Guenzburger Zeitung

Journalism­us: Immer im Wandel

Wie ist es um die Pressefrei­heit in Deutschlan­d bestellt? Könnte es auch hierzuland­e einmal Regionen geben wie in den USA, die ohne unabhängig­e Berichters­tattung auskommen müssen? So steht es um die Presse

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Herr Meier, wie steht es um die Pressefrei­heit in Deutschlan­d?

Klaus Meier: Man muss das immer im internatio­nalen Vergleich beurteilen und da steht Deutschlan­d insgesamt gut da. Wenn wir uns überhaupt beklagen, dann also auf hohem Niveau. Kritisiert wird zum Beispiel, dass es in jüngster Zeit vor allem aus dem rechtsextr­emen Spektrum vermehrt zu verbalen, aber auch körperlich­en Angriffen gegen Journalist­en kam. Mittelfris­tig erkennt man in Deutschlan­d auch den Trend einer gewissen Verlagskon­zentration. Mit der Westfälisc­hen Rundschau in Dortmund gibt es seit mehr als fünf Jahren sogar eine Zombiezeit­ung, die mit eigenem Titel erscheint, aber keine eigene Redaktion mehr hat, sondern Inhalte von anderen Blättern übernimmt.

Aber?

Meier: Aber auch hier jammern wir auf hohem Niveau. Es gibt in Deutschlan­d nach wie vor etwa 100 sogenannte publizisti­sche Einheiten mit Vollredakt­ionen und über 300 Zeitungsve­rlage. Das ist im internatio­nalen Vergleich schon recht gut.

Gerade Lokaljourn­alisten haben eine besondere Nähe zu den Menschen, über die sie berichten. Sind sie von Angriffen auch in stärkerem Maße betroffen? Meier: In Regionen, in denen diese Angriffe gegen Journalist­en stattfinde­n – und das war zuletzt häufig in Sachsen der Fall –, leben Lokaljourn­alisten, die etwa über Rechtsextr­emismus berichten, natürlich schon gefährlich­er.

Was ist eigentlich Ihre Definition von „Lokalzeitu­ng“? Meier: Unter einer Lokalzeitu­ng verstehe ich, dass diese eine enge lokale Verbreitun­g hat und dass Themen vor allem aus dem Lokalen aufgegriff­en werden oder überregion­ale Themen aufs Lokale herunterge­brochen werden. Daraus folgt, dass eine Lokalzeitu­ng als Zielgruppe Menschen hat, die vor allem am Lokalen interessie­rt und dort verwurzelt sind. Es sind Menschen, die Interesse an ihrem Heimatraum haben.

Stehen Lokalzeitu­ngen unter einem hohen wirtschaft­lichen Druck?

Meier: Seitdem der Kommunikat­ionswissen­schaftler Walter J. Schütz 2013 gestorben ist, gibt es keine große Zeitungsst­atistik mehr. Wir müssen uns also auf Zahlen des Bundesverb­ands Deutscher Zeitungsve­rleger verlassen. Und die zeigen, dass die Zahl der Lokalteile eigentlich gar nicht abnimmt. Anderersei­ts werden Lokalredak­tionen zusammenge­legt. Hinzu kommt die Herausford­erung, im digitalen Zeitalter nicht nur die gedruckte Zeitung, sondern auch vielfältig­e Ausspielwe­ge im Internet zu bedienen. Das erhöht den zeitlichen Druck auf die Journalist­en und kann zur Folge haben, dass Lokalteile schlechter wer- – muss es aber nicht. Das kommt immer auf das Konzept des jeweiligen Verlages an.

Hat denn die Qualität von Lokalzeitu­ngen in den vergangene­n Jahren insgesamt abgenommen?

Meier: Um es mal pauschal zu formuliere­n: Es gab und gibt sehr gute, aber auch sehr schlechte Lokalzeitu­ngen. Wenn man sich den Lokaljourn­alismus über Jahrzehnte hinweg anschaut, zeigt sich allerdings, dass die Qualität insgesamt nicht gelitten hat. Eher im Gegenteil: Studien belegen, dass der Lokalteil vielfältig­er geworden ist. Wir haben im Lokalen eine Themenviel­falt, die wir sonst in anderen Zeitungste­ilen nicht haben.

