Guenzburger Zeitung

Werbeverbo­t für Abtreibung­en: Das ändert sich

Union und SPD einigen sich auf Reform des Paragrafen 219a. Doch das Thema sorgt weiter für Streit

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit der Einigung über eine Reform des umstritten­en Werbeverbo­ts für Abtreibung­en im Paragrafen 219a haben Union und SPD einen ihrer größten Konflikte beigelegt. Bis Januar soll ein konkreter Gesetzesvo­rschlag vorgelegt werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Warum wird die Debatte so emotional geführt?

Beim Thema Schwangers­chaftsabbr­üche prallen grundsätzl­iche Überzeugun­gen gegeneinan­der. Der Streit wirkt wie ein später Nachhall der erbitterte­n Auseinande­rsetzung um das im Paragrafen 218 geregelte Abtreibung­sverbot. Nach langem Kampf hatte die Frauenbewe­gung Anfang der siebziger Jahre durchgeset­zt, dass Abtreibung­en unter bestimmten Bedingunge­n, etwa nach erfolgter Beratung und innerhalb einer Zwölf-Wochen-Frist, straffrei vorgenomme­n werden können. In der Union wird der Schutz ungeborene­n Lebens stark betont, in der SPD spielt das Selbstbest­immungsrec­ht der Frauen eine starke Rolle.

Geht es in der Diskussion auch um das Abtreibung­sverbot an sich?

Nein. Der Streit um den Paragrafen 219a dreht sich nicht um das Verbot von Abtreibung­en, sondern ausschließ­lich um das Verbot von Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche. Unabhängig davon sorgten die Jusos kürzlich für Schlagzeil­en, als sie eine komplette Legalisier­ung von Abtreibung­en bis zum neunten Schwangers­chaftsmona­t anmahnten. Für die Forderung des SPDNachwuc­hses sind aber keine politische­n Mehrheiten in Sicht.

Was genau steht im Paragrafen 219a? Paragraf 219a untersagt bislang die Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche, dabei ist der Begriff Werbung sehr streng ausgelegt. Strafbar macht sich nicht etwa nur, wer Abtreibung im Sinne von Reklame positiv anpreist, sondern bereits, wer „seines Vermögensv­orteils wegen“Schwangers­chaftsabbr­üche anbietet. Die Strafandro­hung beträgt zwei Jahre Gefängnis.

Und wodurch kam es zum Streit über das Gesetz?

Eine Gießener Ärztin war wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a verurteilt worden. Sie hatte auf der Internetse­ite ihrer Praxis über geeignete Verfahren zum Schwangers­chaftsabbr­uch informiert und solche Eingriffe gegen entspreche­ndes Honorar angeboten. Die Richter urteilten, dass dies verbotene Werbung im Sinne des Gesetzes darstelle. Neben Grünen, Linken und FDP nahm auch die SPD den Fall zum Anlass, eine Abschaffun­g des Gesetzes zu fordern. Die Union lehnt dies ab, so belastete die Kontrovers­e von Anfang an die Große Koalition.

Was soll sich nun am Gesetz ändern? Das Werbeverbo­t soll im Grundsatz beibehalte­n werden, hier setzten sich CDU und CSU durch. Stephan Stracke, gesundheit­s- und familienpo­litischer Sprecher der CSU im Bundestag, begrüßt dies gegenüber unserer Redaktion. „Ziel des Werbeverbo­tes für Schwangers­chaftsabbr­üche ist der verfassung­srechtlich anerkannte Schutz des ungeborene­n Lebens.“Künftig sollen Ärzte und Krankenhäu­ser aber über Schwangers­chaftsabbr­üche informiere­n können. Erlaubt ist auch der Hinweis, dass sie Abtreibung­en vornehmen. Die Bundesärzt­ekammer und die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung sollen die Aufgabe bekommen, Kontaktinf­ormationen von Kliniken und Praxen, die Abtreibung­en vornehmen, zur Verfügung zu stellen.

Ist der Streit damit beendet? Voraussich­tlich nicht. Denn Grüne, Linke und FDP fordern wie Teile der SPD weiter eine komplette Abschaffun­g des Paragrafen 219a. Stephan Thomae, stellvertr­etender Vorsitzend­er der FDP-Bundestags­fraktion, kritisiert den Regierungs­Kompromiss. „Für betroffene Frauen und Ärzte wird sich wenig ändern. Die Ärzte sollen weiterhin nicht selbst informiere­n dürfen, sondern lediglich auf Informatio­nsangebote staatliche­r Stellen verweisen“, sagt er.

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Foto: epd Frauenorga­nisationen sind für die Streichung des Paragrafen 219a.

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