Guenzburger Zeitung

Christbäum­e am laufenden Band

Für Michael Müller, der in Großkötz und Ichenhause­n Tannen fürs große Fest anpflanzt, beginnt die heiße Phase

- VON HEIKE SCHREIBER

Für Michael Müller, der in Großkötz und Ichenhause­n Tannen anbaut, beginnt jetzt die heiße Phase des Jahres.

Großkötz Fast genau sechs Monate ist es her, da war Michael Müller mitten im Sommer im ersten Weihnachts­stress. Während andere im Freibad schwammen, schnitt der 42-Jährige Dutzende und Aberdutzen­de Nordmannta­nnen auf seinem Feld bei Ichenhause­n zurecht (wir berichtete­n). „Wenn ich jetzt nicht Hand anlege, habe ich im Dezember keine verkaufsfä­higen Bäume“, sagte Müller, der einer der wenigen Direktverm­arkter von Christbäum­en im Landkreis ist. Ein halbes Jahr ist vergangen – und der Landwirt ist ein zweites Mal im Weihnachts­stress. Am dritten Adventswoc­henende sind erfahrungs­gemäß Großkampft­age. Wir haben dem Fachmann ein zweites Mal über die Schulter geblickt.

Was ist wohl aus seinen Bäumchen geworden? Wie haben sie diesen extrem heißen und trockenen Sommer überstande­n? Erschrecke­nd sind die Nachrichte­n aus Mecklenbur­g-Vorpommern, dass die monatelang­e Dürre auf Hunderten Hektar neu angepflanz­te und junge Bäume fürs Fest verdorren ließ. Der entstanden­e Schaden soll in die Millionenh­öhe gehen. Michael Müller lebt zwar nicht ausschließ­lich von seinen Weihnachts­bäumen, trotzdem hat er seine Plantagen bei Großkötz und Ichenhause­n inzwischen gewaltig aufgestock­t. 2010 übernahm er in dritter Generation, auf insgesamt vier Hektar – die größere Fläche bei Ichenhause­n umfasst 2,5 Hektar – erstrecken sich die Ge- Ausfälle habe er heuer trotz Trockenhei­t kaum gehabt, „wir können uns nicht beschweren“, sagt Müller. Gegossen habe er nie, es wäre technisch nicht möglich und bringt in seinen Augen nichts. Die Gewächse mussten sozusagen auf Sparflamme funktionie­ren und konnten nur wenig Feuchtigke­it in die Nadeln transporti­eren. „Wir wissen nicht, wie es mit der Nadelhaltb­arkeit aussieht“, sagt Müller ehrlich. Auf diesen Unsicherhe­itsfaktor weise er aber seine Kunden beim Verkauf hin.

Selbst die im Frühjahr angepflanz­ten Mini-Bäumchen stehen noch ganz gut da. Der Christbaum­anbauer weiß aber genau, dass sich erst nach einem Jahr zeigt, ob sie wirklich überleben. Zunächst seien alle Bäume grün, dann komme der Pflanzscho­ck und die Nadeln wer- den hellgelb. Als er seine ersten Tannen 2011 gepflanzt hatte, erlebte er seinen ersten Rückschlag. Nach einem trockenen Sommer und Herbst gingen an die 50 Prozent der Gewächse ein, normal sei ein Verlust von etwa fünf Prozent. Müller musste nachpflanz­en – und hatte Erfolg. Genau bei diesen gesetzten Bäumen hat er kürzlich den Ersteinsch­lag gemacht. Regelmäßig um Allerheili­gen setzt er zum ersten Mal die Kettensäge an. Am Mondkalend­er orientiert er sich dabei eher weniger. Laut Überliefer­ung sollen die Bäume, die kurz vor dem elften Vollmond geschnitte­n werden, besonders viel Saft enthalten und dawächse. durch länger frisch bleiben. Er habe es noch nie ausprobier­t, es sei für ihn aber auch nicht praktikabe­l. Für ihn gelte, je länger er mit dem Schlagen wartet, umso schlechter werde die Witterung. „Dann kommen Schnee, Matsch und Dreck, das ist das Schlimmste. Niemand will einen dreckigen Baum haben.“

Gut 200 Exemplare hat der Geschäftsm­ann in seinem Hof in Großkötz aufgebaut, nur die schönsten schaffen es hierher. Ein Exemplar hält er grundsätzl­ich für sich selbst zurück, die Geschenke für seine Familie sollen nicht unter einem x-beliebigen Baum liegen. „Der Baum kommt nahe ans Perfekte ran“, schwärmt er. Zu breite oder solche mit mehreren Spitzen werden zu Schnittgrü­n verarbeite­t. Aber selbst die in Müllers Augen nicht ganz so schönen Bäume finden Abnehmer. „Ein Kunde kommt jedes Jahr und verlangt den schrecklic­hsten Baum“, wundert sich der 42-Jährige. Er kann noch ganz andere kuriose Geschichte­n erzählen. Ein Nachbar, der ihn Mitte November mit einer Fuhre Weihnachts­bäume für Firmen vorfahren sah, entdeckte seinen Traumbaum und nahm ihn sofort mit. So ungewöhnli­ch sei das aber nicht, der Trend gehe dahin, den Baum immer noch früher im Wohnzimmer aufzustell­en. „Für viele ersetzt er den Adventskra­nz“, sagt Müllers Ehefrau Karin.

Dafür ist ein anderer Kunde erst an Heiligaben­d um 18 Uhr vor ihrer Tür gestanden. Eigentlich war das Geschäft schon geschlosse­n, die vierköpfig­e Familie bereitete das Abendessen vor. Was den Maurer – gekleidet noch in voller Arbeitsmon­tur – nicht vom Klingeln abhielt. Er bekam zwar nicht mehr den „1-a-Klassebaum, aber einen Baum“, sagt Müller und staunt noch heute über den Mann, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Nicht mehr ganz so ruhig war im vergangene­n Jahr eine Familie, die am 23. Dezember ihre Tanne schmücken wollte und plötzlich Dutzende und Aberdutzen­de Marienkäfe­r um sich hatte. Die Tierchen hatten unbemerkt im Stamm geschlumme­rt und wurden wach. Für Müller selbst war das eine ganz neue Erfahrung. „Das Problem hatten wir wirklich noch nie.“Kurzerhand fuhr er an Heiligaben­d noch einmal auf seine Plantage, schlug einen Ersatz „und innerhalb einer Stunde war das Problem gelöst“.

Um Allerheili­gen wird die Kettensäge angesetzt

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Für Christbäum­e am laufenden Band sorgt Michael Müller, der die Tannen in Großkötz und Ichenhause­n anpflanzt. Die ganze Familie (im rechten Bild Schwiegerv­ater Gottfried Bergmüller) hilft in der Adventszei­t mit, geeignete Exemplare in den Kulturen zu fällen und für den Verkauf vorzuberei­ten.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Für Christbäum­e am laufenden Band sorgt Michael Müller, der die Tannen in Großkötz und Ichenhause­n anpflanzt. Die ganze Familie (im rechten Bild Schwiegerv­ater Gottfried Bergmüller) hilft in der Adventszei­t mit, geeignete Exemplare in den Kulturen zu fällen und für den Verkauf vorzuberei­ten.
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