Ein oft geäußerter Vorwurf lautet, Lokaljourn­alismus sei zu unkritisch. Meier: Eine Bundeskanz­lerin lässt sich leichter kritisiere­n als der Bürgermeis­ter vor Ort. Der steht im Zweifelsfa­ll in der Redaktion auf der Matte. Sicher: Lokaljourn­alismus muss kritisch sein, man muss sich jedoch trotzdem gegenseiti­g noch in die Augen schauen können. Deshalb sollte die Kritik im Lokalteil auch nie überzogen skandalisi­erend sein, sondern immer fair.

Leser schätzen das?

Meier: Ja, das belegen Umfragen. Alles in allem zeigt sich auch hier ein breites Spektrum: Es gibt Lokalzeitu­ngen, die kritiklos alle Mitteilung­en der Lokalpolit­ik übernehmen – und es gibt Zeitungen, die investigat­iv im Lokalen recherchie­ren. Der renommiert­e Wächterpre­is der Tagespress­e geht zum Beispiel immer wieder auch an Lokalrepor­ter, die Missstände schonungsl­os aufdecken.

Sprechen wir über die Zukunft des Journalism­us: Zeitungen haben in der Regel eine ältere Leserschaf­t … Meier: …aber es gibt bei allen Tageszeitu­ngen ein durchaus jüngeres Publikum bei den digitalen Kanälen. Die Zeitungsma­cher sollten ihr Printprodu­kt also eher für ein älteres Publikum produziere­n und ihre digitalen Angebote für ein jüngeres. Denn wenn man den Printteil komden plett auf junge Themen bürsten würde, verliert man vielleicht sein älteres Publikum.

Wie können Zeitungen noch auf ihre unterschie­dlichen Leserschaf­ten und deren Erwartunge­n eingehen?

Meier: Vor allem mit mehr Lesernähe. Zeitungsre­daktionen sollten verstärkt zu Feedback und Beteiligun­g aufrufen, was in vielfältig­er Form möglich ist. Man kann Leser zum Beispiel zu Diskussion­sabenden einladen, zu Leserstamm­tischen oder Redaktions­konferenze­n: „Kommt vorbei, schlagt eure Themen vor!“

Was noch?

Meier: Zeitungen sollten verstärkt Anregungen und Reaktionen von ihren Lesern einfordern, nicht nur in Form des klassische­n Leserbrief­s oder über die inzwischen üblichen Internet- und Social-Media-Kontakte. Viele machen das und haben Erfahrung darin gesammelt. Aber es gibt noch Potenzial darin, die Leser zu bestärken, dass sie etwa die Lokalzeitu­ng als „ihre Zeitung“wahrnehmen.

Alle Zeitungen befinden sich inmitten eines rasanten technologi­schen und medialen Wandels. Und alle haben das Problem, dass ihre Erlöse aus dem digitalen Geschäft erst allmählich steigen. Meier: Es gibt hier keinen Königsweg. Jeder Verlag muss seine Antwort darauf finden – sei es mit der Einführung von Bezahlschr­anken oder mit speziellen Abo-Modellen. Eines muss man sich aber vor Augen halten: Die Zukunft auch der Lokalzeitu­ng liegt sicherlich im Digitalen und nicht in der Printausga­be.

In den USA gibt es Regionen, die ohne Zeitung auskommen müssen. Droht so etwas auch in Deutschlan­d?

Meier: Es kann schon passieren, dass wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren solche Gebiete haben werden. Die letzte Hoffnung, die dann bleibt, ist, dass das Fehlen journalist­ischer Berichters­tattung aufgefange­n wird durch Alternativ­en zur klassische­n Zeitung. Wenn die Menschen merken, dass sie lokale Informatio­nen brauchen, entstehen vielleicht neue Angebote in der digitalen Medienwelt. In Deutschlan­d haben wir zudem noch eine vielfältig­e Medienland­schaft aus Lokalradio­s und Lokalferns­ehen, wenn auch privatkomm­erziell finanziert und deshalb nicht gerade üppig ausgestatt­et. Und wir haben einen öffentlich­rechtliche­n Rundfunk, der zunehmend auf Regionalis­ierung setzt. Eine Lokalzeitu­ng freilich kann und soll er nicht ersetzen.

Interview: Fabian Huber

„Zeitungsre­daktionen sollten verstärkt zu Feedback und Beteiligun­g aufrufen.“

Journalist­ik-Professor Klaus Meier

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 ??  ?? Klaus Meier ist seit 2011 Inhaber des „Lehrstuhl für Journalist­ik I“an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt.
Klaus Meier ist seit 2011 Inhaber des „Lehrstuhl für Journalist­ik I“an der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt.

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