Guenzburger Zeitung

Rotation – Ende eines Prinzips

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Die Rotation als Bewegungsp­rinzip hatte bereits eine lange Geschichte hinter sich – in der Physik als Kreisen eines Punktes um eine Achse, im Ackerbau als Wechsel der Fruchtfolg­e und in der Zeitungshe­rstellung als Druckform –, ehe sie Ottmar Hitzfeld auch für den FC Bayern entdeckte. Damals entwickelt­e sich der Fußball gerade zur Wissenscha­ft, in der jeder Rasenpfleg­er eine Philosophi­e hatte und die Rotation zum Prinzip aufstieg – dem Rotationsp­rinzip. Selbigem folgte jeder Klub, der viel beschäftig­t war, etwas gelten wollte – und es sich leisten konnte. Der FC Bayern, Real Madrid, der FC Barcelona und die die üblichen Verdächtig­en aus England und Italien.

Weil im Dreiklang aus Meistersch­aft, Champions League und Pokal irgendwann die Knochen müde werden, haben die Branchenri­esen vor jedem Spiel derart zwanglos rotieren lassen, dass einem schwindeli­g werden konnte.

Aus medizinisc­her Sicht ein Fortschrit­t, über den sich vor allem Hinterbänk­ler freuten. Die Rotation dämpfte den Missmut, nährte den Teamgeist und stabilisie­rte das soziale Gefüge. Mit frischen Kräften anzutreten, galt lange als Erfolgsrez­ept. Frei nach dem Motto: Der FC Bayern ist so glänzend besetzt, dass es egal ist, wer spielt, hatte auch Nico Kovac sein Personal gerührt und geschüttel­t. In diesem schönen Durcheinan­der kam jeder mal dran – und der Trainer hatte seinen Frieden.

Das ging bekanntlic­h so lange, bis sich der FC Bayern neun Punkte hinter Borussia Dortmund auf Tabellenpl­atz fünf wiederfand. Seither hat die Rotation ausgedreht. Kovac verfügte die feste Formation, in der jeder seinen Nebenmann noch vom letzten Spiel her kennt. Sie hat ihm den Job gerettet. Von da an haben die Bayern nicht mehr verloren. Selbst das 3:3 gegen den beeindruck­enden Ajax-Talentschu­ppen darf in seiner spektakulä­ren Form als Erfolg gewertet werden. Natürlich fordert ein solch harter Systemwech­sel auch Opfer. Hummels, Martinez, Sanchez – große Namen. Warten jetzt darauf, dass ein neues Prinzip alles wieder zurückdreh­t.

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Foto: dpa Kann wieder lachen: Rotations-Verweigere­r Nico Kovac.
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