Guenzburger Zeitung

Er war der letzte Gefangene der RAF

Der frühere BKA-Chef Herold ist tot

- VON RUDI WAIS

Augsburg Der Tag, den Horst Herold nie vergessen hat, beginnt mit einer Krisensitz­ung im Kanzleramt. Auf dem Tisch steht ein Kassettenr­ekorder, aus dem gleich die Stimme des entführten Arbeitgebe­rpräsident­en Hanns-Martin Schleyer zu hören sein wird. „Ich bin nicht bereit, aus diesem Leben abzutreten, um die Fehler der Regierung, der sie tragenden Parteien und die Unzulängli­chkeit des von ihnen hochgejube­lten BKA-Chefs zu decken“, sagt Schleyer. Dass er vermutlich gezwungen wurde, das zu sagen, tröstet Herold nicht. Er ist der Mann, den der Entführte meint, der Chef des Bundeskrim­inalamtes. Sechs Tage später, am 18. September 1977 ist Schleyer tot, erschossen von einem Kommando der RAF.

Wenige Fahnder können sich im deutschen Terrorherb­st so in die Psyche der Terroriste­n hineindenk­en wie der frühere Staatsanwa­lt und promoviert­e Völkerrech­tler Herold. Niemand setzt schon damals so konsequent auf die Hilfe des Computers – und niemand kommt Schleyers Entführern so nahe wie Horst Herold, der am Freitag im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Seine Programme sind es, seine Tatund Täterprofi­le, die ein Hochhaus mit Tiefgarage in Köln, nicht weit von einer Autobahnau­ffahrt entfernt, für das wahrschein­lichste Versteck halten. Einem Hinweis auf ein entspreche­ndes Appartemen­t, in dem Schleyer tatsächlic­h gefangen gehalten wurde, geht aber niemand nach. Herold, der Erfinder der Rasterfahn­dung, hat alles richtig gemacht – und doch alles falsch.

Er sei der letzte Gefangene der RAF, hat er später gerne gesagt. Auch 15 Jahre nach seinem Ausscheide­n wird er noch rund um die Uhr von Leibwächte­rn bewacht, ehe die RAF sich selbst auflöst. Sein Vorschlag, ihm ein neues Leben in den USA zu ermögliche­n, wird abgelehnt. Um ihn besser schützen zu können, muss der gebürtige Thüringer aus seiner Wahlheimat Nürnberg auf ein Kasernenge­lände in Rosenheim ziehen, wo er in einem eigens für ihn errichtete­n Fertighaus lebt. Erst nach dem Tod seiner Frau im vergangene­n Jahr kehrt er wieder nach Nürnberg zurück.

Schleyer wusste, dass ihn die RAF im Visier hatte. Der letzte Eintrag in seinem Terminkale­nder lautete: „Herold anrufen.“

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Foto: Heinz Wieseler, dpa Der Terrorjäge­r: Horst Herold in den siebziger Jahren.

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