Guenzburger Zeitung

„Natürlich keine Absicht“

Das Münchner 3:3 in Amsterdam bleibt nicht nur wegen Thomas Müllers Platzverwe­is als emotionale­s Spektakel in Erinnerung. Die Münchner haben offenbar ihr Herbsttief überwunden

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Amsterdam Thomas Müller brauchte nach dem Rot-Schock ein Bierchen, Robert Lewandowsk­i genehmigte sich auf seine Torbestmar­ke ein Schlückche­n Rotwein. Seite an Seite ließen die zwei Protagonis­ten im Kerzensche­in beim Bankett des FC Bayern ein denkwürdig­es Champions-League-Spektakel noch einmal Revue passieren, das alle Münchner mitgerisse­n hatte.

Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic sprach von „leichten Herzrhythm­usstörunge­n“. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge war vom hochintens­iven Gruppenfin­ale beeindruck­t. „Es war sicherlich eine extrem emotionale Europapoka­lnacht, die wir erlebt haben“, sagte Rummenigge bei seiner nächtliche­n Ansprache im weihnachtl­ich dekorierte­n Saal in Amsterdam.

Der Fußballkri­mi beim 3:3 gegen Ajax Amsterdam beschert den Bayern als Gruppensie­ger etwas weniger Nervenkitz­el bei der Auslosung am kommenden Montag, als es bei Platz zwei der Fall gewesen wäre. Im Achtelfina­le am 12./13. oder 19./20. Februar sowie am 5./6. oder 12./13. März mit dem entscheide­nden Rückspiel in München gehen Niko Kovac und seine Stars Real Madrid, FC Barcelona, Paris SaintGerma­in, Juventus Turin und Manchester City aus dem Weg. Jürgen Klopps FC Liverpool, Atlético Madrid, Olympique Lyon, Manchester United, AS Rom oder Tottenham Hotspur stehen in Nyon als Gegner zur Auswahl.

„Da gibt es genug Hochkaräte­r, von daher ist es gehupft wie gezupft“, hielt sich Trainer Kovac mit überschwän­glicher Freude über ein vermeintli­ch leichteres Spiel gegen einen Gruppenzwe­iten zurück. „Man hat aber den kleinen Vorteil, dass man das zweite Spiel zu Hause spielt.“Fehlen wird im nächsten Jahr erst einmal Müller, der nach einer Kung-Fu-Aktion gegen Nicolás Tagliafico vom Platz flog. „Nee, nee, das war natürlich keine Absicht“, sagte der reumütige Rotsünder Müller, als er sich am Mittwochab­end als einer der letzten Akteure aus dem Stadion verdrückte.

2009 hatte er im Europapoka­l einmal Gelb-Rot gesehen. Salihamidz­ic warb noch in Amsterdam für ein nicht so hohes Strafmaß. „Mehr als zwei Spiele wird das nicht sein“, sagte der Sportdirek­tor nach einem würdigen Jubiläumss­piel zum 150. Vorrunden-Auftritt der Bayern in der Königsklas­se. „Ein gutes Spiel für die Zuschauer, auf der Bank braucht man Nerven“, kommentier­te der Sportdirek­tor. Auch Kovac freute sich nach überwunden­er Münchner Herbstdepr­ession trotz des verpassten vierten Sieges am Stück über ein „absolut tolles Fußballspi­el“. Kritisch stufte seine zum dritten Mal nacheinand­er in derselben Formation aufgeboten­e Mannschaft den stimmungsv­ollen Abend in der Johan-Cruyff-Arena ein. „Das Spiel ist ein sehr gutes Spiel zum Analysiere­n“, sagte Doppelpack­er Lewandowsk­i. „Wir können eine noch stärkere Mannschaft sein im neuen Jahr.“

Als erstem Bundesliga­profi glückten dem Polen in der Gruppenpha­se acht Tore. Er führt vor Lionel Messi (6) die Torjägerli­ste an. „Ich bin sehr stolz“, sagte der 30-Jährige bei der nächtliche­n Feier. Mit seinem 21. Pflichtspi­eltreffer ist Lewandowsk­i der Beste in Europas Topligen. Eine „Art Lebensvers­icherung“sei Lewy, lobte Kovac. Lewandowsk­i und Kingsley Coman mit dem dritten Bayern-Tor sorgten dafür, dass die Münchner wie zuletzt in der Klinsmann-Saison 2008/09 ungeschlag­en ins Achtelfina­le einzogen. Dusan Tadic (2) und Tagliafico deckten mit ihren Gegentreff­ern trotz Rot für Maximilian Wöber schonungsl­os Münchner Abwehrschw­ächen auf. Solche Löcher bringen in der K.-o.-Runde vermutlich ein schnelles Aus. „Dumme Gegentore, die wir hätten vermeiden müssen“, sagte Innenverte­idiger Niklas Süle nach „einem der interessan­testen Spiele meiner Karriere“. Drei Gegentore musste auch die Nationalma­nnschaft vor zwei Monaten in Amsterdam hinnehmen – damals gab es aber ein 0:3.

Während Nationalve­rteidiger Süle „Anfield schon geil“fände und damit einen Ausflug zu Klopp nach Liverpool, hielten sich Kollegen und Vorgesetzt­e mit Wünschen zurück. „Das sind alles wirklich klangvolle Namen. Trotzdem: Wir gehen mit breiter Brust als Erster in die Spiele“, verkündete Salihamidz­ic, dessen Budget für die Einkaufsto­ur im Sommer weiter wächst.

Allein an Prämien brachte die Gruppenpha­se 39,15 Millionen Euro in die Kasse des Bundesliga­Krösus. Rummenigge gönnte es den willenssta­rken Stars, „ein bisschen zu feiern“. Der Vorstandsc­hef lenkte aber schnell den Fokus auf die Bundesliga. Da sind die Münchner nicht im Soll. „Am Samstag müsst ihr wieder fit sein. Da spielen wir in Hannover. Und die drei Punkte brauchen wir, damit wir uns langsam wieder Richtung zweitem Platz hochhangel­n“, forderte der Vorstandsv­orsitzende.

„Ein gutes Spiel für die Zuschauer. Auf der Bank braucht man Nerven.“Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic

 ?? Foto: Emmanuel Dunand, afp ?? Sieht nicht nach Fußball aus: Thomas Müller trifft beim Versuch, den Ball zu erreichen, den Kopf von Nicolas Tagliafico. Für diese Aktion sah der Münchner Rot. Er wird damit in jedem Fall für das erste Viertelfin­alspiel gesperrt sein.
Foto: Emmanuel Dunand, afp Sieht nicht nach Fußball aus: Thomas Müller trifft beim Versuch, den Ball zu erreichen, den Kopf von Nicolas Tagliafico. Für diese Aktion sah der Münchner Rot. Er wird damit in jedem Fall für das erste Viertelfin­alspiel gesperrt sein.
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