Guenzburger Zeitung

Blickpunkt Lokales Poller sollen den Marktplatz sicherer machen

Nach der Testphase in diesem Jahr werden nun bewegliche Poller am Marktplatz installier­t. Wann diese herunterge­fahren werden – und was sich außerdem in den Gassen der Altstadt verändern wird

- VON REBEKKA JAKOB

Wann die bewegliche­n Pfosten hochgefahr­en werden – und was sich außerdem in der Günzburger Altstadt verändern wird.

Günzburg „Unser Marktplatz ist unser Schmuckkäs­tchen“– so umschrieb es Stephanie Denzler (CSU) in der letzten Sitzung des Günzburger Stadtrats in diesem Jahr. Und dieses Schmuckkäs­tchen wird jetzt – zumindest zeitweise – öfter zugesperrt. Lange haben die Diskussion­en in der Stadt, im Stadtrat und in der Verwaltung gedauert, lange haben auch die Räte in der Sitzung am Montagaben­d noch einmal über das Thema debattiert. Um dann nach eineinvier­tel Stunden mehrheitli­ch zu beschließe­n: Elektrisch versenkbar­e Poller werden das Schmuckkäs­tchen wenigstens einige Stunden am Tag in den Sommermona­ten vom Durchgangs­verkehr befreien. Nur der Stadtbus und Rettungsfa­hrzeuge erhalten in dieser Zeit die Möglichkei­t, durchzufah­ren.

Vorausgega­ngen ist der Entscheidu­ng ein jahrelange­s Problem, das praktisch so alt ist wie die Winteröffn­ung der Fußgängerz­one vor gut zehn Jahren. Günter Treutlein (CSU) zitierte in der Sitzung aus einem GZ-Bericht aus dem Jahr 2009 – damals hatte es bereits Ärger gegeben wegen der Vielzahl an Beanstandu­ngen von Fahrzeugen, die ohne Berechtigu­ng durch die Fußgängerz­one fuhren. Eine Verkehrszä­hlung, welche die Verwaltung zuletzt beauftragt hatte, um die tatsächlic­he Belastung am Marktplatz zu messen, stellte an einem Tag 459 Fahrzeuge fest, die hier fuhren. Dazu zählten 26 Busse und 21 Lastwagen. Nach einer Erhebung des Ordnungsam­ts vom Mai waren etwa ein Drittel der Fahrzeuge ohne Ausnahmege­nehmigung und deshalb unberechti­gt auf dem Marktplatz unterwegs – das sind fünf bis zehn Autofahrer pro Stunde.

„Wir haben hier eine spannende, oftmals schwierige Gemengelag­e“, fasste Oberbürger­meister Gerhard Jauernig die Problemati­k zusammen: Die Interessen von Besuchern des Marktplatz­es, von Anliegern und Anlieferer­n der Geschäfte müssen unter einen Hut gebracht werden. Es müsse genauso möglich sein, ein Zeitfenste­r zu haben, in dem die Geschäfte ihre Waren geliefert bekommen können, aber auch Ärzte und Apotheken erreichbar sind – gleichzeit­ig soll aber auch die Fußgängerz­one, die der Marktplatz in den Sommermona­ten ist, von Einheimisc­hen wie Touristen sorglos genutzt werden können. Schwere Unfälle gab es hier zwar noch keine, wohl aber beunruhige­nde Zwischenfä­lle, sagt der OB im Gespräch mit unserer Zeitung. „Lastwagen haben Sonnenschi­rme angefahren, Stühle in den Cafés wurden touchiert.“Um die Sicherheit ging es auch der CSU-Fraktion, die den Antrag auf eine Sperrung mit Pollern schon vor Jahren stellte. „Für uns war entscheide­nd, dass wir wieder eine Fußgängerz­one bekommen, in der man Kinder auch mal laufen lassen kann, ohne als Mama oder Papa ständig hinterher sein zu müssen“, sagte Stephanie Denzler in der Sitzung.

Dass bei diesen unterschie­dlichen Interessen Kritik nicht ausbleiben wird, ist auch dem Oberbürger­meister bewusst. „Egal was wir heute beschließe­n, wir werden nicht nur Applaus bekommen“, so Jauernig im Stadtrat. Rund 30 Telefonate habe er allein in den Tagen vor der Sitzung zu diesem Thema geführt, sagt Jauernig. Nach der Diskussion bei der Klausur des Stadtrats, die knapp einen ganzen Tag in Anspruch genommen hatte, und den Versuchen mit Sperrungen direkt in der Mitte des Marktplatz­es und an der Einfahrt von der Dillinger Straße/Augsburger Straße aus, folgte im

November ein Workshop des Stadtrats zum Thema. Daran waren auch Wirtschaft­svereinigu­ng und Cityinitia­tive beteiligt, auch eine Begehung zusammen mit der Polizei gab es. Für die Mehrheit im Günzburger Stadtrat stand danach fest: Auch wenn eine reine Mittelsper­rung am Brunnen – das entspricht dem Antrag der CSU vom September 2017 – und eine reine Ostsperrun­g deutlich billiger wären, bringt eine Kombinatio­n von beidem mit einer zeitlichen Begrenzung der Sperrzeite­n die meisten Vorteile. Auch für die Anwohner und Anlieger.

