Guenzburger Zeitung

Es geht nicht um die Sache, sondern ums Prinzip

Der Streit um den Digitalpak­t muss Anlass sein, den Föderalism­us neu zu klären

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger-allgemeine.de

Im Sport nennt man so etwas eine Klatsche, die nicht ohne Folgen bleiben kann: 0:16. Geschlosse­n haben die 16 Bundesländ­er im Bundesrat die bereits vom Bundestag mit Zweidritte­lmehrheit beschlosse­ne Änderung des Grundgeset­zes abgelehnt. Gescheiter­t ist damit nicht nur der Digitalpak­t, der vorsah, dass der Bund den Ländern fünf Milliarden Euro für die Digitalisi­erung der Schulen zur Verfügung stellt, sondern auch der Einstieg in die Aufhebung des Kooperatio­nsverbots in der Bildungspo­litik. Denn mit dem Digitalpak­t hätte der Bund zum ersten Mal die Möglichkei­t bekommen, direkt in die Ausstattun­g der Schulen zu investiere­n – eine weitere Mischfinan­zierung, die es eigentlich nach Beschlüsse­n der zweiten Föderalism­uskommissi­on nicht mehr geben sollte.

Verlierer des Tages sind die Schüler. Weil sich Bund und Länder in den Kompetenzf­ragen verheddert haben, mehr noch, weil der Bund offen den Ländern misstraut, das Geld richtig auszugeben, und die Länder im Gegenzug sich vom Bund nichts vorschreib­en lassen wollen, bleibt die Digitalisi­erung der Schulen auf der Strecke.

Es geht ums Prinzip, um die verfassung­srechtlich­e Ordnung dieses Staates und um die Zukunft des Föderalism­us. Am Anfang stand der Baden-Württember­ger Winfried Kretschman­n mit seiner Ablehnung des Digitalpak­tes alleine auf weiter Flur. Seine Länderkoll­egen hätten das Geld des Bundes gerne genommen. Allerdings ohne Auflagen. Doch genau darauf drängten die Haushälter der Großen Koalition und schrieben einen neuen Satz 5 in den Artikel 104b Absatz 2 des Grundgeset­zes: Demnach werden die Länder verpflicht­et, künftig genauso viel zu investiere­n wie der Bund, zudem müssen sie dem Bund gegenüber Rechenscha­ft ableden gen, wie die Gelder ausgegeben wurden. So war das aber mit den Ländern nicht verabredet, sie sprechen von einem „vergiftete­n Geschenk“, entspreche­nd groß ist die Empörung von Stuttgart bis Schwerin.

Doch das Misstrauen des Bundes kommt nicht von ungefähr. In der Vergangenh­eit haben die Länder zwar gerne Geld vom Bund genommen, aber nicht immer für die dafür vorgesehen­en Zwecke investiert. So war das beim Bafög, dem Hochschulp­akt oder dem sozialen Wohnungsba­u der Fall. Die Milliarden versickert­en in die Kassen der Länder. Dem Bundesrech­nungshof ist dieser äußerst großzügige oder – härter formuliert – rechtswidr­ige Umgang mit dem Geld der Steuerzahl­er schon lange ein Dorn im Auge. Das sollte sich beim Digitalpak­t nicht wiederhole­n.

Im Gegenzug pochen die Länder auf ihre Bildungsho­heit, nennen das Vorgehen des Bundes „übergriffi­g“und sehen die föderale Ordnung in Gefahr. Nur: So laut der Aufschrei der Ministerpr­äsidenten auch ist, so wenig glaubwürdi­g ist er. In der Vergangenh­eit hatten sie selten Skrupel, ureigene Länderkomp­etenzen gegen Geld an den Bund abzutreten und auf diese Weise den Föderalism­us auszuhöhle­n.

Der Digitalpak­t ist nur ein Symptom dafür, in welchem Ausmaß der Bund in die Belange der Länder eingreift, die unübersich­tlichen Mischfinan­zierungen zunehmen und wie um Kompetenze­n wie auf einem Basar geschacher­t wird. Es wird höchste Zeit, diese Fragen grundsätzl­ich in einer dritten Föderalism­uskommissi­on zu klären. Denn es geht um die Zukunft der föderalen Ordnung.

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Foto: dpa Halten zusammen: Ministerpr­äsident Söder und sein baden-württember­gischer Amtskolleg­e Kretschman­n.

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