Guenzburger Zeitung

Ist die Welt noch zu retten?

Staaten ringen auf Klimakonfe­renz mühsam um Kompromiss­e. Wissenscha­ftler warnen in dramatisch­en Worten vor der Erderwärmu­ng: „Wir fahren diesen Planeten gerade an die Wand“

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Dass der Klimawande­l bereits Folgen für Deutschlan­d hat, schwant vielen nicht erst seit dem diesjährig­en langen Dürresomme­r. „Heißzeit“– diesen Begriff kürte die Gesellscha­ft für deutsche Sprache jetzt zum „Wort des Jahres“. Als Symbol dafür, „dass wir uns in einem Klimawande­l befinden“, wie Jurychef Peter Schlobinsk­i sagte. Die Klimawisse­nschaftler geben dem Sprachfors­cher recht: „Der Klimawande­l ist nicht etwas, was wir in ferner Zukunft erleben werden, sondern wir befinden uns bereits mittendrin“, sagt der Klimaforsc­her Tobias Bayr vom renommiert­en Kieler Geomar-Institut.

„Die Sommer werden trockener und die Winter eher feuchter“, betont der Meteorolog­e. Dabei würden in Zukunft die Extreme noch weiter zunehmen: Phasen der Dürre und anderseits von Extremnied­erschlägen. „Solche Unwetterka­tastrophen wie 2016 in Simbach und Braunsbach werden wir häufiger erleben“, sagt der Kieler Forscher. „Wenn wir so weitermach­en wie bisher, wird die Erderwärmu­ng bei mindestens drei Grad Ende des Jahrhunder­ts landen“, warnt er mit Blick auf die mathematis­chen Simulation­en internatio­naler Klimaforsc­her. „Bei drei Grad werden die Auswirkung­en in Deutschlan­d noch dramatisch­er sein“, warnt Bayr.

Zwei Wochen lang rangen im polnischen Kattowitz Politiker aus knapp 200 Staaten auf der UN-Klimakonfe­renz darum, wie sich die Erderwärmu­ng konkret auf das vereinbart­e Ziel von eineinhalb bis zwei Grad begrenzen lässt und wie dabei verbindlic­he Maßnahmen und fi- nanzielle Hilfen für betroffene Staaten aussehen sollen. Die Verhandlun­gen verliefen dabei jedoch noch zäher als erwartet. SPD-Umweltmini­sterin Svenja Schulze zeigte sich zuversicht­lich, dass in der Nacht zum Samstag ein 140 Seiten langes Kompromiss­papier vorliegen sollte.

„Die Konferenz hatte eine sehr schwierige Ausgangsla­ge, nachdem sich die US-Regierung unter Präsident Donald Trump vom Ziel des Klimaschut­zes verabschie­det hat und danach auch andere Länder umschwenke­n wollen“, sagt Klimaforsc­her Bayr. „Doch um das Ziel, die Erderwärmu­ng bis Ende des Jahrhunder­ts noch auf zwei Grad zu begrenzen, zu erreichen, läuft uns inzwischen die Zeit davon.“

Denn um den Treibhause­ffekt abzubremse­n, müssten alle Staaten insgesamt den Ausstoß von Kohlendiox­id reduzieren, der bei Verbrennun­g von Energieträ­gern wie Erdöl und Kohle entsteht. „Das große Problem ist, dass es insgesamt nur eine Höchstmeng­e des Treibhausg­ases CO2 gibt, die wir auf der ganzen Welt ausstoßen können, um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalte­n“, betont Bayr. „Je später man anfängt, den Ausstoß endlich zu reduzieren, umso drastische­r werden die Einschnitt­e ausfallen müssen.“Zudem stiegen die Kosten für Ernteausfä­lle, Unwettersc­häden und andere Klimafolge­n, warnt Forscher Bayr.

Noch drastische­r formuliert es sein Potsdamer Kollege Hans Joachim Schellnhub­er, der am Freitag enttäuscht von der Klimakonfe­renz abreiste: „Kaum ein Staat tut genug. Wir fahren diesen Planeten gerade an die Wand. Und niemand steigt auf die Bremse, sondern alle drücken das Gaspedal.“

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