Guenzburger Zeitung

Pädophiler Kinderarzt ist voll schuldfähi­g

Warum die Urteile von vier Gutachtern in dem Missbrauch­sprozess so wichtig sind

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg In der Neuauflage des Missbrauch­sprozesses gegen den pädophilen Augsburger Kinderarzt Harry S., 43, kann der Angeklagte nicht mehr auf eine mildere Strafe wegen einer möglichen vermindert­en Schuldfähi­gkeit hoffen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion kommt keiner der insgesamt vier Gutachter, die sich mit Harry S. beschäftig­t haben, zum Ergebnis, dass er bei seinen Missbrauch­staten vermindert schuldfähi­g war.

Harry S. hatte schon im ersten Prozess zugegeben, mindestens 20 Jungen missbrauch­t zu haben. Mit dem Urteil dreizehnei­nhalb Jahre Haft und Sicherungs­verwahrung war er aber nicht einverstan­den. Es lag nahe an der Höchststra­fe von 15 Jahren. Seine Anwälte Ralf Schönauer und Moritz Bode legten deshalb Revision ein – und waren damit erfolgreic­h. Der Bundesgeri­chtshof verwies den Fall zurück nach Augsburg. Verbunden mit dem Hinweis, die Frage der Schuldfähi­gkeit noch einmal genau zu prüfen. Die Richter im ersten Prozess hatten ihn als voll schuldfähi­g eingestuft. Im neuen Prozess, der seit Anfang November läuft, beschäftig­en sich nun vier Experten mit der Psyche des Kinderarzt­es. Zwei Gutachter sind von der Justiz bestellt worden. Sie bewerten Harry S. als schuldfähi­g. Zwei weitere Experten sind als Privatguta­chter im Auftrag der Verteidige­r tätig geworden. Allerdings: Auch die Privatguta­chter können nicht feststelle­n, dass der sexuelle Drang des Arztes so groß war, dass er sein Handeln nicht mehr steuern konnte.

Der Psychologe Helmut Kury sagte das bereits am Dienstag. Dem schloss sich nun auch der Psychiater Ralph-Michael Schulte an. Im ersten Prozess hatte er noch eine eingeschrä­nkte Schuldfähi­gkeit gesehen. Nun sei aber deutlicher geworden, dass Harry S. immer noch aufhören konnte, wenn die Kinder sagten, dass sie das nicht wollen. Schulte sieht aber auch eine positive Entwicklun­g beim Angeklagte­n. In den gut vier Jahren seit seiner Inhaftieru­ng habe er sich stark verändert. Er zeige jetzt große Einsicht in seine Taten und sei sich seiner Schuld und Probleme bewusst, so Schulte.

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