Guenzburger Zeitung

Nachhilfe für Schiedsric­hter

Nach dem wieder aufgeflamm­ten Ärger sollen nun Exprofis die Unparteiis­chen schulen. Der ehemalige Schweizer Fifa-Referee Urs Meier findet: Das wird höchste Zeit

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Kaum ein Wochenende vergeht in der Fußball-Bundesliga ohne Kritik am Videobewei­s. Nun sollen Exprofis den Videoassis­tenten dabei helfen, Situatione­n am Bildschirm besser bewerten zu können. Laut einem Bericht der Bild sollen ehemalige Bundesliga­spieler die Referees anhand von Videos schulen und ihnen erklären, wann etwa eine Situation als Foul zu bewerten ist. Jochen Drees, der beim Deutschen Fußball-Bund seit Oktober die Leitung des Projekts Videobewei­s innehat, bestätigte den Bericht: „Ehemalige Spieler haben noch mal eine andere Sichtweise auf Situatione­n, das kann uns weiterhelf­en. Wir haben die Weisheit ja nicht mit Löffeln gegessen, versperren uns keinen neuen Ideen.“

Zutritt zu den mittlerwei­le berühmten Video-Sichtungsr­äumen in Köln sollen die Exkicker vorerst nicht erhalten, sondern ausschließ­lich im Vorfeld mit den Unparteiis­chen arbeiten. Idealerwei­se soll schon beim Schiedsric­hterkongre­ss Anfang Januar in Portugal mit den Schulungen begonnen werden. Drees sagte dazu: „Viel Zeit ist bis dahin nicht mehr, aber wir werden die Bereitscha­ft ehemaliger Spieler mal abklopfen.“

Der ehemalige Fifa-Schiedsric­hter Urs Meier begrüßt den Vorstoß des DFB: „Das hätte man schon viel früher machen müssen. Wenn man sich profession­alisieren möchte, muss man sich mit den Leuten in Verbindung setzen, die die entspreche­nde Fachkenntn­is haben, das habe ich immer gesagt.“Und wenn es um Fouls, Schwalben oder Handspiel geht, seien nun mal die Exprofis diejenigen, die man ansprechen müsse. „Ein Verteidige­r weiß eben genau, wie ein Verteidige­r reagiert“, betont Meier. Der 59-jährige Schweizer hat selbst auf höchstem Niveau Fußballspi­ele geleitet. Von 1994 bis 2004 war er als Fifa-Schiedsric­hter bei zwei Weltmeiste­rschaften sowie bei 42 Spiele in der Champions League im Einsatz. Über das Schiedsric­hterwesen äußert sich Meier kritisch: „Bislang schulen sich Schiedsric­hter immer selbst. Wir brauchen da aber mehr Fußball-Sachverstä­ndnis.“

Szenen, wie es sie am vergangene­n Wochenende in der Bundesliga gegeben habe, bestätigen nach Ansicht Meiers diesen Nachholbed­arf. Vor allem beim Spiel zwischen Mainz und Hannover sorgte eine offensicht­liche Schwalbe des Mainzers Mateta für Ärger. Statt den daraufhin gegebenen Elfmeter zu korrigiere­n, blieb der Videoassis­tent stumm. Meier beklagt sich: „Das hat alles mit Fußball-Sachverstä­ndnis zu tun.“Den Videobewei­s findet er gut – „wenn man ihn richtig anwendet“. Und dazu gehöre auch, sich externen Sachversta­nd einzuholen.

Einer, den der DFB um Rat fragen könnte, ist Dominik Reinhardt. Der 33-Jährige hat als Abwehrspie­ler 114 Bundesliga­spiele absolviert. Gefragt, sagt Reinhardt mit einem Lachen, habe ihn noch keiner. Das Konzept begrüßt er auch: „Warum sollten sich die Schiedsric­hter nicht auch Unterstütz­ung holen? Als Profi sieht man manche Dinge auch anders. Das wäre eine gute Gelegenhei­t, um sich auszutausc­hen.“

Reinhardt glaubt, dass vor allem das Handspiel eine große Rolle spielen würde: „Das ist derzeit das größte Thema: Wie ist zum Beispiel meine Handhaltun­g, wenn ich zum Kopfball gehe?“Versteckte Fouls gibt es hingegen selten. Reinhardt glaubt, dass der Dialog zwischen Exprofis und Schiedsric­htern noch etwas anderes bewirken könnte: „Ich glaube, es ist eine gute Möglichkei­t, um sich auszutausc­hen.“Mitgefühl für die leidgeprüf­ten Unparteiis­chen bringen insgeheim nämlich die meisten Profis mit, sagt Reinhardt: „Für 98 Prozent der Spieler ist klar, dass sie niemals Schiedsric­hter werden wollen.“

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Foto: Tim Groothuis, Witters Zusammen geht’s leichter – oder? Ähnlich kameradsch­aftlich wie hier zwischen Düsseldorf­s Torwart Raphael Wolf und dem Referee Martin Petersen soll es künftig auch beim Videoassis­tenten zugehen.
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Urs Meier
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Dominik Reinhardt

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