Es geht nicht um die Sache, sondern ums Prinzip
Der Streit um den Digitalpakt muss Anlass sein, den Föderalismus neu zu klären
Im Sport nennt man so etwas eine Klatsche, die nicht ohne Folgen bleiben kann: 0:16. Geschlossen haben die 16 Bundesländer im Bundesrat die bereits vom Bundestag mit Zweidrittelmehrheit beschlossene Änderung des Grundgesetzes abgelehnt. Gescheitert ist damit nicht nur der Digitalpakt, der vorsah, dass der Bund den Ländern fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung stellt, sondern auch der Einstieg in die Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildungspolitik. Denn mit dem Digitalpakt hätte der Bund zum ersten Mal die Möglichkeit bekommen, direkt in die Ausstattung der Schulen zu investieren – eine weitere Mischfinanzierung, die es eigentlich nach Beschlüssen der zweiten Föderalismuskommission nicht mehr geben sollte.
Verlierer des Tages sind die Schüler. Weil sich Bund und Länder in den Kompetenzfragen verheddert haben, mehr noch, weil der Bund offen den Ländern misstraut, das Geld richtig auszugeben, und die Länder im Gegenzug sich vom Bund nichts vorschreiben lassen wollen, bleibt die Digitalisierung der Schulen auf der Strecke.
Es geht ums Prinzip, um die verfassungsrechtliche Ordnung dieses Staates und um die Zukunft des Föderalismus. Am Anfang stand der Baden-Württemberger Winfried Kretschmann mit seiner Ablehnung des Digitalpaktes alleine auf weiter Flur. Seine Länderkollegen hätten das Geld des Bundes gerne genommen. Allerdings ohne Auflagen. Doch genau darauf drängten die Haushälter der Großen Koalition und schrieben einen neuen Satz 5 in den Artikel 104b Absatz 2 des Grundgesetzes: Demnach werden die Länder verpflichtet, künftig genauso viel zu investieren wie der Bund, zudem müssen sie dem Bund gegenüber Rechenschaft ableden gen, wie die Gelder ausgegeben wurden. So war das aber mit den Ländern nicht verabredet, sie sprechen von einem „vergifteten Geschenk“, entsprechend groß ist die Empörung von Stuttgart bis Schwerin.
Doch das Misstrauen des Bundes kommt nicht von ungefähr. In der Vergangenheit haben die Länder zwar gerne Geld vom Bund genommen, aber nicht immer für die dafür vorgesehenen Zwecke investiert. So war das beim Bafög, dem Hochschulpakt oder dem sozialen Wohnungsbau der Fall. Die Milliarden versickerten in die Kassen der Länder. Dem Bundesrechnungshof ist dieser äußerst großzügige oder – härter formuliert – rechtswidrige Umgang mit dem Geld der Steuerzahler schon lange ein Dorn im Auge. Das sollte sich beim Digitalpakt nicht wiederholen.
Im Gegenzug pochen die Länder auf ihre Bildungshoheit, nennen das Vorgehen des Bundes „übergriffig“und sehen die föderale Ordnung in Gefahr. Nur: So laut der Aufschrei der Ministerpräsidenten auch ist, so wenig glaubwürdig ist er. In der Vergangenheit hatten sie selten Skrupel, ureigene Länderkompetenzen gegen Geld an den Bund abzutreten und auf diese Weise den Föderalismus auszuhöhlen.
Der Digitalpakt ist nur ein Symptom dafür, in welchem Ausmaß der Bund in die Belange der Länder eingreift, die unübersichtlichen Mischfinanzierungen zunehmen und wie um Kompetenzen wie auf einem Basar geschachert wird. Es wird höchste Zeit, diese Fragen grundsätzlich in einer dritten Föderalismuskommission zu klären. Denn es geht um die Zukunft der föderalen Ordnung.