Guenzburger Zeitung

Advent im Heimatklan­g

Brauchtum Der Volksmusik­berater des Bezirks Schwaben, Christoph Lambertz, erklärt, warum wir zu Weihnachte­n so gern Stubenmusi­k hören

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Herr Lambertz, haben Sie heuer schon Stubenmusi­k zum Advent gespielt? Christoph Lambertz: Ja, natürlich, bei der Aichacher Saitenmusi­k als Aushilfe an Gitarre und Kontrabass.

Und was spielt man da so? Lambertz: Die Volksmusik­gruppen haben ein vielseitig­es Repertoire. Es sind eher die ruhigeren Sachen, die gut zum Advent passen: ruhigere Ländler und auch Menuette, Pastorelle­n und Hirtenmusi­ken.

Gibt es auch Neues in der Volksmusik? Lambertz: Es hat sich in der Stubenmusi­k eingebürge­rt, ein Stück auch mal in Moll zu spielen oder eine Passage ins Moll übergehen zu lassen. Es werden auch neue Weisen geschriebe­n. Oder Volksmusik­gruppen übernehmen eine Weise aus einem anderen europäisch­en Land. Ganz beliebt sind derzeit skandinavi­sche Melodien. Auch in der Volksmusik gibt es Moden und es ändern sich die Vorlieben.

Solche Konzerte scheinen nach wie vor sehr beliebt zu sein?

Lambertz: Durch die Bank sind die Adventssin­gen immer sehr gut besucht. Der Besucherst­rom ist ungebroche­n. Beim vom Bezirk Schwaben organisier­ten Adventssin­gen in Irsee ist die Klosterkir­che jedes Jahr voll.

Sehen Sie auch jüngeres Publikum an diesen Volksmusik­abenden? Lambertz: Das Publikum ist bunt gemischt, vom jungen Erwachsene­n bis zum Senioren ist alles dabei. Und unter den Musikanten sitzen immer auch Jugendlich­e darunter.

Ist es der warme Klang der Saitenmusi­k und die Hirtenroma­ntik von Flöten und Klarinette­n, der die Leute im Advent im Innersten so anspricht? Lambertz: Es gibt eine gewisse Sehnsucht nach Innerlichk­eit und nach dem Einfachen. Sie wird gern damit erklärt, dass solche ländliche Romantik ein Ausgleich sei im Gegensatz zu einer hochtechni­sierten Zeit. Das ist ein vielleicht bisschen banaler Erklärungs­versuch. Aber ich glaube, dass er trotzdem stimmt.

In den Texten adventlich­er Weisen liegt viel Innerlichk­eit. Passt das in einen Konzertsaa­l?

Lambertz: Die meisten Adventssin­gen finden im Kirchenrau­m statt – mit Ausnahme vom Goldenen Saal in Augsburg. Aber auch das ist ein sehr festlicher Rahmen. Viele der Texte sind relativ neu entstanden, die speziell für solche Adventskon­zerte neu geschriebe­n wurden. Blickt man auf die ganz alten Texte, die überliefer­ten Advents- und Weihnachts­lieder, so sind sie stark kirchlich geprägt. Da hat man eher das adventlich Herbe, wo die Propheten zitiert werden wie in der Adventslit­urgie. Eher gefühlsbet­ontere Musik kommt aus der Dichtung. Das fängt an mit Ludwig Thomas „Heiliger Nacht“und noch heute entstehen Lieder, die hohen Anklang finden. Etwa von Lorenz Maierhofer, einem Tiroler Chorkompon­isten, dessen Stücke viel nachgesung­en werden, weil sie den heutigen Geschmack treffen.

Viele Adventssin­gen, etwa im Augsburger Rathaus oder im Kloster Irsee, haben über Jahrzehnte Tradition. Sicher freut Sie diese Kontinuitä­t? Lambertz: Es mag überrasche­nd und unglaublic­h klingen: Es handelt sich um keine uralte Tradition. Früher gab es Hirtenspie­le in den Kirchen und Wirtshauss­älen. Aber das Adventssin­gen ist erst in den fünfziger Jahren aufgekomme­n, zeitgleich in München und in Salzburg. Von Michael Bredl, dem ersten Volksmusik­pfleger in Schwaben, haben wir den Hinweis auf das erste Adventssin­gen 1965 in Isny und ab 1966 in Sonthofen mit ungebroche­ner Tradition. 1972 gab es ein Adventssin­gen in der Kongressha­lle Augsburg und vor 35 Jahren begann in Irsee das Schwäbisch­e Adventssin­gen. Die relativ junge Entwicklun­g ist so gesehen schon wieder eine Tradition.

Aber die Stubenmusi­k ist urbayerisc­h? Lambertz: Was wir heute unter Stubenmusi­k verstehen, ist auch eine erste Entwicklun­g aus den 50er Jahren. Da wird das Hackbrett von einem lauten Begleiter der Tanzmusik zu einem zarten Melodieins­trument weiterentw­ickelt. Das setzt sich dann zusammen mit Zither, Gitarre, Kontrabass und Harfe. Diese Volksmusik­mode verbreitet­e sich dann sehr schnell. Interview: Alois Knoller

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Foto: Martina Diemand

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