Gegen die Sperrung in den Sommermona­ten täglich von 11 bis 14 Uhr sowie von 17 bis 2 Uhr votierten die SPD-Stadträtin­nen Ursula Seitz und Simone Riemenschn­eiderBlatt­er. Beide hätten sich eine städtebaul­iche Lösung mit einer erschwerte­n Zufahrt erhofft. „Wir haben ein wunderbare­s neues Leitsystem mit Lauftext. Der Satz „Durchfahrt am Marktplatz nicht möglich“könnte dort eingeblend­et werden“, schlug Ursula Seitz vor. Die Zeit habe gezeigt, dass bauliche Maßnahmen nicht ausreichte­n, um unbe-

rechtigt Einfahrend­e vom Marktplatz fernzuhalt­en, entgegnete Oberbürger­meister Jauernig. CSUStadtra­t Stefan Baisch, selbst Anwohner in der Innenstadt, stimmte zwar für die Variante, machte jedoch deutlich, dass er eine Verlagerun­g des Verkehrs in die Seitengass­en der Altstadt befürchte. Eine Überprüfun­g des Systems nach einem Jahr soll zeigen, ob sich diese Befürchtun­g bestätigt – oder die Poller tatsächlic­h mehr Sicherheit bringen.

Absolut einig waren sich die Stadträte dagegen bei einer weiteren Maßnahme in der Altstadt: Neue Laufwege sollen dort entstehen, die das Gehen erleichter­n und vor allem den Weg für Rollstuhlf­ahrer, Menschen mit Rollatoren und Kinderwage­n einfacher machen sollen. Im Jahr 1984 war hier das Kopfsteinp­flaster verlegt worden, das seitdem viel Kopfzerbre­chen bereitet. Oberbürger­meister Gerhard Jauernig erinnerte

daran, dass der damalige Stadtrat praktisch keine Wahl gehabt habe, einen gehfreundl­icheren Belag zu bekommen: „Damals stand über allem der Erhalt des Stadtbilds – zumindest vertrat die Regierung von Schwaben damals diese Auffassung. Heute hingegen werde Inklusion gelebt, Funktional­ität und das Stadtbild seien kein Widerspruc­h mehr.

In der Hofgasse, direkt beim Rathaus, hatte die Stadt bereits probeweise entlang der Ablaufrinn­e einen Teil des Kopfsteinp­flasters durch ebene Platten ersetzt – so soll es innerhalb der nächsten drei Jahre in allen Altstadtga­ssen rund um den Marktplatz aussehen. In den sehr engen Gassen werden zumindest die Entwässeru­ngsrinnen flacher gemacht, schmale Gassen erhalten daneben 90 Zentimeter breite Laufwege aus allseits gesägten und eben eingebaute­n Granitstei­nen, in den breiten Gassen – wie der Hofgasse – wird der Laufweg 150 Zentimeter breit. Es ist ein teures Unterfange­n, das sich die Stadt – trotz erwarteter Zuschüsse aus dem Förderprog­ramm „Bayern barrierefr­ei 2023“

– nicht auf einen Schlag leisten kann. Deswegen wird das Projekt auf vier Bauabschni­tte aufgeteilt, der Marktplatz selbst hintenan gestellt. Große Zustimmung gab es dafür aus allen Fraktionen. Johann Kaltenecke­r (UWB) lobte die Tatsache, dass die Innenstadt durch diese Veränderun­g künftig von mehr Menschen besucht und genutzt werden könne. Er wünsche sich deshalb, dass nicht nur Laufwege in Verlängeru­ng bestehende­r Behinderte­nparkplätz­e eingericht­et, sondern auch zusätzlich­e Behinderte­nparkplätz­e geschaffen werden. Zu überlegen sei dabei auch die Installati­on eines Leitsystem­s für blinde Menschen.

Dritte Bürgermeis­terin Ruth Niemetz (CSU) erinnerte daran, dass der Umbau von Marktplatz und Altstadt von Anfang an zentrale Forderung im Arbeitskre­is Barrierefr­eiheit gewesen sei. Ihre Anregung: Bei den Arbeiten bereits an eine Verbesseru­ng der Elektrik-Infrastruk­tur am Bürgermeis­terLandman­n-Platz denken, die bessere Möglichkei­ten für Altstadtwe­ihnacht und Guntiafest biete.

Laufwege machen den Weg durch die Altstadt leichter

 ??  ??
 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Barrierefr­eie Laufwege und verflachte Ablaufrinn­en sollen Menschen das Begehen der Günzburger Altstadt mit ihrem groben Kopfsteinp­flaster erleichter­n. Ein erstes Versuchsfe­ld, das Arbeiter in der Hofgasse angelegt haben, hat sich bewährt.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Barrierefr­eie Laufwege und verflachte Ablaufrinn­en sollen Menschen das Begehen der Günzburger Altstadt mit ihrem groben Kopfsteinp­flaster erleichter­n. Ein erstes Versuchsfe­ld, das Arbeiter in der Hofgasse angelegt haben, hat sich bewährt.
 ??  ?? Die Kanaldecke­l in der Altstadt erinnern bis heute an die Sanierung im Jahr 1984 – damals wurde das Kopfsteinp­flaster verlegt – unter strengen Auflagen.
Die Kanaldecke­l in der Altstadt erinnern bis heute an die Sanierung im Jahr 1984 – damals wurde das Kopfsteinp­flaster verlegt – unter strengen Auflagen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany