Sie hat der SPD ein Gesicht gegeben
So erfolgreich wie Renate Schmidt war in Bayern schon lange kein Genosse mehr. Auch in Berlin hat die streitbare Fränkin Spuren hinterlassen
Von ihren Wahlergebnissen träumt die bayerische SPD heute. Glatte 30 Prozent im ersten Anlauf, knappe 29 im zweiten: Mit Renate Schmidt als Spitzenkandidatin waren die Sozialdemokraten in den neunziger Jahren zwar nicht auf Augenhöhe mit Edmund Stoibers CSU – aber immerhin noch eine feste Größe in der bayerischen Landespolitik. Entsprechend tief saß der Frust nach dem Zehn-ProzentDebakel im Oktober bei der ehemaligen Familienministerin. „Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir die Inhalte ändern, aber nicht das Personal“, klagte sie mit einigen Gleichgesinnten anschließend in einem offenen Brief an Spitzenkandidatin Natascha Kohnen.
Renate Schmidt hat der SPD ein Gesicht gegeben – das einer couragierten Frau, die als 17-Jährige vom Gymnasium flog, weil sie schwanger geworden war, und anschließend eher notgedrungen eine Ausbildung zur Programmiererin im Versandhaus Quelle durchlief. Zehn Jahre später saß sie dort im Betriebsrat, weitere zehn Jahre später als direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Nürnberg-Nord im Bundestag, wo sie sich vor allem als Kämpferin für die Rechte der Frauen einen Namen machte und bis zur Vizepräsidentin des Parlaments aufstieg, ehe sie 1994 dem Werben der Bayern-SPD erlag und zum ersten Mal gegen Stoiber antrat.
Nach der Bundestagswahl 2002 holte der damalige Kanzler
Gerhard Schröder, der die Familienpolitik anfangs als „Gedöns“abgetan hatte, die streitbare Fränkin in sein Kabinett – eine Entscheidung von strategischer Weitsicht. Elterngeld, Krippenausbau, Vätermonate: Vieles von dem, was für junge Familien heute selbstverständlich ist, hat Renate Schmidt mit auf den Weg gebracht. „Wir haben heute die am besten ausgebildete Frauengeneration, die es je in Deutschland gegeben hat“, betonte sie damals im Interview mit unserer Zeitung. „Wir schaffen es aber nicht, dass diese Frauen Kinder und Beruf miteinander verbinden können.“
Aus Schweden und anderen skandinavischen Ländern wusste sie, dass es auch anders geht, mit kürzeren Familienpausen, einer besseren Kinderbetreuung und verpflichtenden Elternzeiten für Väter. Vieles davon hat anschließend zwar erst ihre Nachfolgerin Ursula von der Leyen in deutsche Gesetze gegossen, der Anstoß für diesen Kurswechsel kam von Vorgängerin Schmidt, die sich selbst gerne als „Familientier“bezeichnet.
Heute wird die dreifache Mutter und vierfache Großmutter 75 Jahre alt. Sie ist nach dem Tod ihres ersten Mannes mit dem Maler Hasso von Henninges verheiratet und auch im politischen Ruhestand ein interessierter Zaungast geblieben. Über die SPD sagt sie, sie sei nach wie vor ihre Heimat – allerdings eine, die man sich gelegentlich auch sonst wohin wünsche. An Austritt habe sie trotzdem nie gedacht. „Auch wenn es manche Tage gibt, wo es kurz davor ist.“Rudi Wais