein, ein Zeitfenster zu haben, in dem die Geschäfte ihre Waren geliefert bekommen können, aber auch Ärzte und Apotheken erreichbar sind – gleichzeitig soll aber auch die Fußgängerzone, die der Marktplatz in den Sommermonaten ist, von Einheimischen wie Touristen sorglos genutzt werden können. Schwere Unfälle gab es hier zwar noch keine, wohl aber beunruhigende Zwischenfälle, sagt der OB im Gespräch mit unserer Zeitung. „Lastwagen haben Sonnenschirme angefahren, Stühle in den Cafés wurden touchiert.“Um die Sicherheit ging es auch der CSU-Fraktion, die den Antrag auf eine Sperrung mit Pollern schon vor Jahren stellte. „Für uns war entscheidend, dass wir wieder eine Fußgängerzone bekommen, in der man Kinder auch mal laufen lassen kann, ohne als Mama oder Papa ständig hinterher sein zu müssen“, sagte Stephanie Denzler in der Sitzung.
Dass bei diesen unterschiedlichen Interessen Kritik nicht ausbleiben wird, ist auch dem Oberbürgermeister bewusst. „Egal was wir heute beschließen, wir werden nicht nur Applaus bekommen“, so Jauernig im Stadtrat. Rund 30 Telefonate habe er allein in den Tagen vor der Sitzung zu diesem Thema geführt, sagt Jauernig. Nach der Diskussion bei der Klausur des Stadtrats, die knapp einen ganzen Tag in Anspruch genommen hatte, und den Versuchen mit Sperrungen direkt in der Mitte des Marktplatzes und an der Einfahrt von der Dillinger Straße/Augsburger Straße aus, folgte im
November ein Workshop des Stadtrats zum Thema. Daran waren auch Wirtschaftsvereinigung und Cityinitiative beteiligt, auch eine Begehung zusammen mit der Polizei gab es. Für die Mehrheit im Günzburger Stadtrat stand danach fest: Auch wenn eine reine Mittelsperrung am Brunnen – das entspricht dem Antrag der CSU vom September 2017 – und eine reine Ostsperrung deutlich billiger wären, bringt eine Kombination von beidem mit einer zeitlichen Begrenzung der Sperrzeiten die meisten Vorteile. Auch für die Anwohner und Anlieger.
Gegen die Sperrung in den Sommermonaten täglich von 11 bis 14 Uhr sowie von 17 bis 2 Uhr votierten die SPD-Stadträtinnen Ursula Seitz und Simone RiemenschneiderBlatter. Beide hätten sich eine städtebauliche Lösung mit einer erschwerten Zufahrt erhofft. „Wir haben ein wunderbares neues Leitsystem mit Lauftext. Der Satz „Durchfahrt am Marktplatz nicht möglich“könnte dort eingeblendet werden“, schlug Ursula Seitz vor. Die Zeit habe gezeigt, dass bauliche Maßnahmen nicht ausreichten, um unbe-
rechtigt Einfahrende vom Marktplatz fernzuhalten, entgegnete Oberbürgermeister Jauernig. CSUStadtrat Stefan Baisch, selbst Anwohner in der Innenstadt, stimmte zwar für die Variante, machte jedoch deutlich, dass er eine Verlagerung des Verkehrs in die Seitengassen der Altstadt befürchte. Eine Überprüfung des Systems nach einem Jahr soll zeigen, ob sich diese Befürchtung bestätigt – oder die Poller tatsächlich mehr Sicherheit bringen.
Absolut einig waren sich die Stadträte dagegen bei einer weiteren Maßnahme in der Altstadt: Neue Laufwege sollen dort entstehen, die das Gehen erleichtern und vor allem den Weg für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren und Kinderwagen einfacher machen sollen. Im Jahr 1984 war hier das Kopfsteinpflaster verlegt worden, das seitdem viel Kopfzerbrechen bereitet. Oberbürgermeister Gerhard Jauernig erinnerte
daran, dass der damalige Stadtrat praktisch keine Wahl gehabt habe, einen gehfreundlicheren Belag zu bekommen: „Damals stand über allem der Erhalt des Stadtbilds – zumindest vertrat die Regierung von Schwaben damals diese Auffassung. Heute hingegen werde Inklusion gelebt, Funktionalität und das Stadtbild seien kein Widerspruch mehr.
In der Hofgasse, direkt beim Rathaus, hatte die Stadt bereits probeweise entlang der Ablaufrinne einen Teil des Kopfsteinpflasters durch ebene Platten ersetzt – so soll es innerhalb der nächsten drei Jahre in allen Altstadtgassen rund um den Marktplatz aussehen. In den sehr engen Gassen werden zumindest die Entwässerungsrinnen flacher gemacht, schmale Gassen erhalten daneben 90 Zentimeter breite Laufwege aus allseits gesägten und eben eingebauten Granitsteinen, in den breiten Gassen – wie der Hofgasse – wird der Laufweg 150 Zentimeter breit. Es ist ein teures Unterfangen, das sich die Stadt – trotz erwarteter Zuschüsse aus dem Förderprogramm „Bayern barrierefrei 2023“
– nicht auf einen Schlag leisten kann. Deswegen wird das Projekt auf vier Bauabschnitte aufgeteilt, der Marktplatz selbst hintenan gestellt. Große Zustimmung gab es dafür aus allen Fraktionen. Johann Kaltenecker (UWB) lobte die Tatsache, dass die Innenstadt durch diese Veränderung künftig von mehr Menschen besucht und genutzt werden könne. Er wünsche sich deshalb, dass nicht nur Laufwege in Verlängerung bestehender Behindertenparkplätze eingerichtet, sondern auch zusätzliche Behindertenparkplätze geschaffen werden. Zu überlegen sei dabei auch die Installation eines Leitsystems für blinde Menschen.
Dritte Bürgermeisterin Ruth Niemetz (CSU) erinnerte daran, dass der Umbau von Marktplatz und Altstadt von Anfang an zentrale Forderung im Arbeitskreis Barrierefreiheit gewesen sei. Ihre Anregung: Bei den Arbeiten bereits an eine Verbesserung der Elektrik-Infrastruktur am BürgermeisterLandmann-Platz denken, die bessere Möglichkeiten für Altstadtweihnacht und Guntiafest biete.
Laufwege machen den Weg durch die Altstadt leichter